

- Veröffentlichung03.11.2016
- RegieDaniel Abma
- ProduktionDeutschland (2016)
- Dauer92 Minuten
- GenreDokumentarfilm
- Cast
- AltersfreigabeFSK 0
- IMDb Rating7/10 (41) Stimmen
Vorstellungen
Filmkritik
„Transit Havanna“ erzählt von drei kubanischen Transsexuellen. Sie kleiden sich wie Frauen, sie fühlen sich wie Frauen, nur eine Kleinigkeit fehlt noch, sagt Malú: „Mit dem männlichen Geschlechtsteil fühle ich mich nicht wohl.“ Doch wann sich ihr größter Wunsch erfüllt, die operative Geschlechtsumwandlung, das entscheidet ein Ärztekomitee. Malú ist als Joel aufgewachsen und setzt sich aktiv für die Rechte der Transsexuellen ein; Odette war als Osmany einer der besten Panzerfahrer der kubanischen Volksarmee; Juani ist ein freundlicher älterer Herr mit dünnem weißem Bart – der erste kubanische Transsexuelle, der bereits seit 1970 für seine sexuelle Selbstbestimmung kämpft. Er erinnert sich, dass er in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wie der sogenannten Sonderperiode, dem „periodo especial“ Mitte der 1990er-Jahre, nicht einmal die dringend notwendigen Testosteron-Tabletten bekommen konnte. „Transit Havanna“ beschreibt eine noch weitgehend unbekannte Facette der kubanischen Gesellschaft: Menschen, die im falschen Körper geboren wurden und sich eine Geschlechtsumwandlung wünschen. Im Zentrum steht das Engagement Mariela Castros, der Tochter des kubanischen Staatschefs Raul Castro, für die kubanischen Transsexuellen. In Havanna werden mit Hilfe niederländischer und belgischer Ärzte seit einigen Jahren Geschlechtsumwandlungsoperationen durchgeführt. Einmal im Jahr kommen zwei Ärzte aus Holland und Belgien nach Havanna und führen dort kostenlos geschlechtsangleichende Operationen durch. Aber es gibt nur wenige Plätze, und man weiß nicht, nach welchen Kriterien sie vergeben werden. Der Film bleibt dicht an seinen Protagonisten, zeigt darüber hinaus auch viel vom kubanischen Alltag, von Geschlechterrollen und Vorurteilen im karibischen Sozialismus. In erster Linie geht es um die Familien: Juani lebt mit dem mürrischen Bruder zusammen, Odette kümmert sich um ihre alte Großmutter, bei der man, wie bei der Mutter, den massiven Widerstand gegen ihre Entscheidung spürt, sei es aus religiösen Motiven („Gott hat dich nicht als Frau erschaffen!“) oder einfach wegen klassischer Rollenerwartungen („Ich hatte mir immer einen Sohn gewünscht!“). Verständnis findet Odette nur bei dem Bauern, der sie als Ziegenhirtin angestellt hat. Als es so weit ist, begleitet ihre Mutter sie dann doch in die Klinik. Malú hat zu ihrer Familie in Cienfuegos nur wenig Kontakt, die Bewegung für sexuelle Selbstbestimmung ist ihr eine zweite Familie geworden. Auf Manzanillo demonstriert sie für die Rechte der Transsexuellen: „Es lebe die kubanische Revolution, es lebe Che Guevara, es lebe die sexuelle Revolution!“ Und dann: „Viva Mariela Castro!“, die die Rechte der Transsexuellen als „Teil der Menschenrechte, die die Revolution verteidigt“, definiert. Am Rand der bunten Demonstration stehen Männer, die unbeteiligt oder skeptisch das Geschehen beobachten. Mariela Castro tritt im Staatsfernsehen auf, präsentiert ihre Doktorarbeit zur Integration von Transsexuellen in der Universität von Havanna oder singt gemeinsam mit anderen Aktivisten die kubanische Hymne. Immer wieder streift die Kamera durch die Straßen von Havanna, zeigt das gesellschaftliche Umfeld, das ganz alltägliche Rollenverhalten. Ob Mariela Castros Engagement den Durchschnittskubaner erreicht, bleibt offen. Regisseur Daniel Abma erzählt weder eine erbauliche Revolutionslegende noch eine anrührende Emanzipationsgeschichte mit Happy End. Vielmehr ist ihm ein kurzweiliger Dokumentarfilm gelungen, der den schwierigen Alltag und Versorgungsengpässe nicht ausklammert, darüber hinaus aber facettenreich eine unbekannte Realität des tropischen Sozialismus beschreibt.
