- RegieWalter Steffen, Klaus-Peter Hütt
- ProduktionsländerDeutschland
- Produktionsjahr2023
- Dauer82 Minuten
- GenreDokumentation
- AltersfreigabeFSK 0
Vorstellungen
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Filmkritik
Im Karwendelgebirge südlich von Mittenwald existiert seit Jahrhunderten nur deshalb eine alpine Kulturlandschaft, weil dort Sommer für Sommer Schafe auf der Hochweide grasen. Die zähen Tiere halten durch ihre Nahrungssuche viele sogenannte Buckelwiesen von Bewuchs frei, was eine große Artenvielfalt mit sich bringt und vielen seltenen Pflanzen, Insekten und Tieren einen Lebensraum sichert. Dass diese Form eines bäuerlichen „Naturschutzes“ immer noch gepflegt wird, hängt mit rund 70 Schafhaltern zusammen, die als Hobby- oder Nebenerwerbs-„Schaferer“ sich der Fortführung dieser Tradition verschrieben haben. Der Dokumentarfilm „Schafstage“ widmet diesen Männern und ihren Tieren ein bodenständiges Porträt, das vom Handwerk der Schafszucht über die archaische Bergromantik bis zu neuen Herausforderungen durch die Wiederansiedlung von Wölfen und Bären einen weiten Bogen schlägt.
Bimmeln in den Bergen
Es beginnt mit nebelig-märchenhaften Tönen und Szenerien, die das zerklüftete Gebirge ins Bild setzen und kurz das romantische Potenzial solcher Stillleben andeuten. Doch fürs Träumen bleibt wenig Zeit, wenn die Tiere im Frühjahr für den Auftrieb vorbereitet werden. Die Kamera ist mitten im Geschehen, wenn die Schafe gegen Würmer geimpft, ihnen Glocken um den Hals geschnallt oder ihre Klauen eingekürzt werden. Im Schafsstadel in Mittenwald versammelt sich dann eine etwa 400 Tiere zählende Herde, die vom Hirten Peppi Hornsteiner zunächst auf die Vorweide beim Kranzberg und ab Juni dann auf die Hochweide um die Rehbergalm getrieben wird. Dort weiden sie bis Mitte September, ehe der Abtrieb alle Hände der Halter verlangt, weil es die Tiere nicht von selbst wieder ins Tal hinunterzieht.
Der Film stammt von Klaus-Peter Hütt, der insgesamt zwei Jahre lange mit der Kamera den Alltag rund um die Bergschafe gefilmt hat. Ursprünglich waren die Aufnahmen für einen Imagefilm im Auftrag der „Forst- & Weidegenossenschaft Mittenwald“ gedacht, doch das gefilmte Material entpuppte sich als so reichhaltig und nahe an Tieren und Menschen, dass Hütt zusammen mit Walter Steffen noch eine Reihe von Gesprächen mit alten wie jungen Protagonisten der „Schaferer“ führte und beide daraus einen abendfüllenden Kinofilm schufen.
Von den Tieren und ihren Haltern
Man merkt „Schafstage“ die sukzessive Entstehung durchaus an, weil der Film etwas holpert und sich die einzelnen Stränge nicht immer organisch entwickeln. So gibt es etwa auch einen Erzählstrang um den Hirten Peppi, der nach der Sommerweide 2022 seinen Job an seinen Sohn Florian übergab, ohne dass daraus ein echtes Porträt entstanden wäre. Auch wirken die im Schafstadel aufgenommenen Interviews auf den ersten Blick wie typische Talking-Heads: informativ, aber dramaturgisch doch recht steif; auch weil die Fragen aus dem Off allzu deutlich nachhallen und manche Themen wie der Zusammenhalt oder die Frage der Zukunft der Bergschafszucht allzu stark akzentuiert werden.
Doch das schmälert nicht die große Nähe des Films zu den Menschen wie auch zu den Tieren, die man in ihrer Vielfalt so wohl nur selten wahrgenommen hat. Von wegen „Du Schafskopf“! Dass die kletterfreudigen Wollknäuel nicht nur über individuelle Züge verfügen und alles andere als dumm sind, lässt sich hier nicht übersehen. Noch mehr Respekt verdient die Nahbarkeit der Mittenwalder Schafhalter, deren Charaktere plastisch greifbar werden. Das hat nicht nur mit dem bairisch-tirolerischen Dialekt zu tun, sondern mehr mit Nähe und Vertrauen gegenüber der Kamera und den Filmemachern; das Resultat sind tiefenscharfe Miniaturen von Originalen, die mit viel Ruhe, Humor, einer guten Portion Schlitzohrigkeit oder auch einer optimistischen Ernsthaftigkeit von den Freuden, Nöten und Herausforderungen des Lebens mit ihren Schafen erzählen.