- RegieDenis Villeneuve
- ProduktionsländerVereinigte Staaten
- Produktionsjahr2023
- Dauer166 Minuten
- GenreAbenteuerScience Fiction
- AltersfreigabeFSK 12
- TMDb Rating8/10 (5757) Stimmen
Cast
Vorstellungen
Filmkritik
Jeder Körper ist in der Welt von „Dune“ gewissermaßen doppelt präsent. Da ist zum einen das Außen, mit dem jeweils einzigartigen Antlitz, das einen zum Individuum macht; es gibt aber auch das Innen, die elementare Stofflichkeit, in der alle gleich sind. Zumindest scheint es so, denn bestehen nicht alle Humanoiden aus Wasser? Mithin aus jenem Element, das auf dem Wüstenplaneten Arrakis so kostbar ist, dass kein Tropfen verschwendet werden darf. Selbst Urin, Schweiß und andere Körperabsonderungen müssen körpernah gespeichert und wiederverwertet werden. Nach dem Tod wird das kostbare Gut aus dem Körperinneren extrahiert; zurück bleibt eine ausgetrocknete Hülle: ein Außen ohne Innen.
Doch die Sache ist komplizierter. So eindeutig, wie es zunächst scheint, sind außen und innen nicht voneinander geschieden. Zum Beispiel ist das Wasser im Inneren der amoralischen, machtversessenen Harkonnen leicht giftig und sollte nur als Notreserve verwendet werden. Die strahlend blauen Augen der auf Arrakis seit langem heimischen Fremen wiederum verweisen auf das Spice, das wertvolle halluzinogene Gewürz, das in den Dünen des Planeten begraben ist; die Angehörigen des Wüstenvolks nehmen es über die Luft und ihre Nahrung in den Körperkreislauf auf. Anders ausgedrückt: Das böse Äußere verweist auf einen faulen Kern, und die innerlich-stoffliche Transformation bricht zur Körperoberfläche durch.
Von außen nach innen
Es sind solche Zusammenhänge, in denen die kosmologischen Ambitionen des Weltentwurfs des US-amerikanischen Autors Frank Herbert sichtbar werden – Ambitionen, die seine Schöpfung und damit auch die äußerst werkgetreuen Verfilmungen des Kanadiers Denis Villeneuve von den meisten anderen fiktionalen Welten der Science-Fiction-Tradition abheben.
In gewisser Weise bewegen sich auch die „Dune“-Filme von außen nach innen. Der erste Teil der millionenschweren Verfilmung der „Dune“-Science-Fiction-Romane war vor allem damit beschäftigt, die äußeren Umrisse der Handlungswelt zu skizzieren, insbesondere den staubtrockenen, auf den ersten Blick aggressiv lebensfeindlichen Wüstenplanet Arrakis. Und die zentralen dramatischen Konflikte zwischen dem noblen Haus Atreides, dem ausbeuterischen Haus Harkonnen sowie dem indigenen Wüstenvolk der Fremen zu etablieren.
Im zweiten Teil richtet sich der Blick nun in gleich mehrfacher Hinsicht auf Inneres. Das betrifft zum einen die Fremen selbst. Die stehen zunächst im Zentrum der Erzählung, wenn Paul Atreides (Timothy Chalamet) und seine Mutter Jessica (Rebecca Ferguson) nach einem vernichtenden Angriff der Harkonnen in die Wüste fliehen und dort von den Wüstenbewohnern zuerst gerettet und anschließend ebenso skeptisch wie hoffnungsvoll beäugt werden. Anders als die Harkonnen beuten die Fremen die Oberfläche des Planeten nicht wie parasitäre Fremdkörper aus, sondern hausen in ausladenden Höhlensystemen und pflegen ein symbiotisches oder jedenfalls mystisch-naturreligiös verbrämtes Verhältnis zu den organisch-stofflichen Kräften um sie herum.
Das „Wasser des Lebens“
Auch zu den Sandwürmern. Diese riesenhaften Zivilisationsmüllschlucker, die schon im ersten Film spektakulär in Szene gesetzt wurden, lernt man im zweiten Teil deutlich besser kennen. So erfährt man, dass auch die Sandwürmer ein Inneres haben. „Wasser des Lebens“ heißt die bläuliche Flüssigkeit, die den Viechern entnommen werden kann, und deren Genuss für Menschen tödlich ist. Es sei denn, man ist der Messias, der Erlöser, den die religiösen Fanatiker unter den Fremen sehnsüchtig erwarten.
