



- RegieFergus Grady, Noel Smyth
- ProduktionsländerAustralien
- Dauer81 Minuten
- GenreDokumentarfilm
- Cast
- AltersfreigabeFSK 0
Vorstellungen

Filmkritik
Filme übers Pilgern bilden längst ein eigenes Genre. Nicht erst seit Hape Kerkelings 2006 erschienenem Reise-Bestseller „Ich bin dann mal weg“ (der längst verfilmt wurde) ist insbesondere der Run auf den bekannten Jakobsweg gigantisch. Entsprechend tummeln sich viele Spiel- und Dokumentarfilme zum Thema auf den Kinoleinwänden, Fernsehschirmen und Streaming-Plattformen, darunter die Komödie „Saint Jacques… Pilgern auf Französisch", der Fernsehfilm „Ich trag dich bis ans Ende der Welt“ oder das Drama „Dein Weg“ (2012) von Emilio Estevez.
Vor allem an Dokumentarfilmen über den berühmtesten Pilgerweg der Welt herrscht kein Mangel: „Porträt von Pilgern auf dem Jakobsweg“ (1993) war eine Art Vorreiter des Booms; gut zehn Jahre später ging es dann so richtig los mit „Der Jakobsweg“, „Zu Fuß nach Santiago de Compostela“, „Camino de Santiago“, „Footprints – Der Weg Deines Lebens“, „I’ll push you: Der Jakobsweg, zwei Freunde und ihr Rollstuhl“, „Eine Armlänge Welt“ oder „Nur die Füße tun mir leid“, um nur einige zu nennen.
Eine kleine, toughe Frau
Der Dokumentarfilm „Himmel über dem Camino – Der Jakobsweg ist Leben!“ müsste also schon einen neuen Aspekt thematisieren, um eine weitere Filmproduktion über die totfotografierte Wanderung zu rechtfertigen. Das aber ist bei dem Film der Neuseeländer Noel Smyth und Fergus Grady nicht der Fall. Allein die Tatsache, dass nach spanischen Priestern, US-Amerikanern im Rollstuhl, jungen Schweizern oder bayerischen Ernährungsberaterinnen diesmal „Kiwis“, also Menschen aus Neuseeland, auf dem 800 Kilometer langen Pilgerweg begleitet werden, muss als Neuigkeitswert herhalten.
Die Filmemacher begleiten eine Handvoll zumeist sympathischer Menschen, die sich den „Camino“ vorgenommen haben, darunter die 54-jährige Julie Zarifeh, die innerhalb weniger Tage Mann und Sohn verlor. Oder den 69-jährigen Terry, der zusammen mit seinem Schwiegersohn Mark im Gedenken an dessen jung verstorbene Tochter den Weg nach Santiago gehen will. Die 70-jährige Sue kämpft sich mit großen Schmerzen den Pilgerpfad entlang: eine kleine, krumme, toughe Frau. Dazu kommt die 72-jährige Australierin Claude, die für jeden, der ihr gerade vor die Füße läuft, eine Kalenderweisheit auf Lager hat und darin ein bisschen übergriffig erscheint.
Still dem Leben lauschen
„Observing quietly life“, darum gehe es beim Jakobsweg, erklärt sie einmal. Womit sie nicht unrecht hat. Doch weder sie noch die Filmemacher halten sich an diese Vorgabe. Während Claude regelmäßig pathetische Banalitäten in die Welt hinausposaunt, lassen die Regisseure die Protagonisten sehr viel reden und legen überdies fast flächendeckend Musik über die Bilder.
Was sie und die Produzenten über die oberflächliche Ebene hinaus erzählen wollten, auf der hier viele weinende, sich umarmende, lachende oder Schmerzen habende Pilger zu sehen sind, bleibt offen. Eine tiefere Dimension jenseits der bekannten Sinn-, Trost- und Spiritualitätssuche, jenseits des Klischees vom Pilgerweg als Sinnbild des Lebens oder obligatorischer Durchhalte-Parolen fehlt gänzlich.
Zudem kommt der Film den Protagonisten nicht wirklich nahe, woran auch minutenlang gefilmte Tränenausbrüche nichts ändern. Am ehesten entsteht eine solche Nähe noch bei der ihre Verletzlichkeit recht offen zeigenden Julie Zarifeh. Sprünge in der Chronologie wirken dramaturgisch überdies unergiebig. So bleiben lediglich die schönen Aufnahmen der spanischen Landschaften, die die neuseeländischen Wanderer durchqueren.
Der Film mag für Pilger, die den Jakobsweg noch vor oder schon hinter sich haben, eine gewisse Relevanz besitzen. Davon abgesehen erweist sich „Himmel über dem Camino“, der seinem andeutungsreichen Titel kaum gerecht wird, als recht eindimensionaler Beitrag zu einem ohnehin mit (auto-)biografischen Erzählungen aufgeblähten Genre.