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Filmplakat von Manchester By The Sea

Manchester By The Sea

138 min | Drama | FSK 12
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Wenn du alles gibst und doch die, die du liebst, nicht beschützen kannst... was macht das mit dir - als Mensch? Lee Chandler (Casey Affleck) ist ein schweigsamer Einzelgänger, der als Handwerker eines Wohnblocks in Boston arbeitet. An einem feuchtkalten Wintertag erhält er einen Anruf, der sein Leben auf einen Schlag verändert. Das Herz seines Bruders Joe (Kyle Chandler) steht still. Nun soll Lee die Verantwortung für seinen 16-jährigen Neffen Patrick übernehmen. Äußerst widerwillig kehrt er in seine Heimat, die Hafenstadt Manchester-by-the-Sea, zurück. Doch ist Lee dieser Situation und der neuen Herausforderung gewachsen? Kann die Begegnung mit seiner (Ex-) Frau Randi (Michelle Williams), mit der er einst ein chaotisches, aber glückliches Leben führte, die alten Wunden der Vergangenheit heilen? (Quelle: Verleiher)
Der einsame und schweigsame Lee Chandler (Casey Affleck), als Handwerker für einen Bostoner Wohnblock zuständig, wird von einer erschütternden Nachricht aus dem Alltag gerissen: Sein Bruder Joe (Kyle Chandler) ist plötzlich gestorben. Nach dem überraschenden Tod soll sich Lee um Joes 16-jährigen Sohn Patrick (Lucas Hedges) kümmern. Dafür zieht er von Boston zurück in seine Heimat, die Hafenstadt Manchester an der amerikanischen Ostküste. Doch muss er dort nicht nur Ersatzvater für einen Teenager sein, ohne so was jemals zuvor gemacht zu haben, sondern trifft auch seine Ex-Frau Randi (Michelle Williams) wieder, mit der er früher chaotisch, aber glücklich zusammenlebte. Die alten Wunden beginnen, erneut zu schmerzen und Lee fängt an, sich zu fragen, was es braucht, mit der Vergangenheit ins Reine zu kommen – und was es braucht, eine gesunde Zukunft zu beginnen…

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Filmkritik

Das erste Bild zeigt einen Mann und einen Jungen. Beide sitzen am Ende eines nach hinten offenen Boots und angeln. Noch kann man nicht einordnen, wer sie sind, welche Funktionen sie innerhalb der Erzählung übernehmen werden. Eine Idylle, so scheint es zunächst. Doch sie steht in starkem Kontrast zu der Geschichte, die sich nun in mehreren Schichten entfaltet.

Im Mittelpunkt: Lee Chandler, ein schweigsamer, unfreundlicher Einzelgänger, der als Hausmeister einen Wohnblock im winterlichen Boston betreut. In einer kurzen Szenenfolge macht Regisseur Kenneth Lonergan, der mit „Manchester by the Sea“ seinen dritten Film nach „You Can Count on Me“ (2000) und „Margaret“ (2011) inszenierte, deutlich, was das bedeutet: verstopfte Toiletten reinigen, Schnee schippen, Wände streichen. Eines Abends provoziert Lee unvermittelt in einer Bar eine Schlägerei. Unverantwortlicher Mistkerl oder zutiefst verletzter Mann, der nur noch die Hülle seiner selbst ist und sich selbst bestrafen will?

Da erreicht Lee die Nachricht, dass sein Bruder Joe einen Herzanfall erlitten hat und bald sterben wird. Lee muss die Vormundschaft für seinen 16-jährigen Neffen Patrick übernehmen, und so kehrt er widerwillig in seine alte Heimatstadt Manchester-by-the-Sea zurück.

Alte Wunden reißen auf, und man ahnt, dass Lee der Situation nicht gewachsen ist. Zwangsläufig kommt es zum Wiedersehen mit seiner Ex-Frau Randi. Nicht zu vergessen Patricks Mutter Elise, deren Verschwinden Lee erst in die Verantwortung für seinen Neffen zwingt. Rückblenden in die Vergangenheit, die durch ihre Gleichgewichtung den Charakter einer Parallelhandlung annehmen, offenbaren allmählich die ganze Tragik, Verletztheit und Schuld der Hauptfigur und erklären das Scheitern der Ehe mit Randi, die einmal chaotisch, aber auch glücklich begann.

Puzzleteile zusammensetzen

Lonergan hat seine Geschichte klug und komplex aufgebaut, fast schon pointilistisch streut er einzelne Informationen ins dramaturgische Gerüst und bringt es damit leicht zum Zittern. Informationen, deren Bedeutung sich erst sehr viel später erschließt. Man muss darum besonders in der ersten Stunde wie bei einem Puzzle die Teilchen zusammensetzen, um sich ein vollständiges Bild zu machen. Was bewirkt, dass die Figuren und die Situationen gefangen nehmen und großes Interesse auslösen: Was ist ihr Geheimnis? Welches Ereignis hat sie so sehr verändert? Und, wichtiger noch: Wie wird sich der Konflikt lösen? Fragen, die die innere Spannung des Films ausmachen.

Wie die Charaktere mit der Tragödie, die der eigentlichen Filmhandlung vorausgegangen ist, umgehen und sich zueinander verhalten, ist sowohl emotional als auch psychologisch auf den Punkt getroffen. Das Hauptgewicht liegt dabei auf der Beziehung zwischen Lee und Patrick. Während der Junge sich mit seiner hedonistischen Ruppigkeit im Charakter seines Onkels zu spiegeln scheint, ringt Lee mit seiner Rolle als möglicher Vormund. Das macht aus „Manchester by the Sea“ vor allem einen großen Schauspielerfilm: Selten sah man Casey Affleck so konzentriert, intensiv und vielschichtig wie hier. Seine Unentschiedenheit, sein irritierendes Verhalten, die Abwehr, mit der er auf seine Umwelt reagiert – mit jeder Geste, jeder Bewegung, jedem Wort fängt er die Misere und Verzweiflung seiner Figur ein.

Michelle Williams als Ex-Frau hingegen sorgt gegen Ende mit dem Versuch, die Vergangenheit mit der Gegenwart zu versöhnen, für die ergreifendste Szene des Films. Die Trauer ihrer Figur steht ihr förmlich ins Gesicht geschrieben – und das ist schlicht großartig gespielt.

Interessant ist auch das Setting: Manchester-by-the-Sea ist eine kleine Küstengemeinde, in der jeder jeden kennt und die Erinnerung wie selbstverständlich wachgehalten wird. Den Umgang miteinander erleichtert das allerdings nicht. Der graue Himmel, die Kälte und der Schnee unterstreichen die tiefe Verletztheit der Menschen. Hier, in dieser rauen Natur, ist es nicht einfach, den Schmerz der Vergangenheit abzuschütteln und ein neues Leben zu beginnen.

Erschienen auf filmdienst.deManchester By The SeaVon: Michael Ranze (30.10.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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