Man sieht: Es gibt viel zu erzählen, und wie schon im ersten Film schwelgt Villeneuve im narrativen und semantischen Reichtum, den die Romanvorlage zur Verfügung stellt. Die klaren geometrischen Formen, die „Dune“ dominierten, weichen dabei tendenziell den weicheren, organischeren Texturen der Welt der Fremen oder auch psychedelisch-verwaschenen Traumbildern und Visionen, die immer öfter in die Spielhandlung einbrechen. Denn das andere, das psychische Innere der Figuren ist in „Dune: Teil 2“ ebenfalls eine zentrale Ressource der Narration. Jessica unterhält sich immer mal wieder mit dem ungeborenen Kind in ihrem Bauch.
Es gibt einfach immer noch mehr in dieser Welt: den Harkonnen-Planeten Giede Prime zum Beispiel, auf dem die überzeugendste halbe Stunde des neuen Films spielt. Hier spielt Innerlichkeit keine große Rolle, hier herrscht brutaler, an Riefenstahl-Ästhetik gestählter Digitalbrutalismus. Aber vielleicht täuscht das auch nur? In den schwarzen Höhlen, als die die Augen der kahlköpfigen und leichenblassen Harkonnen erscheinen, gähnt ein Nichts, das ebenfalls nach einer Erläuterung zu verlangen scheint. Ähnliches gilt für den Orden der geheimnisvollen Bene Gesserit, für die die Oberfläche nichts und die zugrundeliegende Struktur, die „Blutlinie“, alles ist. Was haben die nur wieder vor hinter ihren Schleiern?
Chani (Zendaya) wiederum bekommt diesmal zwar etwas mehr zu tun, aber so recht angekommen ist die junge Fremin, in die sich Paul in der Wüste verliebt und die offensichtlich zur zweiten großen Hauptfigur aufgebaut werden soll, noch immer nicht. „Dune: Teil 2“ hat zwar eine etwas schlüssigere Erzählstruktur als der gemächlich beginnende und dann im Weltraum-Schlachtenchaos versinkende Vorgänger „Dune“. Doch bei allen Seitenblicken, die die Fortsetzung auf die vielen Teile des Herbert-Universums wirft, verliert der Film Pauls Aufstieg zum Rebellen- und Religionsführer nie aus den Augen.
Zwei Varianten des Totalitarismus
Zudem haben sich die „politischen“ Fronten vereindeutigt. Mit den Atreides ist die einzige, im engeren Sinne zivilisatorische Macht aus der Welt von „Dune“ (fast) verschwunden. Nun stehen sich zwei Varianten des Totalitarismus gegenüber: die durch und durch (bis ins Innerste?) faschistischen Harkonnen und die zunehmend jihadistischen Fremen.
Der Grundimpuls der Saga bleibt dabei ein architektonischer. Villeneuve ist wie ein Kind, das die Chance bekommt, das allergrößte Lego-Raumschiff mit den allermeisten Einzelteilen aller Zeiten zusammenzubauen, und das diese Möglichkeit aus vollem Herzen ausschöpft. Da hinten kommt noch ein Flügel dran, und vorne die wirklich allerfetteste Weltraumkanone, die man sich vorstellen kann.
Wirklich glücklich wird mit dem zweiten Film nur der, der dieses Spiel mitgeht und am liebsten selbst Hand anlegen und mitbasteln würde an einer Welt, die sich in ihrer selbsterzeugten Komplexität selbst genug ist. Und die letztlich deutlich wichtiger ist als die Figuren, die sie bevölkern. Bis auf Paul und eventuell Chani hat man all die Weltraumprinzessinnen, Mystiker und Kriegsherren bald wieder vergessen. Die Bene Gesserit sagen es unverblümt: Wenn Paul scheitert, geht die Welt nicht unter. Sie haben noch andere Eisen im genetischen Feuer und halten sich alle Optionen offen.
Kaum schließt sich der Vorhang, stellt sich die Frage: Und was jetzt? Einen dritten Teil möchte Villeneuve mindestens noch drehen, wenn man ihn lässt. Nach „Dune: Teil 2“ kann man sich kaum vorstellen, dass er es dabei bewenden lässt. Denn nach zwei Filmen und fünf Stunden Erzählzeit ist Villeneuve gerade einmal am Ende des ersten Wüstenplanet-Romans angekommen. Frank Herbert hat noch fünf weitere geschrieben.