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Filmkritik
In der ersten Einstellung ist schon alles enthalten, was „The Last Showgirl“ erzählen will: die schwarze Leere im Hintergrund, das Gesicht der Hauptfigur Shelly (Pamela Anderson) in Großaufnahme, grell geschminkt, mit einer Kappe und rosa Glitzer obendrüber. Die Einstellung bleibt lang stehen; man sieht, wie viel Mühe sich Shelly mit ihrer Erscheinung gegeben hat. Aber genau dadurch wird der Eindruck ruiniert, denn an dieser Einstellung wird die Hoffnung sichtbar, mit künstlichen Mitteln jenen Glamour herzustellen, für den man eigentlich Jugendlichkeit braucht, Selbstbewusstsein und gute Laune. Lauter Dinge, die Shelly fehlen, und das nicht erst seit Kurzem.
Der erste Auftritt zeigt also, wie eine Frau etwas Verlorenes herbeirufen will, und wie sie daran scheitert. Es ist eine Bewerbung, bei der Shelly zeigen muss, wie sexy sie tanzen kann. Sie ist Tänzerin in Las Vegas und gehört seit über 30 Jahren zu einem Varieté namens „Razzle Dazzle“. Dessen Show war mal berühmt; viele Frauen mit Federbüscheln, knapper Kleidung und ein paar tänzerischen Bewegungen. Der Erfolg ist allerdings schon lange vorbei. Nicht, weil das Publikum kein nacktes Fleisch mehr sehen will, sondern weil die Razzle-Dazzle-Darbietungen so altmodisch sind wie ihr Name.
Eine letzte Woche
Das Programm soll nun eingestellt werden; das ist das Thema von „Last Showgirl“. Der Film begleitet Shelly und ihre Freundinnen durch die letzte Woche, bevor sie die Bühne räumen müssen. Er zeigt Tristesse, Erinnerungen an das alte Las Vegas, aber auch die Suche nach Arbeit, denn der Lebensunterhalt muss ja finanziert werden.
Im Gegensatz zu den meisten ihrer Kolleginnen betrachtet Shelly das Tanzen nicht als Arbeit. Tanzen ist vielmehr ihr Traum, ihre Liebschaft. Für das Tanzen hat sie ziemlich alles aufgegeben, was in ihrem Leben wichtig hätte sein können. Etwa ihre Tochter Hannah (Billie Lourd), die als Kind jede Nacht zwei Vorstellungen lang vor dem Varieté im Auto wartete und Gameboy spielte, weil kein Geld für einen Babysitter da war. Bis eine Nachbarin das nicht mehr mitansehen konnte, das Kind zu sich nahm - und Hannah fortan behielt. Den Kontakt zu ihrer Mutter brach das Mädchen ab, der Vater wurde sowieso geheim gehalten. Doch in der letzten Woche steht Hannah plötzlich vor Shellys Tür. Das ist eine weitere Überraschung, die der Film nutzt, um Shellys Blick auf sich selbst zu lenken.
Was in „The Last Showgirl“ sichtbar wird, ist der Erkenntnisprozess einer Frau, die sich nie mit ihren Fehlern auseinandergesetzt hat. Vielleicht waren es auch gar keine Fehler, vielleicht war es bloß der amerikanische Traum. Dass Shelly trotzdem die Realität verkennt, ist allerdings unabweisbar. Sie betrachtet sich als Star, als wichtigsten Teil einer legendären Show; sie weigert sich in unterschiedlichen Facetten, ihre Erinnerungen zu modifizieren. Diese Wahrnehmung steht im Kontrast zu allem, was der Film über ihre Tage und Nächte erzählt, über ihre Auftritte und ihre vermeintliche Kunst. Erst durch das Ende der Show ist sie gezwungen, ihr Leben neu in den Blick zu nehmen, egal wie schmerzhaft das ist.
Die Frauen helfen einander
Regisseurin Gia Coppola zerlegt Shellys Selbstverständnis fast zärtlich, ohne die Protagonistin allzu harsch zu korrigieren; Alter und Hilflosigkeit sind augenfällig genug. Trotzdem ist man geradezu dankbar, dass ihr beim Vortanzen um eine neue Stelle mal jemand die Meinung sagt. Gespielt wird Shelly von Pamela Anderson, die durch die Fernsehserie „Baywatch“ zum Star wurde und in ihrem Leben auf Glamour und wenig Klamotten setzte. Das verleiht dieser Rolle eine amüsante Resonanz.
Darüber hinaus will Anderson beweisen, was sie als Schauspielerin kann. Sie zeigt sich traurig, beschädigt und planlos gegen die Armut, die sie und alle anderen Figuren des Films bedroht. Das macht sie sympathisch, nicht zuletzt, weil man mit ihr die Freundschaften erlebt, die daraus entstehen. Frauen helfen einander mit Trost und Sarkasmus, was über bloße Solidarität beim Überleben hinausgeht. Man erlebt eine Ehrlichkeit im Umgang miteinander, die sie der Außenwelt vorenthalten. Das ist charmant, weil die Frauen sich schon lange kennen und jeder Betrug aneinander sofort auffliegen würde.
Dazu erhält man einen Blick auf Las Vegas ohne Kitsch, aber in Totalen aus Blau und Rosa, gedreht auf 16mm und in CinemaScope, was der Stadt fast die Beschaffenheit eines Traums verleiht. In der Nähe wird das dann aber stetig durch die bittere Wirklichkeit in den Casinos unterlaufen, in denen Shellys Freundinnen arbeiten, immer bedroht durch Willkür, Herzlosigkeit und die 20-jährige Konkurrenz. Es ist ein Land, das nur selten den Weg ins Kino findet, weit jenseits der Bilder, die Hollywood sonst vorstellt, selbst in den kritischeren Filmen.
Mitleid mit sich selbst
Unbedingt erwähnen muss man auch Jamie Lee Curtis als Shellys beste Freundin Annette; Curtis gibt dieser Rolle eine Substanz, mit der Pamela Anderson nicht konkurrieren kann. Weiß geschminkt, in der schrecklichen Uniform des Casinos, in dem sie kellnert, stellt sie sich einmal auf ein Podest und tanzt zu Bonnie Tylers Hit „Total Eclipse of the Heart“ so selbstvergessen in ihre Jugend zurück, dass man weinen möchte.
Es ist allerdings nicht Mitleid mit der Figur, es ist eher Mitleid mit einem selbst. Denn man erkennt, was in diesem Film passiert. Man wird auf die dezenten Lügen hingewiesen, die man sich und anderen gerne erzählt. Man kann die eigene Wahrnehmung des Lebens hinterfragen, die selten wirklich schonungslos ist.
Das bleibt auch nach dieser schmerzhaft-treffsicheren Charakterstudie übrig, die Gia Coppola so leichthändig erzählt. Und erstaunlicherweise auch Optimismus. Denn zumindest in den flüchtigen Momenten des Finales vermittelt Coppola die Gewissheit, dass diese Frauen mit ihrem Leben schon zurechtkommen werden, egal wie schwierig die Zukunft für sie ist.