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Filmkritik
In einer streng hierarchischen Gesellschaft will Paula (Fine Sendel) nach oben. Angeblich gelang das einst auch ihrem Vater. Doch als sie Nachforschungen anstellt, stößt sie auf Widersprüche. „The Ordinaries“ erzählt von einer jungen Frau, die hinter die Fassade eines totalitären Staats blickt und sich dabei selbst findet. Das klingt zunächst vertraut, aber die Regisseurin Sophie Linnenbaum verleiht ihrer Abschlussarbeit an der Filmuniversität Babelsberg einen ungewöhnlichen Twist: Die Dystopie, in dem die Geschichte angesiedelt ist, wird ausschließlich von Filmfiguren bevölkert.
Wie ihre Mutter (Jule Böwe) ist auch Paula eine Nebenfigur. Diese leben hier in einer grauen, von Plattenbauten beherrschten Vorstadt, tragen beige Mäntel und tauschen die immergleichen Floskeln aus. Das Mädchen hat nun jedoch die einmalige Chance, sich auf einer elitären Schule für gesellschaftlich besser gestellte Hauptfiguren zu beweisen. Bei ihnen scheint alles bunter und individueller zu sein, doch wenn sie zu überdrehten Musicalnummern ansetzen, wird klar, wie leer und oberflächlich es auch hier ist.
Außerhalb der „Storyline“
Nur einmal ist eine kurze Collage der Filme zu sehen, in denen die Figuren mitspielen. Es handelt sich um alte DEFA-Klassiker wie „Heißer Sommer“ und „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“. Auch die Filmwelt erinnert mit ihren streng bewachten Grenzposten und brutalistischen Bauten manchmal an die DDR, aber auch ans klassische Studiokino aus Hollywood oder eine poppige BRD-Wirtschaftswunderfantasie.
Im unerbittlichen Klassensystem des Films gibt es noch eine weitere Kaste: jene, die außerhalb „der Storyline“ leben. Sie sind der Bodensatz dieser fiktiven Gesellschaft. Im Bus dürfen die sogenannten Outtakes nicht bei den anderen Figuren sitzen und leben in ständiger Angst, als Fehler „herausgeschnitten“ zu werden. Ihre Heimat ist ein dunkles, ärmliches Niemandsland, das aus einer schummrigen Bar und einem Flüchtlingscamp besteht.
Nun könnte man einwenden, dass Outtakes ja gar keine Figuren sind, und tatsächlich ist „The Ordinaries“ selbst bei den grundsätzlichsten Definitionen seiner Filmbegriffe recht unbekümmert. Die Figuren sind nicht an konkrete Geschichten gekoppelt, sondern führen ein Eigenleben. Auch der Umstand, dass sich Paula in ihrer Schule möglichst überzeugend in einen Charakter einfühlen soll, weist sie eigentlich nicht als Figur, sondern als Schauspielerin aus.
Figuren, die keine Menschen sind
„The Ordinaries“ versucht seine von realen gesellschaftlichen Missständen inspirierte Science-Fiction-Geschichte auf Filmbegriffe umzumünzen, selbst wenn das meistens gar nicht so gut passt. Die Handlung dreht sich zwar um Rassismus, einen repressiven Staat und den Kampf für Individualität, aber zugleich ist das alles auch satirisch, selbstreflexiv und ohnehin nicht wirklich ernst gemeint. Wir sehen eine Welt, die nicht echt ist, und werden zu Anteilnahme von Figuren ermutigt, die keine Menschen sind.
Der Film arbeitet konsequent gegen sich selbst, indem er einerseits eine dramatische Geschichte etabliert, bei der es um Familienkonflikte und die erste Liebe geht, andererseits aber auf jeden Anflug von Spannung, Emotion oder Illusion mit Filmbegriff-Kalauern reagiert. So wird Paula beim Arzt gefragt, ob sie kürzlich unter Wendungen oder Cliffhangern litt; zu ihrem Helfer wird ein älterer Mann in Dienstmädchenuniform (Henning Peker), der mit dem Namen „Fehlbesetzung“ gerufen wird, und der tote Vater blickt seiner Tochter nicht aus den Wolken, sondern „zwischen den Schnitten“ an.
Das Produktionsniveau von „The Ordinaries“ ist beachtlich. Mit seinen futuristischen Sets, den an die Filme von Wes Anderson erinnernden Retro-Kostümen und der atmosphärischen Beleuchtung sieht hier vieles nach deutlich mehr Geld aus, als es in Wahrheit wohl gekostet hat. Allerdings bleibt das eine Fußnote, weil das Konzept von „The Ordinaries“ zu sehr auf eine einzige Masche beschränkt bleibt, um über zwei Stunden tragen zu können.