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Filmkritik
Zunächst einmal gilt es, entschieden eine Trailer-Warnung auszusprechen! Zumindest wenn man sich nicht um das Vergnügen bringen will, der atmosphärischen, sehr stylishen Indizien- und Informationsjagd im Retro-Look von „Blink Twice“ beizuwohnen, ehe dessen Puzzleteilchen ein Bild ergeben, das nach Rache förmlich schreit.
Wenn man diesen Tipp beherzigt, muss man nur noch über das Stöckchen springen, was die Kellnerin Frida (Naomi Ackie) denn so außerordentlich spannend an dem Tech-Mogul Slater King (Channing Tatum) findet, dass sie sich sogar auf dem Klo Videos über ihn anschaut. Was für eine Faszination geht von diesem attraktiven Mann aus? Der hatte sich vor nicht allzu langer Zeit öffentlich für ein nicht näher bezeichnetes Fehlverhalten entschuldigt und seinen CEO-Posten aufgegeben, um sich einer Therapie zu unterziehen. Er zog sich auf eine Insel zurück, um ohne Social Media ein besserer Mensch zu werden und sich der Hühnerzucht zu widmen. „We’ve got chickens there!“, lautet die nicht-vegane Botschaft des Geläuterten, der nach seiner Auszeit in die Stadt zurückkehrt, in der Frida und ihre Freundin Jess (Alia Shawkat) kellnern.
Bisschen Party, bisschen chillen
Was läge näher, denkt sich Frieda, als sich nach dem Job kurz in Schale zu werfen, um solcherart „verkleidet“ in den VIP-Bereich vorzudringen und Kontakt zu Slater King zu suchen. Es spricht für das Spielfilmdebüt von Zoë Kravitz, dass diese Szene ans Aschenputtel-Märchen erinnert, weil der charmante Ex-Mogul immer schon mal riskante High Heels in orthopädischere Formen bringen wollte. Wenn man sich jetzt schon mal nähergekommen ist, denkt sich Slater King, warum dann nicht die beiden Freundinnen Frida und Jess einzuladen, ihn und seine Clique auf die Insel zu begleiten. Bisschen Party, bisschen chillen, bisschen „Chickens“.
Auf der Insel entpuppt sich das neue Leben des Geläuterten dann ungefähr so, wie man sich in den 1970er-Jahren den Alltag der Rolling Stones vorgestellt hat – eine scharfe Mischung aus Drogen, Dekadenz und Wellness in Pool-Landschaften: "Der ganze Tag 'ne tolle Party!" Der Film kostet das atmosphärisch voll aus, was allerdings rasch zu einer drogeninduzierten Schlaffheit führt – und deshalb recht unvermittelt auf Augenblicke des Seltsam-Unbehaglichen, auf Störungen und Verstörungen setzt.
Was nur für Männer gilt
Man darf sich fragen: Was hat es mit der exotischen Blume auf sich? Was mit den gelben Schlangen, die gejagt werden? Was mit der an römische Dekadenz gemahnende Kleidung, die den Frauen in der Runde bereitgestellt wird? Hatten Frida und Jess anfangs noch gedacht, dass sie als neue Mitglieder einer eingeschworenen Clique auf die Insel gekommen seien, so stellt sich nun heraus, dass dies wohl nur für die Männer gilt. Als Jess eines Tages von einer Schlange gebissen wird, ist sie plötzlich verschwunden. Vermisst wird sie indes nur von Frida, die immer mehr Hinweise sammelt, dass auf der Insel nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Was hat es mit den verstohlenen Blicken des Einheimischen auf sich? Was meint die Haushälterin, wenn sie Frida als „Red Rabbit“ angeht?
„Pussy Island“ lautete der Arbeitstitel von „Blink Twice“. Seit 2017 haben Kravitz und ihr Partner E.T. Feigenbaum am Drehbuch gearbeitet, dessen Motive bis zu „The Most Dangerous Game“ (1932) zurückreichen. Sie haben sich aber auch von jüngeren Genre-Filmen wie „Get Out“ oder dem aktuellen Fall Jeffrey Epstein inspirieren gelassen. Mit einschlägigen Auftritten von Geena Davis, Christian Slater oder Kyle MacLachlan punktet der Film auf sympathische Weise intertextuell.
Ein blutiger Rachefeldzug
Nachdem „Blink Twice“ geduldig ein Konvolut von Ungereimtheiten etabliert hat, löst der Film dies im letzten Drittel durchaus spannend und irritierend wieder auf, bis ein klares Bild dessen entsteht, was auf der Insel passiert ist. Die Sorgfalt, mit der dies ausgeführt wird, wirkt etwas streberhaft. Denn sobald die Indizien, die um Vergeben, Vergessen und Erinnern kreisen, erst einmal aufgedeckt sind, beginnt ein blutiger Rachefeldzug der Erniedrigten und Beleidigten, was in ein letztlich wenig überraschendes, aber effektives Rape-Revenge-Genrestück mündet, das selbst einer als Dschungelcamp-Gewinnerin eingeführten Nebenfigur gehörigen Raum schafft.
Als Schlusspointe hält dieser #MeToo-Anti-Horrorfilm vielleicht etwas überambitioniert eine feministische Reflexion auf dieses „merkwürdige Beispiel einer weiblichen Rache“ (Schiller) bereit, die eher auf strukturelle Veränderungen als auf simples Tit-for-Tat setzt, damit „Pussy Island“ Geschichte wird.