Vorstellungen
Filmkritik
Der Titel deutet es bereits an: An der Erfolgsformel des ersten Teils wird nichts geändert. „Neue Geschichten“, das heißt einfach weitere Geschichten und in diesem Fall: In Wien sind Sommerferien und der Fröstl Franz (Jossi Jantschitsch) hat wieder Alltagsprobleme zu lösen. Dieses Mal steht ihm nicht seine piepsige Stimme im Weg. Auch will er aus sich keinen richtigen Mann mehr machen, weil das ohnehin alles lächerlich war, völlig alberner Influencer-Blödsinn.
Der Franz hat gelernt, dass es gut ist, wie er ist. Nur seine zwei besten Freunde kriegen sich in die Haare: Die Gabi (Nora Reidinger) kann nicht mehr mit dem Eberhard (Leo Wacha) und der Eberhard nicht mehr mit der Gabi. Der Grund? Völlig nichtig, nebensächlich und „wuarscht“. Dumm nur, dass der Franz zwischen den beiden steht und sich nicht entscheiden will, mit wem er nun seinen Sommer verbringt.
Mit wilder Einbildungskraft auf Einbrecher-Jagd
Ein Plan muss her: Da in Wien gerade ein Einbrecher umgeht, die Gabi in ihrer Detektiv-Phase ist und eine gemeinsame Aufgabe verbindet, macht der Lockenkopf aus der kauzigen Nachbarin Frau Berger (Maria Bill) eine Verdächtige. Mit kindlichem Enthusiasmus und wilder Einbildungskraft wird also ermittelt. Ein großes Durcheinander nimmt seinen Lauf, an dessen Ende dem Eberhard das Herz aufgehen wird und der Franz wieder eine Lektion fürs Leben gelernt hat.
Kinderfilme sind für die Filmkritik so eine Sache. Wie will man Filme beurteilen, die für Kinderaugen bestimmt sind? Legt man nicht immer irgendwie erwachsene Maßstäbe an? Da aber jeder Film, vor allem in jungen Jahren, auch Filmbildung ist, sollte man tunlichst auch über die formal-ästhetischen Kriterien streiten. So lässt sich festhalten, dass sich im Mainstream-Kinderkino eine Formel durchgesetzt hat, die analog zu Süßigkeiten gilt: möglichst laut, süß und bunt muss es sein. Schließlich muss der Geist der kleinen Menschen gebannt, die Aufmerksamkeit gefesselt werden.
Daher muss es krachen und scheppern und sich überschlagen. Von den „Minions“ über „Hotel Transsilvanien“ bis zu „Alfons Zitterbacke“: Die Regler werden aufgedreht. Selten, oftmals versteckt und kaum beworben, gibt es dann die kleinen, leiseren Filme. Jene, die man den Kindern dann wie grüne Paprika und Karotten erstmal schmackhaft machen muss: Joya Thomes „Königin von Niendorf“ war 2017 so ein Beispiel. Eine zärtliche Geschichte über das Erwachsenwerden, in der die Kinder ernst genommen und nicht infantilisiert werden.
Keine Katastrophen oder Weltuntergänge
Oder eben „Geschichten vom Franz“. Der hatte zumindest den Vorteil, dass er auf einer bekannten Buchreihe von Christine Nöstlinger aus den 1980er-Jahren basiert. Bereits diese Geschichten sind in ihrer Einfachheit entwaffnend (empfohlen seien die von der Autorin selbst eingesprochenen Hörbücher): Es passiert so gut wie nichts. Zumindest keine wirklichen Katastrophen, und Weltuntergänge sowieso nicht. Ein kleiner Junge mit piepsiger Stimme muss mit völlig alltäglichen Widersinnigkeiten umgehen: Schule, Geschwister und Langeweile in den Ferien. Die Charaktere allerdings sind liebevoll, ehrlich und zum Ins-Herz-Schließen. Der Tonfall im Schreiben der Nöstlinger immer ein wenig süffisant, ein kleines bisschen spitz, wie aus einem ungewaschenen Kindermund.
Daher fragte man sich schon, wie es denn gelingen würde, diesen Geist der Nöstlinger-Bücher auf die Leinwand zu bringen. Ein Teil der Magie entsteht beim Lesen ja deshalb, weil die Kinder sich mit dem Franz identifizieren können, weil sie ihre eigene Welt hineinprojizieren – nie zu viel, aber auch nie zu wenig beschrieben ist.
Johannes Schmid hat 2022 im ersten Teil eine Atmosphäre geschaffen, die so alltäglich war, dass man sich im Kino fühlte, als würde man selbst mit diesen drei Kindern durch Wien streifen. In der Fortsetzung, den „Neuen Geschichten vom Franz“, gelingt dies erneut. Das herrliche Zusammenspiel der Kinder, die völlig ernst gezeigten Erwachsenen: Alle Figuren sind normal, nicht bereits als Witzfiguren überzeichnet. Selbst der förmlich vor Paukermuff funkelnde ZickZack (so lautet der Spitzname des Lehrers, gespielt von Rainer Egger) entgeht dem bloßen Klischee.
Viel Besonderes steckt in unserer Welt
Mitunter muss man an die alten Folgen von „Pumuckl“ denken, wo ein ähnliches Wunder glückte und man selbst als Erwachsener staunen muss, wie viel Besonderes in unserer Welt steckt. Der Franz macht es möglich. Wenn die drei Freunde mit selbstgebastelten Detektivausweisen im Kaufhaus vom Kaufhausdetektiv (Christoph Grissemann) erwischt werden, ist die Chuzpe des Trios schon urkomisch. Wer bekommt da nicht Lust, sich selbst Visitenkarten zu basteln?
Was passiert, das ist auch im neuen Film nicht weltbewegend – und genau deshalb so wohltuend, weil Kinder in ihrer Welt bleiben dürfen. „Die Geschichten vom Franz“ sind das Gegenteil von Eskapismus. Außerdem ist der Alltag ohnehin immer schon größer, als wir ollen Erwachsenen glauben. Die Perspektive von Schmid und seinem Team ist auf Augenhöhe, erhebt sich nie über die Protagonisten.
Einzig die Eltern kommen in „Neue Geschichten vom Franz“ etwas zu kurz. Darin war der Vorgängerfilm einen Tick besser, weil die Präsenz von Mama (Ursula Strauss) und Papa (Simon Schwarz) eben nicht rausgerechnet werden darf. Das Hadern von Herrn Fröstl mit seinem neuen Job wird arg im Nebenbei abgehandelt. Schade. Daraus hätte man durchaus noch einen Nebenplot stricken können. Ebenso könnten sich die Macher ruhig trauen, in der Form etwas verspielter zu sein, natürlich ohne am realistischen Ton des Films etwas zu ändern. Sei’s drum: Für das Kinderkino kann man eigentlich nur fordern: Mehr Franz wagen!