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Zwischen uns Gott

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Die Filmemacherin Rebecca Hirneise geht nach Jahren der Distanz wieder auf ihre fromme Familie zu, um mit ihr erstmals über Religion zu sprechen. Dokumentarische Beobachtungen familiärer Zusammenkünfte mischen sich mit Diskussionsrunden, Archivmaterial, Notizen und Erinnerungen und erzeugen einen Diskurs, der sich an der Frage orientiert, ob das Ausleben des Glaubens für einige Familienmitglieder vielleicht nicht heilsam, sondern vielmehr schmerzhaft ist. Eine Auseinandersetzung kommt in Gang, die ein breites Spektrum von absoluter Bibeltreue, charismatischer Ekstase und tiefsitzender Gottesfurcht offenbart. Es entblättert sich eine ungewohnt intensive und individuelle Welt des Christentums.
  • Veröffentlichung07.11.2024
  • Rebecca Hirneise
  • 90 Minuten
  • Dokumentarfilm
  • FSK 6

„Der breite und der schmale Weg“, lautet der Titel eines Andachtsbilds, das im württembergischen Pietismus weit verbreitet war. Das Bild zeigt eine Mauer mit zwei Pforten, die auf zwei unterschiedliche Pfade führen. Der eine ist breit, einladend und führt an Gasthof, Theater und Spielhölle vorbei in einen Feuersturm, in dem die Stadt Babylon zusammenstürzt. Durch den anderen, etwas versteckten Durchlass muss man sich fast hindurchzwängen. Der Weg, der dahinter beginnt, ist voller Stufen und Windungen. Doch die Mühe lohnt sich. Er führt ins Reich Gottes.

Der Glaube verbindet – oder spaltet

Die Filmemacherin Rebecca Hirneise, die in einer methodistisch geprägten Familie in der süddeutschen Kleinstadt Mühlacker aufgewachsen ist, kennt dieses Bild aus ihrer Kindheit. In ihrem Debütfilm „Zwischen uns Gott“ tastet es die Kamera in einer langsamen Bewegung von unten nach oben ab, bis das allsehende Auge Gottes erreicht ist. Die beiden Wege sind darüber hinaus im Film ständig präsent: als Ausschlussmechanismus, Unversöhnlichkeit und als mit Nachdruck ausgesprochenes Angebot: „Jesus nimmt jeden an. Auch dich.“ Aber auch als Drohung: „Jesus hat dir noch Gnadenzeit gelassen. Wenn du ihn aber immer wieder ablehnst, so wirst du dem Teufel gehören.“

Sätze wie diese fallen im Rahmen eines Gesprächskreises, den die erklärte Agnostikerin im Haus ihrer inzwischen pflegebedürftigen Großeltern initiiert. Sie wolle, so Hirneise im Voiceover, ihren Verwandten, zu denen sie länger keinen Kontakt mehr hatte, wieder näherkommen. Und so hört sie mit Geduld und Offenheit erst einmal zu.

Anfangs geht es noch darum, den gläubigen, rechtschaffenen Menschen vom ungläubigen zu unterscheiden. Mit der Zeit aber verlagern sich die theologischen Diskussionen zwischen Hirneises Mutter, ihren Tanten und Onkeln auf innerreligiöse Auslegungen. Und damit auf einen mehr oder weniger unterschwelligen Kampf um die Deutungshoheit. Wie wörtlich muss die Bibel gelesen werden, was sind die Grundaussagen des Christentums? Ist der Glaube strenges Gebot oder Empfehlung? Vor allem Hirneises Mutter Birgit, die sehr offen über ihre Beschädigungen durch eine streng religiöse Erziehung Auskunft gibt, fühlt sich – stellvertretend für Anders- oder Nichtgläubige – ausgegrenzt und verurteilt. Wiederholt spricht sie von „infizieren“, „einimpfen“ und einer „allergischen“ Reaktion. Für sie hat der Glaube eine gefährliche, geradezu virale Qualität.

Mit erstaunlichem visuellem Gespür

Einen eindrücklichen Einblick in das geschlossene Milieu konservativer christlicher Kreise eröffnen die Super-8-Filme von Hirneises Großvater, die jahrelang in einem Karton auf dem Dachboden lagen. Man sieht Kinder- und Jugendgruppen bei Zeltfreizeiten, seine eigene Familie beim Wandern. Die Aufnahmen verraten ein gutes Gespür für Bildausschnitte und das Einfangen von Bewegung – was erstaunlich ist, denn seinen eigenen Kindern untersagte er den Kinobesuch. Wie hat er seinen Blick geschult? Eine Antwort auf diese und andere Fragen kann der inzwischen demente Mann nicht mehr geben.

Aufgrund unversöhnlicher Positionen finden die verwandtschaftlichen Zusammentreffen ein vorzeitiges Ende. In Einzelgesprächen zeigt sich, dass die Zerwürfnisse innerhalb der Familie eine lange Geschichte haben. Schon die Großeltern, die ihre Kinder im strengen Glauben fern von weltlichen Freizeitbeschäftigungen erzogen, hat der Glaube entzweit. Jahrelang lebten sie auf separaten Stockwerken.

Es ist nicht einfach, den frömmelnden, meist selbstgerechten, sich selbst und anderen mit Strenge und Knausrigkeit begegnenden Menschen zuzuhören, ohne selbst zu urteilen. Manches klingt verwunderlich, anderes obskur und schlichtweg gefährlich. Etwa wenn ein Onkel, Begründer einer eigenen Freikirche und ein Vertreter des „Gesundbetens“, von neu wachsenden Körpergliedern berichtet. Die Dualität von Paradies und Hölle entpuppt sich in „Zwischen uns Gott“ als überaus hartnäckig; am breiten und schmalen Weg führt kein Weg vorbei. Hirneises Bestehen auf einer grundsätzlichen Gleichheit – die Nicht-Existenz Gottes ist meine Realität, die Existenz deine – stößt auf taube Ohren.

Veröffentlicht auf filmdienst.deZwischen uns GottVon: Esther Buss (8.1.2026)
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