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Filmkritik
„Yesterday, all my troubles seemed so far away. Now it looks as though they're here to stay...“ Melancholisch klimpert Jack Malik auf der neuen Gitarre, die ihm seine erstaunt lauschenden Freunde gerade geschenkt haben. Zum Trost, denn der erfolglose Straßenmusiker hatte einen schweren Zusammenstoß mit einem Linienbus erlitten. Ausgerechnet während eines globalen Stromausfalls, der Jack zum Glück nur die Vorderzähne kostete. Den anderen Erdenbürgern scheint der Blackout dagegen kräftig im kollektiven Gedächtnis rumradiert zu haben. Denn die Freunde sind von dem vermeintlich selbst komponierten Song total begeistert. „Das ist Yesterday von den Beatles... einer der größten Songs aller Zeiten!“, entgegnet ihnen Jack. Doch: „Wer sind eigentlich die Beatles?“
Entsetzt fängt Jack zu googeln ab: Die Suche nach „Beatles“ ergibt den Käfer Beetle. Die Recherche nach den Bandmitglieder führt zum Wikipedia-Eintrag von Papst John (Johannes) Paul II. Ohne die Pilzköpfe als Werbeträger gab es weder Coca Cola noch die Britpop-Band Oasis, was in „Yesterday“ einer von vielen gewitzten Seitenhiebe auf eine Pop- und Kulturgeschichte ist, die sich in der Zitatenhölle immer wieder aus sich selbst heraus gebiert.
Mit Ed Sheeran auf der Bühne
Mit dieser Frage nach den „Beatles“ sieht sich Jack nun selbst konfrontiert: Soll er die Songs der augenscheinlich in Vergessenheit geratenen Bands klauen und als Genie die Welt erobern? Oder lieber ehrlich in der Versenkung des musikalischen Niemandslandes verharren? Mit gelegentlichen Highlights, wenn ihm seine Managerin Ellie einen Festivalauftritt besorgt hat – zur Mittagszeit auf einer Nebenbühne, vor einer Gruppe spielender Kinder.
Der Song vom sorgenfreien „Gestern“ könnte also unzutreffender nicht sein, schließlich sind Jacks Probleme eigentlich von vorgestern. Doch jetzt scheint der Musiker aus Leidenschaft ausgesorgt zu haben, wenngleich er sich mit fremden Federn schmückt. Ein junger Studiobesitzer wird auf „seine“ Songs aufmerksam, das Lokalfernsehen klopft an. Plötzlich steht sogar der Popstar Ed Sheeran in der Küche, um den Geheimtipp als Vorband für ein Konzert in Moskau zu engagieren. Im Nu ist Jack der hochgelobte neue Stern am Pop-Himmel, der umso tiefer zu fallen droht, als ihm das Schicksal erneut einen Strich durch die Rechnung zu machen scheint.
„Hey, June“ vs „Hey, Dude“
Regisseur Danny Boyle erzählt in dem Hit-lastigen Liebesfilm ein sehr ähnliches Underdog-Märchen wie in „Slumdog Millionär". Hier ist es Jack, der ein Glückslos zieht, das Ruhm und Reichtum verspricht, ehe er erkennt, dass allein die Liebe zum wahren Glück führt. Dass die erzählerische Prämisse einer (Musik-)Welt ohne die Band, die diese so eindringlich geprägt hat, zunächst unglaublich unterhaltsam ist, verdankt „Yesterday“ auch den für mehrere Millionen Pfund eingekauften Musiklizenzen. Herrlich hemdsärmelig jubelt Jack die größten Welthits seiner unwissentlich ignoranten Zuhörerschaft unter. Durch den Einfluss geldgieriger Produzenten droht dann aus „Hey, Jude“ schon mal ein „Hey, Dude“ werden. Doch Jack ist peinlich genau darauf bedacht, in seinem Gedächtnis und an den verschiedenen Lebensstationen der Beatles dem exakten Textlaut nachzuspüren.
„Yesterday“ wartet mit viel nostalgischem Wiedererkennungsmomenten und einem bissigen Kommentar auf die digitalisierte Vermarktungsmaschinerie des Musikgeschäfts auf. Beides kann aber nicht verhehlen, dass der Film einen recht konventionellen Weg einschlägt. So wird die Annäherung von Jack und Ellie, die schon lange und recht offensichtlich Gefühle für den Musiker hegt, ständig durch beliebige Störfaktoren unterbrochen – hereinplatzende Eltern, Handys oder Manager.
Eingängig und sympathisch
Die Cameo-Auftritte von Ed Sheeran mögen für prächtige Stadien-Aufnahmen und ein größeres Zielpublikum sorgen. Dessen monoton massenkompatible Songs unterstreichen aber vor allem im Vergleich mit den Beatles-Hits, wie schlecht es um die Pop-Industrie bestellt ist. Ob das beabsichtigt war, sei dahingestellt. Zumal neben dem Wohlfühlanspruch dem Ausnahmephänomen der Beatles-Songs kaum nachgespürt wird. Auch bleiben die Figuren recht eindimensional, was primär wohl dem Drehbuch von Richard Curtis anzulasten ist. Und so gleicht der so aufregend beginnende Film zunehmend selbst einem Ed Sheeran-Song: eingängig, sympathisch, aber letztlich ziemlich stromlinienförmig.