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Filmkritik
Gerade war noch alles im Lot. Doch dann: ein stechender Schmerz – Filmriss – und das Erste, was Tony wieder bewusst wahrnimmt, ist das Gesicht von Michel Houellebecq. Der französische Schriftsteller darf in der Komödie „Die Rumba-Therapie“ von Franck Dubosc einen Gastauftritt als Kardiologe absolvieren, der einige düstere Aussichten parat hat.
Beim Eingeständnis des Mittfünfzigers, ein starker Raucher zu sein, wirkt Dr. Mory ganz zufrieden, so als freue er sich schon auf den Rückfall. Mit einem anderen Punkt ist er aber kategorisch nicht einverstanden: Tonys Lebensstatus als alleinlebender Mann fast ohne Kontakte. „In jedem Leben kommt der Punkt, an dem wir andere brauchen“, wird der Arzt philosophisch und verleitet Tony zum Nachdenken. An sich ist der Schulbusfahrer ein Einzelgänger aus Überzeugung, doch ein Lebensende in völliger Einsamkeit soll es dann doch nicht sein. Die Wiederbegegnung mit einem lange hinter ihm liegenden Dasein ist unausweichlich.
Mit allzu Leichtem ist nicht zu rechnen
Bereits dieser Einstieg verrät, dass der französische Komiker Franck Dubosc auch seine zweite Regiearbeit nach „Liebe bringt alles ins Rollen“ mit einigen Ambitionen angegangen ist. Der Houellebecq-Besetzungscoup, aber auch das Auftreten der von Dubosc selbst gespielten Hauptfigur sind nicht als Teil eines unbeschwerten Unterhaltungsszenarios angelegt, und mit allzu leichten Entwicklungen braucht man nicht zu rechnen. Dubosc geht nicht die einfachen Wege eines vorhersehbaren Komödienszenarios. Dass Tonys Gesundheitszustand ein Problem bleiben wird und der Arzt und er sich nicht zum letzten Mal gesehen haben, ist angesichts seines ständigen Griffs zur Zigarette unumgänglich.
Und auch der Versuch, sein Leben umzukrempeln, wird nicht so leicht aufgehen, wie Tony sich das erhoffen mag. Auch wenn ihm der Film ein klares Ziel vor Augen stellt: Tony sucht den Kontakt mit seiner Tochter Maria, die er nie kennengelernt hat, da er ihre Mutter Carmen vor zwanzig Jahren verlassen hat. Von der erhält er die Adresse von Marias Arbeitsplatz in Paris, einem Tanzstudio. Doch eine direkte Kontaktaufnahme nach so vielen Jahren bringt der Vater nicht zustande; er will sich seiner Tochter zunächst indirekt nähern, als Teilnehmer in einem ihrer Kurse. Das aber wirft neue Probleme auf. Denn bislang hat er mit Tanzen nichts am Hut, und Maria nimmt nicht jeden Dahergelaufenen auf.
Von der Rolle des großmäuligen Schwerenöters, mit dem er in den 2000er-Jahren als Kinokomödiant bekannt wurde, hat sich Dubosc in „Die Rumba-Therapie“ endgültig verabschiedet. Allenfalls Tonys Lederjacke und sein Motorrad erinnern noch an dieses Image. Im Part eines verunsicherten Vaters, der eine inexistente Beziehung aufbauen will, gibt sich Dubosc vor allem in der Mimik äußerst zurückhaltend. Mit einem erstaunlichen Ergebnis – denn ein solches Understatement hätte man eher mit britischen Darstellern vom Typ Bill Nighy in Verbindung gebracht als mit einem Vertreter der traditionell gern expressiven französischen Komiker-Riege. Die Steifheit des Protagonisten spiegelt allerdings nicht nur seine vergrabene Gefühlswelt, sie reibt sich auch produktiv an der Humorebene des Films.
Wenn ein Tanzverächter tanzen soll
Aus der Idee, einen Tanzverächter Bewegungen vollführen zu lassen, die ihm sichtlich peinlich sind, zieht „Die Rumba-Therapie“ einiges an Witz, zumal im Kontrast von Tony mit weiteren Figuren des Tanzkurses, die mit deutlich mehr Begeisterung bei der Sache sind: allen voran der resoluten Maria selbst, die für Tony keine Ausnahme von ihren Ansprüchen macht, oder seiner Nachbarin Fanny, mit der er die Rumba-Grundkenntnisse für den Kurs erarbeitet.
Ein vollendeter Tänzer wird aus Tony nie werden, auch wenn ihn im Verlauf des Films doch das „Fieber“ packt und sogar eine Teilnahme am berühmten Blackpool Dance Festival im Raum steht. Auch in dieser Hinsicht dämmt Dubosc allzu große Erwartungen; einem überwältigenden Triumph stehen mindestens die Problematik der Annäherung des Vaters an seine ungekannte Tochter und Tonys prekärer Gesundheitszustand entgegen.
Es hat durchaus Biss, wie Dubosc als Drehbuchautor und Interpret die Ängste eines Mannes seziert, der nicht einschätzen kann, wie seine Tochter auf seine späten Vaterschaftsgefühle reagieren wird. Hinzu kommt die bange Erwartung, dass sich Maria etwas Spektakuläreres als Vater vorgestellt haben könnte als einen Busfahrer.
Das Versteckspiel, das sich daraus entspinnt, ist ähnlich wie in „Liebe bringt alles ins Rollen“ wendungsreich und setzt einige Bereitschaft voraus, filmtypische Unwahrscheinlichkeiten als gegeben anzuerkennen. Das gilt insbesondere für die ziemlich selbstlose Mithilfe, die Tony bei seinem Plan von Carmen, Fanny und auch von seinem höchst gutmütigen Kollegen Gilles erfährt – immerhin bringen Karina Marimon, Marie-Philomène Nga und Jean-Pierre Darroussin diese Großzügigkeit schauspielerisch sehr glaubhaft rüber.
Auf der Bühne kann man sich nicht verstellen
Louna Espinosa hingegen besitzt das Temperament und die Anmut, um die Figur der Maria ansprechend zu gestalten, sodass es weniger ins Gewicht fällt, dass sich die Inszenierung mit der Perspektive der jungen Frau schwerer tut als mit der ihres Protagonisten. Dass beide zu Tanzpartnern werden, kann der Film tatsächlich als bestes Mittel zeigen, um Tony und Maria einander näherzubringen. Auf der Bühne ist Verstellung unmöglich und Distanz tabu.