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Filmkritik
Diese Geschichte musste Sofia Coppola einfach interessieren: eine junge Frau gefangen in einem goldenen Käfig, isoliert und fremd in einer Umgebung, die für sie nicht gemacht ist. Ihre Filme „Lost in Translation“ und „Die Verführten“, „Marie Antoinette“ und „Virgin Suicides – Verlorene Jugend“ kommen einem unwillkürlich in den Sinn. Der neue Film von Sofia Coppola basiert auf den Erinnerungen „Elvis and Me“ (1985) von Priscilla Presley, die bereits 1988 als gleichnamiger Fernsehfilm adaptiert wurden, mit Priscilla Presley als Produzentin. Zuvor war sie als Jenna Wade in 144 Folgen von „Dallas“ und als komischer Sidekick in der „Die nackte Kanone“-Trilogie zu sehen. Auch hier hielt sie im Hintergrund die Fäden in der Hand. Coppola steht ihr darin zur Seite und erzählt die Geschichte aus ihrer Perspektive: Ein verträumtes, naives Mädchen aus Texas erregt fern der Heimat die Aufmerksamkeit des berühmtesten Rockstars aller Zeiten, der sich gleichwohl als schüchterner Junge mit Mutterkomplex entpuppt.
Eine fast unschuldige Beziehung
1959 lernte Priscilla Beaulieu in Bad Nauheim – ihr Stiefvater ist in Wiesbaden stationiert – Elvis Presley auf einer Party kennen. Sie war gerade einmal 14 Jahre alt. Natürlich hatte sie ihn schon vorher gekannt, sie liebte seine Musik. Privat ist er aber so ganz anders als auf der Bühne: ernsthaft, aufmerksam, zurückhaltend, fast unbeholfen. Beide haben Heimweh und fühlen sich einsam, er hat seine Mutter verloren, sie ist in Deutschland ohne Freunde. Beharrlich macht Elvis ihr den Hof und holt bei ihrem Stiefvater die Erlaubnis ein, sie abends auszuführen, immer mit dem Versprechen, sie pünktlich wieder zurückzubringen. Er träumt davon, einmal ein großer Schauspieler zu werden, so wie Marlon Brando; ein Poster von „On the Waterfront“ hängt in seinem Zimmer; sie will nur mit ihm zusammen sein.
Fast schon unschuldig mutet diese Beziehung an, zumal Elvis Presley vor intimem Kontakt zurückschreckt. Zurück in den USA halten sie Kontakt. Später holt er sie nach Graceland, 1967 heiraten sie. Doch schon vorher beginnen die Probleme. Nicht nur, dass er wie Pygmalion bestimmt, wie sie sich kleiden, schminken und frisieren soll; immer öfter ist er gar nicht zuhause, weil er in Hollywood dreht oder auf Tour ist. Eifersüchtig nimmt sie die Schlagzeilen aus der Klatschpresse über angebliche Affären zur Kenntnis und weiß die meiste Zeit nichts mit sich anzufangen. Bis man sich unwillkürlich fragt, was sie überhaupt in Graceland macht.
„Priscilla“ ist ganz aus der Sicht der Titelfigur erzählt, und es ist bewundernswert, wie sich Cailee Spaeny diese Rolle anverwandelt. Dabei fängt die Kamera zumeist ihr Gesicht ein, in dem sich von erwartungsvoller Vorfreude bis zu einsamer Enttäuschung die ganze Bandbreite an Empfindungen offenbart, die eine derart ungewöhnliche Beziehung auslöst. Sensibel und filigran verkörpert Spaeny ein 14-jähriges Mädchen, das verträumt und ein wenig abgelenkt das Geschehen um sich herum wahrnimmt, egal, ob es in Deutschland in einem bürgerlichen Haushalt lebt oder in Graceland verloren durch die überfrachteten Zimmer irrt.
Eine Frau kämpft sich frei
Das Production Design fängt diesen Kontrast mit einer sorgfältigen Ausstattung ein. Hier stimmt jedes Detail, vom Fanmagazin, das die Teenagerin zuhause liest, über die tiefen Teppiche in Graceland bis zur Bühnenshow in Las Vegas. Der Schauspieler Jacob Elordi überragt Priscilla um Kopflänge; zumeist blickt er – in einem symbolisch überhöhten Machtgefälle – auf sie hinunter und gibt ihr Anweisungen. Selten einmal wird er ärgerlich, und wenn, fühlt er sich dabei sichtlich unwohl. So ganz nebenbei zeichnet der Film das Bild eines Mannes, der an seinem unvorstellbaren Ruhm zu zerbrechen droht und mit wirren Einfällen dagegen rebelliert, von einer religiösen Phase bis zur Einnahme von LSD. Auch Elvis ist ein Gefangener, seiner selbst, seines Ruhms, seines Managers, der hier aber, im Gegensatz zu Baz Luhrmanns „Elvis“, nicht vorkommt.
Im Zentrum des Films steht das Porträt einer Frau, die sich trotz ihrer großen Liebe zu Elvis Presley aus ihrem goldenen Käfig befreit und erfolgreich für ihre Unabhängigkeit kämpft. Eine starke Frau also. Auch das musste Sofia Coppola interessieren.