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Filmplakat von Humanist Vampire Seeking Consenting Suicidal Person

Humanist Vampire Seeking Consenting Suicidal Person

92 min | Komödie, Fantasy, Horror | FSK 16
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Filmkritik

Da sitzt die kleine Sasha (Sara Montpetit) auf der Rückbank des Autos und saugt unsicher an einer Blutkonserve. Das kleine Vampirmädchen kann und will einfach nicht töten: der Körper rebelliert. Die typischen spitzen Reißzähne, wenngleich angelegt, wie der Zahnarzt bestätigt, zeigen sich nicht. Eine neurologische Untersuchung ergibt gar, dass die Kleine angesichts von Gewaltdarstellung keinen Beutetrieb entwickelt, wie es sich für einen Vampir gehört, sondern Mitleid empfindet. In einer auf Kubricks „Uhrwerk Orange“ verweisenden Szene muss sich Sasha durch einen Ausschnitt aus dem großen Zombieklassiker „Die Nacht der lebenden Totenmühen und wendet sich entsetzt ab. Die Eltern machen sich selbstverständlich große Sorgen: Ein Vampir muss schließlich töten, um zu überleben. Es liegt in seiner Natur. Wie soll Sasha bloß zurechtkommen, wenn sie das nicht kann?

Eine Vampirin ohne Killerinstinkt gerät unter Druck

Während Vater Aurélien (Steve Laplante) noch Verständnis für seine Tochter aufbringt und versucht, ihre Empfindsamkeit ernst zu nehmen, zeigt sich Mutter Georgette (Sophie Cadieux) von deren Humanismus genervt: Sie hat keine Lust, ihr ganzes Leben für den Sprössling auf die Jagd zu gehen, um Sasha mit Blutkonserven zu versorgen. Je älter Sasha wird, desto größer wird der Druck zu töten, wozu in der Pubertät auch ein körperlicher Drang kommt. Gleichzeitig wächst in der Teenagerin aber eine Lebensmüdigkeit heran: Sie möchte, statt anderen Blut und Leben zu nehmen, wie ein Mensch essen, was das sichere Ende ihrer vampirischen Unsterblichkeit nach sich ziehen würde. Jener Lebensekel, der noch der Sehnsucht nach dem richtigen Leben entspringt, ist in Bezug auf Vampire eine schrullige Seltsamkeit – wie schon in Jim Jarmuschs humanistischer Melancholie-Studie „Only Lovers Left Alive“.

Die kanadische Regisseurin Ariane Louis-Seize schöpft daraus einen eigenwilligen, der bitterzarten Stimmung französischer Chansons nicht unähnlichen Film: Im Verlauf von „Feinfühlige Vampirin sucht lebensmüdes Opfer“ trifft Sasha auf den suizidalen Einzelgänger Paul (Félix-Antoine Bénard), der sich ihr freiwillig als Blutopfer anbietet. Eigentlich eine Win-Win-Situation, wenn da nicht diese verflixten Gefühle im Weg stünden. Gemeinsam macht sich das Paar auf eine Reise durch die Nacht, in der Paul mit dem Leben abrechnet und Sasha einen Umgang mit dem Tod finden muss.

Das erste Mal ist immer schwer

Sashas Trieb, der mit der Pubertät kaum mehr zu kontrollieren ist, erzählt metaphorisch natürlich auch etwas über die Furcht vor der Sexualität, die den Menschen immer schon umtreibt. Die Lust auf den anderen Körper, ganz buchstäblich auf die Körperflüssigkeiten, die wir aufnehmen, schmecken und austauschen, hat etwas von einer fremden Kraft, die den Willen befällt. Sich hinzugeben muss erst gelernt werden. In dieser Hinsicht sind jene Szenen, in denen Sasha und Paul auf dem Bett sitzend herausfinden wollen, wie „es“ denn nun passieren soll, von einer peinlich-tapsigen Komik der begehrenden Begegnung durchzogen: Wie zum Teufel kann Sasha denn endlich zubeißen, ihr Mitgefühl (und andere Gefühle) für Paul überwinden? Dass dabei der Fokus auf die Potenz der Frau gelegt wird, ist nur einer der feministischen Kniffe des Films.

Feinfühlige Vampirin sucht lebensmüdes Opferschält aus der Lustlosigkeit und Lebensmüdigkeit eine Liebesgeschichte heraus, die sich auch in ihrem Ruhepuls bisweilen an Jim Jarmusch anlehnt: lange, gemäldeähnliche Einstellungen, die ihre Faszination aus der Raumatmosphäre ziehen, prägen den Film. Außerdem ist er von einem wunderschönen Umgang mit der Nacht durchzogen, die im Kino ja selten dunkel ist und auch bei Ariane Louis-Seize erst durch die Lichtsetzung, die Lücken zwischen Neonlicht und Schatten, ihre Textur gewinnt.

Liebevolles Interesse an Außenseiterfiguren

Sasha wirkt wie eine Wiedergängerin von Wednesday Addams aus den Filmen von Barry Sonnenfeld, wie sie Tim Burton nicht besser hätte imaginieren können. Wobei jener überdrehte Witz, der die Filme von Burton auszeichnet, hier gar keine Rolle spielt. Vielmehr ist es der Gothic-Vibe und das liebevolle Interesse an Außenseiterfiguren, was „Feinfühlige Vampirin sucht lebensmüdes Opferin die Nähe des „Beetlejuice-Regisseurs rückt.

Louis-Seize weiß, durch welche Bildwelten sie sich bewegt. Man könnte ewig über die Bezugspunkte ihres Films zu „So finster die Nacht“ oder „A Girl Walks Home Alone at Night“ schreiben – zwei Filme, die ebenfalls völlig eigene Zugänge zum Figurentypus der Vampirin gefunden haben. Die Regisseurin hat definitiv einen Film der visuellen Referenzen gedreht, die sie jedoch mit unaufdringlichem Selbstbewusstsein so verwebt, dass etwas ganz Eigenständiges entsteht. „Feinfühlige Vampirin sucht lebensmüdes Opfer“ ist vor allem eins: Ein sensibler Genrefilm, der die Melancholie der Coming-of-Age-Lebensphase in völliger Selbstverständlichkeit mit einem Humanismus des Todes im lakonischen Witz vereint.

Erschienen auf filmdienst.deHumanist Vampire Seeking Consenting Suicidal PersonVon: Sebastian Seidler (30.11.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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