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Filmkritik
Zwei Schwestern vor dem Spiegel. Zur Linken setzt Taffy (Liza Soberano) noch die letzten Akzente, schminkt nach und zupft das Haar zurecht. Daneben ist Lisa (Kathryn Newton) kurz davor, den Kampf gegen ihr struppig-monströses Haar aufzugeben. Lisa hasst Partys, ihr eigenes Aussehen und die Aussicht, sich gleich öffentlich präsentieren zu müssen. Doch die Stiefschwester bleibt hart: Lisa soll wieder unter Leute kommen, statt nur auf dem Friedhof herumzuhängen. Seitdem Lisas Mutter ermordet wurde, ist das Grabmal eines jungen viktorianischen Musikers zu einer Art Refugium für die Teenagerin geworden. Dorthin flieht sie vor dem High-School-Alltag wie auch vor der neuen Familie, in die Lisas Vater (Joe Chrest) eingeheiratet hat. Die bevorstehende Party soll das ändern, so zumindest die Hoffnung von Schwester Taffy, die das 1980er-Cheerleader-Klischee zwar mit ihrem gesamten Wesen verkörpert, aber auch ein Herz für ihre Schwester hat.
Ein lebender Toter im Kleiderschrank
Natürlich ändert die Party erst einmal nichts. Einen ungeplanten Drogenrausch und den sexuellen Übergriff ihres Schulprojekt-Partners später findet sich Lisa mit verlaufenem Make-Up am Grab des seelenverwandten Toten wieder. Und wie es ein Film in der Frankenstein-Nachfolge erfordert, wird bald Elektrizität durch den Kadaver des seit Jahrhunderten Verstorbenen strömen. Und entsprechend eines 1980er-Coming-of-Age-Pastiche wird der lebende Leichnam erstmal im Kleiderschrank von Lisas Zimmer geparkt.
Die Bizarro-Realität aus der Feder von Diablo Cody findet im Jahr 1989 statt, wobei sie sich Einsamkeitsmotiv und Monster bei Mary Shelley borgt und den Rest aus der Filmgeschichte zusammensammelt. „Lisa Frankenstein“ kommt schnell dorthin, wo es seltsam wird. Doch was zwischen den eng vernähten Motiven aus Hoch- und Popkultur wenig Raum findet, ist eine genuine Gefühlswelt. Das betrifft nicht nur den trotteligen Vater, der als gebündeltes Stereotyp aller abwesend-uninteressierten Väter des High-School-Drama-Genres immer einen Fernseher oder eine Zeitung zur Ablenkung findet, oder die garstige Stiefmutter, die ihrerseits alle Stereotype einer narzisstisch-überprivilegierten Vorstadtfrau bündelt.
Auch die Schüler:innen scheinen weniger ihren wild in alle Richtungen ausschlagenden Gefühlen zu folgen, als vielmehr der Funktionalität einer aus der Vergangenheit entliehenen Satire zu gehorchen. „Lisa Frankenstein“ büßt als Nachbild eines solchen Entwurfs, für den sich insbesondere „Edward mit den Scherenhänden“ von Tim Burton als Referenz aufdrängt, allerdings jegliche kritische Schlagkraft ein.
Mit einer Axt erschlagen
Die Ankerpunkte, die der Film bereithält, docken nicht an etwas Realweltliches, sondern schlicht nur an Kultur- beziehungsweise Filmgeschichte an. Abseits davon bietet auch die soziale Welt des Films wenig, woran man sich festhalten könnte. Ein Scherenschnitt-Prolog zu Beginn, ein Mélièscher Mond als Zimmer-Deko und wild bewegt im Drogenrausch, Bob Ross im Fernsehen, pastellfarbene Tim-Burton-Häuser, Coming-of-Age-Nostalgie à la John Hughes, ein „Nosferatu“-Treppenaufstieg und so weiter.
Als Selbstzweck taugt dieser Zitatreigen gut, aber er ist ein schlechter Ersatz für ein tatsächliches affektives Fundament. Lisa Kindheitstrauma ist zumindest auf dem Papier das, was allem zugrunde liegt. Wirklich Gewicht vermag der Film auf diese Wunde aber nicht zu legen, obschon es mit dem maskierten Fremden zusammenhängt, der Lisas Mutter mit einer Axt erschlagen hat. Doch so richtig ernst möchte der Film vieles ohnehin nicht nehmen. Genauso wenig ist es ein Schock, dass der vom Blitzschlag zum Leben erweckte viktorianische Junggeselle (Cole Sprouse) der nervigen Mutter-Nachfolgerin Janet (Carla Gugino) den Schädel zertrümmert. Es ist vielmehr die logische Zuspitzung eines Films, der sich auf möglichst wenig einlässt, während er sich mit einiger Verunsicherung in Richtung des Absurden vortastet.
Das stößt auch deshalb bitter auf, weil der dazugehörige Empowerment-Gestus auf das Anderssein setzt. Doch für den Wandel vom verschwiegenen Mauerblümchen, das sein Trauma am Grab eines viktorianischen Jünglings verträumt, zur sexy Goth-Ikone, die ihre Unschuld verliert, um die eigene Identität und die dazugehörige Schrägheit zu finden, fehlt dem Film das Selbstbewusstsein. Die nekrophilen Ideen, die Lisa bald überkommen, müssen deshalb harmlos und gefällig genug bleiben, um ohne schlechtes Gewissen mit jeder anderen Form von Sexualität ins Off geschoben zu werden. Die mit ihrem Monster zusammen verübten Gemeinheiten und Schmuddeleien bleiben ihrerseits immer eher Witz denn tatsächliche Irrwege auf dem Pfad zur eigenen Identität.
Es zählt der Look, nicht die Gefühle
Überhaupt scheint der Film nicht allzu sicher zu sein, was genau er mit Frankensteins Monster anfangen möchte. Für eine echte Liebelei mit dem viktorianischen Kadaver fehlt der Mut. Doch das Monströse in ihm von der Leine zu lassen, traut sich der Film auch nicht. Zur Komödie taugt er noch am ehesten. Wie ein niedlicher Außerweltlicher wird der Neubelebte mit fremden Körperteilen aufgehübscht, im Solarium immer weiter ins Leben zurückgebruzzelt und als Zuhörer, der mit mehr oder weniger zustimmendem Grunzen Pointen bereitstellt, in Lisas Teenager-Probleme integriert.
Was dem Film wirklich fehlt, ist das Timing. „Lisa Frankenstein“ ist zu zögerlich inszeniert, um die Chancen zu nützen, die seine in alle Richtungen des Genrekinos offene Prämisse bietet. Mit großem Stilwillen folgt der Film dementsprechend nicht den Topoi des einen oder anderen Genres, sondern verharrt hilflos zwischen ihnen. Was sich an Abgründen, Irrwitz und Freiheiten auftun könnte, wird durch den Stilwillen nicht akzentuiert, sondern überschminkt. Wo die Leiche, das Trauma und die Selbstfindung allzu hässlich werden, wird einfach ein Schwall Farbe drübergeklatscht. Falls die Schminke verläuft, zählen nicht die Tränen dahinter, sondern der Look, den die Tränen möglich machen.