- RegieVincent Paronnaud, Marjane Satrapi
- ProduktionsländerFrankreich
- Dauer98 Minuten
- GenreDramaBiographieTrickfilm
- Cast
- IMDb Rating8/10 (82530) Stimmen
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Filmkritik
Eine Jugend zwischen Iran und Europa, eine gefühlvolle Geschichte über Toleranz, Selbstbehauptung und Nonkonformismus: „Persepolis“, die zweiteilige Graphic Novel von Marjane Satrapi, gehört zu den interessantesten Kunstwerken der letzten Dekade. Gleichermaßen ästhetisches Neuland betretend wie kulturell und politisch brisant, kam der erste Band 2004 quasi aus dem Nichts und wurde zum Bestseller, der – eindringlich und überraschend – gleich die Wahrnehmung seines Genres revolutionierte. Jetzt hat Satrapi, eine in Paris lebende iranische Emigrantin, Jahrgang 1969, gemeinsam mit Vincent Paronnaud ihr Werk fürs Kino umgesetzt; das Ergebnis ist ein spannender, zugleich berührender wie herausfordernder Animationsfilm. Die Animation wirkt dabei zugleich schlicht und elegant, ein wenig wie ein Holzschnitt. Subtil wird das Schwarz-weiß durch Grautöne und wenige, umso eindringlichere Farbeinsätze ergänzt und treffend in Bewegung gebracht. Hübsch und im Ergebnis überzeugend ist auch der Einfall, die Rolle der Satrapi im Original von Chiara Mastroianni sprechen zu lassen und die ihrer Mutter von Mastroiannis Mutter Catherine Deneuve. Erzählt wird weitgehend autobiografisch die Lebensgeschichte der Autorin. Als Kind erlebte sie die letzten Jahre der Schah-Herrschaft, dann die ersten Jahre unter dem Mullah-Regime. Vor allem diese Phase, in der sich die Hoffnungen auf ein besseres Leben als Illusionen erwiesen, in denen der Aufbruchselan der Revolution in einer bleiernen Schreckensherrschaft verkümmerte, die die frühere Repressionen noch um ein Vielfaches übertraf, wird ausführlich geschildert. Satrapi stammt aus einer linksliberalen, republikanisch gesonnenen Schicht, zu der es in Deutschland kein Pendant gibt: Sehr gebildet, sehr politisch, sehr bürgerlich, unterstützte man die Revolution, obwohl man von ihr ökonomisch kaum profitierte, und wurde bald bitter enttäuscht. Prototypisch steht für diese Entwicklung vor allem der geliebte Onkel, der unter dem Schah opponierte und seinen bereits skeptischen Verwandten noch optimistisch „Vertraut dem Volk“ erwiderte – kurz bevor ihn die Mullahs in die Todeszelle warfen. Entschieden erinnert Satrapi: Der Iran war immer ein laizistisches Land, die Revolution eine politische, pro-westliche, die dann von den Mullahs ins Reaktionär-Fundamentalistische gekehrt wurde. Der Film stellt schwierige Fragen und verweigert einfache Antworten, er ist voller unbekannter Geschichten und Informationen, wie der, dass es unter dem Schah im Iran 3000 politische Gefangene gab, unter Khomeini 300.000; noch bemerkenswerter sind aber die detaillierten Schilderungen des Alltags einer Kindheit im Iran, wo Heranwachsende zunächst kaum etwas von den Kindern des Westens trennte: Sie schwärmten für Punk und Adidas, Bruce Lee und ABBA, liebten Pommes Frites und Coca Cola, bevor ihnen die religiösen Führer all das als „westliche Dekadenz“ verboten. Dabei überwiegt das Gefühl einer Enttäuschung über ein Land, das plötzlich verrückt spielt. Trotzdem ist „Persepolis“ keineswegs eine Geschichtslektion oder ein politisches Traktat. Voller menschlicher Wärme stehen vielmehr der Zusammenhalt der Familie und die Gefahren im Gottesstaat im Zentrum. Der Film zeigt, wie drastisch sich das Leben ändern kann, wenn die Intoleranz überhand nimmt, wenn Regierungen und Institutionen ihre Version Gottes oder andere Weltanschauungen in ideologische Waffen verwandeln. In bezaubernder Weise gelingt es dabei, die Perspektive eines Kindes in ihrer Mischung aus Naivität und Klarsicht zu reproduzieren. Immer wieder kommt es zu Momenten wie Marjanes Fantasiegesprächen mit Gott oder Karl Marx, die zunächst „nur“ witzig scheinen, plötzlich aber erschreckenden Ernst entfalten und überaus kluge Einsichten vermitteln. In „Persepolis“ siegt die individuelle Selbstbehauptung. Dies gilt doppelt, denn wenn Marjane in der zweiten Filmhälfte von ihren Eltern – aus Schutz vor Repressionen – ins österreichische Ausland geht und dort eine Schule besucht, ist sie neuen Anfechtungen ausgesetzt. Insofern ist „Persepolis“ weniger ein Film über Heimatverlust als über Freiheit, dessen Moral lautet: „Jeder hat immer eine Wahl.“