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Filmkritik
„Ich bin jetzt in Rente!“, verkündet die 86-jährige Oma beim Weihnachtsfest – und siedelt in den esoterisch angehauchten Feministinnen-Stadl der Mooshammer Liesl über. Eine Entscheidung mit Auswirkungen: Nämlich der völligen Verwahrlosung im Hause Eberhofer. Neun Monate später sind der Papa, seine Söhne Leopold und Franz, Franz’ On-off-Freundin Susi sowie deren gemeinsamer Sohn Pauli längst in Dreck, Siff und Chaos versunken. Vereinzelte Vorstöße von Leopold, Ordnung in den Haushalt zu bringen, werden von den anderen mit Eberhofer-typischer Ignoranz und Lethargie bedacht.
Abgründe von Faulheit
Die souveräne Darstellung dieser im fiktiven niederbayerischen Örtchen Niederkaltenkirchen im Allgemeinen und im Hause Eberhofer im Speziellen sehr verbreiteten Wurschtigkeit gehört zu den großen Stärken der Provinzkrimi-Reihe rund um den Dorfpolizisten Franz. Es gibt wohl wenige Filme, die derart lustvoll, pointiert, geradezu zärtlich in die Abgründe von Faulheit blicken – diesmal, in der mittlerweile neunten Verfilmung, noch erweitert um den Tatbestand der hochgradigen Verlotterung. Was sich da herausholen lässt an Pointen! Etwa das wunderbare Kostüm von Papa Eberhofer: Seit dem bald ein Jahr zurückliegenden Weggang der Oma trägt er – schon aus Protest! – noch immer ein- und dasselbe, sich zunehmend befleckende (Weihnachts-)T-Shirt, umflattert von einem orangefarbenen Bademantel. Aber auch die Fremdscham, die der so völlig aus der Art geschlagene Leopold angesichts seiner Familie empfindet. Oder die Mäuse, die im Hintergrund durch die Küche huschen.
Der große Bruder der Wurschtigkeit freilich ist der Dilettantismus. Immer wieder herrlich ist das, wenn der in den „Eberhofer“-Filmen fröhliche Urständ feiert, etwa im Rathaus des Provinzkaffs, das in „Rehragout-Rendezvous“ besonders im Fokus steht. Und natürlich umso mehr zum Tragen kommt, je stärker sich die Figuren um Seriosität oder gar Weltläufigkeit bemühen. Die Fallhöhe zur turbokapitalistischen Selbstoptimierung ist also vermutlich nirgendwo so groß wie in dem von Rita Falk ersonnenen Kosmos Niederkaltenkirchen – was wohl auch wesentlich zum Erfolg der Romane und Filme beiträgt. Ebenso wie das eingespielte Team dahinter: Seit der dritten Verfilmung schreiben Stefan Betz und Ed Herzog die Drehbücher gemeinsam, und Herzog, der bereits seit dem ersten Teil dabei ist, inszeniert – in handwerklich-bildsprachlich wiedererkennbarer Manier.
Schamlos ausgenutzte Machtposition
Als nun Susi wegen eines Unfalls ihres Chefs, des Bürgermeisters, zu dessen vorübergehender Stellvertreterin ernannt wird, besteht ihre erste Amtshandlung darin, Franz’ Posten auf eine Teilzeitstelle zu reduzieren. Damit er mehr Zeit für Pauli und den Haushalt hat. Ohnehin nutzt die bisherige Verwaltungsangestellte die plötzliche Machtposition schamlos aus, ist regelrecht berauscht von ihren neuen Möglichkeiten – ein schön lakonischer Kommentar zu der Frage, ob Frauen mit Macht anders umgehen als Männer. Dieser Film antwortet darauf klar mit: Nein. Die Szenen, in denen Lisa Maria Potthoff ihr komisches Talent ausspielen darf, gehören denn auch zu den besten des Films.
Es geht also einmal mehr um alles Mögliche: Das gute Essen der Oma, die schwierige Beziehung zwischen Susi und Franz inklusive neuer Rollenverteilungsprobleme, die Freundschaft zwischen Franz und seinem Sidekick, dem Privatdetektiv Rudi, und natürlich generell die Abgründe der Provinz. Um einen Kriminalfall geht es entsprechend nur am Rande: Vermisst wird Bauer Steckenbiller, was Franz erst interessiert, als ihm eine Krähe ein menschliches Ohr auf die Windschutzscheibe legt.
Direkt im Vordergrund steht die Ermittlungsarbeit in den „Eberhofer“-Werken nie – hier aber wird sie besonders stiefmütterlich behandelt. Die Krimihandlung wirkt, trotz wunderbarer Auftritte von Michael Kranz und Tina Keserovic als verdächtige Jungbauern, arg konstruiert, geradezu blutleer. Was nicht weiter ins Gewicht fällt, solange sich der Film mit Witz und Verve seinen anderen Erzählsträngen widmet. Spätestens in seinem letzten Drittel aber, wenn der Fall noch irgendwie aufgelöst werden muss, lässt der Film deutlich Spannung vermissen, hangelt sich an erwartbaren Gags und erlahmenden Dialogen entlang.
Durchhänger neben originellen Einfällen
Gewisse Längen oder allzu plumpe Derbheiten hat „Rehragout-Rendezvous“ zwar gelegentlich auch in seiner ersten Hälfte zu bieten: Beispielsweise in der entbehrlich-unlustigen Sequenz im Tierbedarfsladen, in der die Kabarettistin Monika Gruber einen Auftritt hat. Oder bei dem vorhersehbaren „Man’s Energy Day“, zu dem Franz von seinen Kumpels genötigt wird. Doch werden derlei humoristische Durchhänger da meist noch durch originelle Buch- und Regie-Einfälle an anderer Stelle wettgemacht: Durch Rudis virtuelle Lebensgefährtin Yin-Ling etwa, den Running Gag der Oma im Fahrschulauto oder die schöne Darbietung von Drehbuchautor Stefan Betz als Dorfdoktor (und Flötzinger-Lookalike!).
Schade, dass „Rehragout-Rendezvous“ trotz seines erneut gut gelaunt und stimmig aufspielenden Ensembles den Schwung und Esprit der ersten Filmhälfte nicht bis zuletzt halten kann. Dennoch – die Wiedersehensfreude angesichts des wie immer wunderbar wurschtigen Niederkaltenkirchener Personals kann selbst der leicht durchwachsene Gesamteindruck nicht nachhaltig schmälern!