Vorstellungen
Filmkritik
Das Herz des verarmten Adelssprösslings Philibert ist so groß wie seine Pariser Beletage-Wohnung. Erst gewährt er dem ruppigen Gourmet-Koch Franck Unterschlupf, dann holt er die abgemagerte Putzhilfe Camille aus ihrer zugigen Mansarde zu sich ins Warme: In einer stürmischen Winternacht klimmt er die Stufen ins Dachgeschoss hinauf und trägt die fiebrige Nachbarin in seinen Armen heim, um sie mit heißer Suppe aufzupäppeln. Bei seinem Mitbewohner stößt Philiberts Edelmut auf wenig Gegenliebe: Eine Frau im Haus bringt doch nur Ärger, meint Franck, der es wissen muss und seine zahlreichen weiblichen Bekanntschaften stets zeitig abserviert. Entsprechend wechselhaft ist die gefühlte Temperatur in dieser Wohngemeinschaft, bei der immerhin nie die Gefahr besteht, dass sie sich zu einer menage à trois entwickelt – man ist dankbar dafür, wenn Claude Berri unter allen denkbaren französischen Klischees mal eines auslässt. Ansonsten wird der flüchtige Reisende mit dieser filmischen Genremalerei bestens bedient. „Zusammen ist man weniger allein“ bringt das Machohafte, das Kapriziöse und das Verhuschte in nahezu idealtypischen Figuren auf die Leinwand, deren Vermenschlichung nichts mehr im Wege steht, sobald sie einmal begriffen haben, was sie vereint: Jeder einzelne von ihnen trägt schwer an seinem Familienerbe und richtet sich auf eine individuell vertrackte Art langsam und unerbittlich zu Grunde. Camille ist eigentlich eine begabte Zeichnerin und lässt ihr Talent aus Protest gegen ihre Mutter brachliegen; Franck wuchs bei seinen Großeltern auf, nachdem ihn seine leibliche Mutter als Kind im Stich ließ, und revanchiert sich für diesen Verrat nun an allen Frauen. Etwas komplizierter liegt der Fall bei Philibert, der als Schwächling der Familie umso mehr an deren Traditionen hängt und schließlich mit einer bühnenreifen Nachahmung seiner Verwandtschaft einen Platz in ihrer Mitte findet. Allein hätte er das nie geschafft, genauso wenig wie Camille wieder zu zeichnen angefangen oder Franck die Selbstlosigkeit der Liebe entdeckt hätte. Erst gemeinsam finden sie den Glauben an sich selbst und damit an das Glück zurück. An der recht freien Übersetzung des französischen Originaltitels „Ensemble, c’est tout“ ist ausnahmsweise einmal nichts auszusetzen: „Zusammen ist man weniger allein“, das klingt genauso erbaulich und banal, wie man sich Anna Gavaldas Roman nach dieser Bestsellerverfilmung vorstellt. Den vorgezeichneten Weg zum seligmachenden Finale säumen die Motive des gehobenen Kitsches: malerisch-rustikale Ausflüge aufs Land, die Zelebrierung des gemeinsamen Mahls, eine alte Dame, die zum Sterben auf ihren Grund und Boden heimkehrt. „Ein modernes und turbulentes, mit zärtlichem Humor erzähltes Großstadtmärchen“, nennt es der Verleih, wogegen nichts einzuwenden ist, weil seine Werbeprosa die Belanglosigkeit dieser rührseligen Liebeserklärung an das Leben in die passenden Worte fasst. Claude Berri ist wiederum schon so lange im Geschäft, dass man gar nicht mehr weiß, wann er zum Experten für derlei Stoffe wurde. Sein Film zeigt ihn jedenfalls auf der Höhe seiner süßlichen Kunst und dürfte die einen so sehr begeistern wie er die anderen erschaudern lässt.