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Filmkritik
Der Actionthriller „Weekend in Taipei“ trägt seine touristischen Ambitionen schon im Titel. Ein Film über eine gewalttätige Reise, geboren aus der Sehnsucht nach einem netten Urlaub. Denn berichtet wird, der Produzent und Drehbuchautor des Films Luc Besson hätte sich bei den Dreharbeiten zu seinem Science-Fiction-Actionfilm „Lucy“ in die taiwanesische Hauptstadt verliebt. Also kehrte er im Februar 2023 zurück, um Drehorte für einen Action-Thriller zu finden und frische Bilder des Inselstaats zu atmen. Der fertige Film, gedreht von George Huang, stellt immer wieder offensiv die Schönheit des Landes aus. Gangster, Schießereien und Werbung für Urlaub in Taiwan.
Was insofern interessant ist, als Luc Besson einmal eine zentrale Figur der „Cinéma du look“-Bewegung war, die mit der glatten Oberflächenästhetik der Werbung arbeiten wollte. Filmemachern wie Leos Carax, Jean-Jacques Beineix und eben Besson wurde wohlwollend unterstellt, mittels der situationistischen Technik des „Détournements“ die warenförmige Gegenwartsästhetik gegen sich selbst zu richten. Eine Strömung, die schon auf ihrem Höhepunkt umstritten war. Jenseits davon entstanden in Bessons Produktionsfirma EuropaCorp allerdings bereits seit 1985 Genre-Produktionen, die unabhängig vom tatsächlichen Kalenderjahr ästhetisch und ideologisch immer aus den 1990er-Jahren zu stammen scheinen.
Der Agent und die Profi-Fahrerin
Neu vom Fließband gefallen ist nun „Weekend in Taipei“, ein Actionthriller über ein entfremdetes Liebespaar, das sich nach 15 Jahren der Trennung endlich wieder begegnet. Auf der einen Seite der amerikanische DEA-Agent John Lawlor (Luke Evans), der schon lange versucht, den korrupten taiwanesischen Magnaten Kwang (Sung Kang) hinter Gitter zu bringen. Auf der anderen Seite die Ehefrau des verschlagenen Heroin-Schmugglers, die professionelle Fahrerin Joey (Gwei Lun-mei). Sie bleibt nur bei dem Schurken, um sich selbst und ihren Sohn Raymond (Wyatt Yang) zu schützen. Der kritisiert als Umweltaktivist die Praktiken der Firma seines Stiefvaters. Durch seine Unterstützung könnte es endlich gelingen, Kwang das Handwerk zu legen. Eine offizielle Genehmigung für seine Mission erhält John von seiner Chefin nie, aber sie legt ihm – natürlich ganz ohne Hintergedanken – einen Kurzurlaub in Taipeh nahe.
Kurze Zeit später stehen sich John und Joey zum ersten Mal seit Jahren gegenüber. Anderthalb Dekaden wollen erst einmal verarbeitet werden. In seinen Drehbüchern kombiniert Besson gerne familiäre Probleme mit Action-Plots und lässt private und öffentliche Identitäten seiner Helden kollidieren. „Weekend in Taipei“ arbeitet mit langen Dialogen und Rückblenden, um die blinden Flecken ihrer Beziehung graduell aufzudecken.
Polizeiarbeit wird im Film nie geleistet. Kwang ist die Art von Schurke, die sich mühelos allen Maßnahmen der Ordnungshüter entziehen kann, bis der Held der Geschichte auftaucht und plötzlich jede List stumpfer Gewalt weicht. So wird dann also abwechselnd gekämpft und in Erinnerungen geschwelgt. Leider entsteht nie eine Beziehung zwischen diesen beiden Erzählebenen, sie dienen lediglich der Rhythmisierung des Films. Während die grob umrissenen Figuren miteinander plaudern, wartet das Publikum darauf, dass wieder eine der Action-Sequenzen beginnt. Selbst dankbare Rollen wie der arrogante Kwang bringen keine memorablen Momente hervor. Von Pop-Kino sollten wir immer zumindest verlangen, dass es eine eigene Ikonografie entwirft – Bilder und Bewegungen, die allen generischen Qualitäten zum Trotz ein Eigengewicht entwickeln.
Referenzrahmen mit großer Willkür
Gerade im Referenzrahmen des Films liegt aber eine große Willkür. Er beginnt mit einer Neuinterpretation des „Rolling Stones“-Hits „Paint It Black“, Joey wird zu den Klängen von „Moon River“ vorgestellt, und „Ring of Fire“ von Johnny Cash unterlegt eine wüste Prügelei in der Küche eines Restaurants. Ein später Kampf spielt in einem Kino, in dem gerade Zhang Yimous „House of Flying Daggers“ gezeigt wird. Die Songs stehen kaum im Austausch mit den Figuren und Orten, sondern gleiten als Signifikanten über den Ereignissen. Während die Soundtracks mancher Filmemacher eine wohlsortierte Vinyl-Sammlung formen, ergibt der von „Weekend in Taipei“ eher einen alten „iPod-Shuffle“. Und mit den eleganten Wuxia-Schlachten haben die soliden, aber kurzatmigen Choreografien des Films wenig zu tun.
Alles wirkt wie zufällig arrangiert. Schlechte Kunst zeigt in Zeiten von maschinellem Lernen und automatisierter Mustererkennung, wie algorithmisch bestimmte Kulturprodukte schon immer hergestellt wurden. „Weekend in Taipei“ ist eher Lückentext als Drehbuch.
Und ob ein amerikanischer DEA-Agent überhaupt auf eigene Faust die Probleme eines anderen Lands lösen sollte? Diese Frage wird nicht einmal gestellt. Tourismus und gewalttätige Intervention werden wie beiläufig eins. Das Fremde und die Gewalt gegen das Fremde werden gleichermaßen ästhetisiert. Aber wie in James-Bond-Filmen widerspricht die Gewalt nie der Werbebotschaft. Im Gegenteil: Ferne Länder werden als Spielplatz für ein Publikum präsentiert, das ohne Pistole, aber dafür mit Scheckheft kommt. Doch „Weekend in Taipei“ hat dabei nicht einmal den Anstand, sonderlich unterhaltsam zu sein.