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Filmkritik
Dovydas (Kestutis Cicenas) spricht mit Händen, Augen und Mund, auch dem Kinn oder den Augenbrauen. Als Gebärdendolmetscher übersetzt er Popsongs, die von Liebe und Herzschmerz erzählen, in mimische und gestische Poesie. Manchmal unterstützt er gehörlose Menschen bei Arztbesuchen. Auch die im Modern Dance ausgebildete Tanzlehrerin Elena (Greta Grineviciute) kommuniziert mit dem Körper. Doch während Dovydas Gebärden direkt, zackig und auf den Bereich oberhalb der Brust beschränkt sind, ist bei Elena der komplette Körper involviert. In ihren mal geschmeidigen, mal expressiven, stets ausladenden Bewegungen ist zudem immer auch ein Moment von Begehren und Verführung im Spiel. Beide Sprachen sind visuell und doch grundverschieden.
Bei einem Tanzkurs, den Elena für gehörlose Jugendlichen gibt, hilft Dovyda bei der Kommunikation. Zwischen beiden entsteht unmittelbar eine gegenseitige Anziehung. Sie habe das Gefühl, sie würde ihn schon ewig kennen, findet Elena; zu ihm sagt sie: „Ich kenne niemanden, der so ist wie du“.
Der Satz ist vielleicht eine Floskel, um die Annäherung ein wenig zu forcieren. Vielleicht steht dahinter aber auch das aufrichtige Empfinden einer Andersheit. Für Dovyda ist ihre Bemerkung jedenfalls das richtige Stichwort, um sich zu outen. „Ich bin asexuell.“
Asexualität kommt im Kino nicht vor
Asexualität im Kino ist nicht unbedingt ein Tabuthema. Sie kommt vielmehr überhaupt nicht vor. Auch Elena, die sich nach einem verlegenen Lachen prompt in ihrer Weiblichkeit abgelehnt fühlt, muss erst einmal eine Suchmaschine bemühen. Dovyda versucht zu erklären, und erklärt dabei natürlich auch ein wenig in Richtung Publikum. Auch eine Nebenerzählung mit einer als Nonne lebenden Jugendfreundin von Elena, die – anders als Dovyda gewollt enthaltsam lebt – versucht Differenzen anschaulich zu machen.
Dovyda lässt sich von Elenas erstem Zurückweichen nicht erschrecken und sucht weiter ihre Nähe. Bald lässt sich Elena, deren Liebesleben bislang von flüchtigen sexuellen Begegnungen geprägt war, auf ihn ein. Ihre Beziehung ist dabei alles andere als unkörperlich, im Gegenteil. Ständig sieht man das Paar bei Umarmungen, Küssen, Berührungen.
Die litauische Filmemacherin Marija Kavtaradze verleiht der mit wattiger Musik unterlegten Romanze etwas sanft Hingetuschtes. Gleichwohl ist „Slow“ ein zutiefst körperbetonter Film. Die Bilder sind körnig und setzen Elenas sensuellen Körper beim Tanzen oder auf der Massagebank in Szene. Doch so naheliegend es auch scheint, Asexualität mit den Mitteln des Körpers zu erzählen, bekommt alles, was damit zu tun hat, unweigerlich den Charakter einer Ersatzhandlung.
Miteinander, aber auf je eigene Art
Im behutsamen Tempo entfaltet „Slow“ eine romantische Liebesgeschichte zwischen zwei sich eng verbunden, aber doch ungleich fühlenden Menschen. Immer wieder versuchen sie ihre Bedürfnisse und Grenzen auszuhandeln, ohne den anderen zu verletzen. Wie lässt sich eine Beziehung leben, monogam oder offen? Was ist möglich an Zugeständnissen und Verzicht? Mit der gesprochenen Sprache kommen die Beiden meist nicht weiter. Ungeteilte Empfindungen, zumal solche, die gesellschaftlich marginalisiert und unbesprochen sind, lassen sich eben nur schwer vermitteln.
Außerhalb ihrer Sexualität scheinen Elena und Dovyda jedoch im Gleichklang zu existieren. Der Film lässt ihre Körper miteinander sprechen: bei spielerischen, fast schon choreografierten Aufräum- und Badezimmer-Ritualen oder in der Kneipe. Ihr gemeinsamer „Tanz“ kommt aber dennoch immer wieder an einen Punkt, an dem die Bedürfnisse auseinanderdriften und Elenas Begehren auf Ablehnung stößt. Das ist stets ein kleiner Bruch. Auch ein aneinander Vorbeisprechen.