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Filmplakat von Wir werden alle sterben!

Wir werden alle sterben!

93 min | Dokumentation | FSK 12
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Klimakatastrophe, Atomkrieg, Sorge vor Rechtsruck, Faschismus und Bürgerkrieg: Ben lebt und arbeitet als Journalist in Berlin und ihm setzen die andauernden Krisen zu. Also reist er von Berlin nach London, nach Kansas, nach Norwegen und schließlich ins Zentrum des Weltuntergangs, dem Chicxulub-Meteoriten-Krater in Mexiko. Er will von jenen lernen, die sich auf den sozialen und ökologischen Zusammenbruch vorbereiten, ob man sie nun „Prepper“, „Doomer“ oder „Bunkerbewohner“ nennt – die internationale „Collapse-Community“ ist größer als gedacht.
Ein (überwiegend) lustiger Dokumentarfilm von Ben Knight über Weltuntergangsängste und allzumenschliche Coping-Strategien.

Vorstellungen

Frieda 23 Lichtspieltheater Wundervoll Rostock
Frieda 23 Lichtspieltheater Wundervoll Rostock
Friedrichstraße 23
18057 Rostock

Filmkritik

Die Unsterblichkeit wird schwer überschätzt. Gleichwohl kann die allgegenwärtige Krise als Dauerzustand fürchterlich enervieren, auch wenn man um die eigene Vergänglichkeit weiß. Wo einst Krisen wie das „Waldsterben“ oder die „Nato-Nachrüstung“ dominierten, geben heute das Klima, der Krieg oder die Pandemie die Alltagsrhythmen des „Doomscrollings“ vor. Alles, so der Journalist und Filmemacher Benjamin Knight in „Wir werden alle sterben!“, verschlimmere sich ständig, wobei die Betonung auf „ständig“ liegt.

Wie man dem Tod begegnet

Dass das so ist, lässt sich nur schwer bestreiten. Dass dieser Blick aber auch einer „Déformation professionelle“ geschuldet ist, also einer bestimmten Form der Wahrnehmung, wird man ebenfalls nicht von der Hand weisen. Bei Benjamin Knight hat der Umgang mit den Multikrisen zu einer unbestimmten Angst geführt, einem tiefen Unbehagen, dem es nachzuspüren gilt. Gibt es andere, denen es ähnlich geht? Wie gehen die mit der drohenden Apokalypse um? Wie steht es um die Spannung zwischen der Erfahrung der eigenen Vergänglichkeit und dem drohenden Weltuntergang?

Nicht ohne Augenzwinkern hat Knight seinen Erkundungen ein Zitat von Montaigne vorangestellt: „Ich will, dass der Tod mich beim Pflanzen meiner Kohlköpfe findet.“ Da Knight nicht über die gleiche Lässigkeit im Umgang mit seiner eigenen Sterblichkeit verfügt, sucht er nach Menschen, die sich produktiv mit dem Skandalon auseinandersetzen. Denn der Weltuntergang mag morgen, übermorgen oder auch demnächst eine ausgemachte Sache sein, aber das bedeutet ja nicht notwendigerweise das Ende. Man muss vielmehr für den Weltuntergang trainieren und sich ein entsprechendes Menschenbild zurechtlegen, damit man am „Day After“ nicht unvorbereitet dasteht.

Auf Augenhöhe

Knight begegnet bei dieser Recherche erwartbar Menschen, die sich mit Funkverkehr auskennen, Lebensmittel horten, Vorräte an unterschiedlichsten Orten deponieren, Überlebenstrainingskurse absolvieren und halbautomatische Waffen bedienen können. Denn der Mensch ist des Menschen Wolf und nach dem Weltuntergang erst recht.

Das Interessante an „Wir werden alle sterben!“ besteht darin, dass der Filmemacher seinen Gesprächspartnern durchweg mit Respekt und auf Augenhöhe begegnet, auch wenn sie noch so durchgeknallt erscheinen. Und das auch dann, wenn die Kamera Dinge entdeckt, die durchaus Häme erwarten lassen könnten. Doch das geschieht nicht. Stattdessen gerät die von Panik getriebene Recherche zusehends zu einer erstaunlich relaxten Passage durch Handlungsräume, Utopien und Dystopien.

Einerseits existiert die Vorstellung, dass es nicht nur klug ist, den Weltuntergang zu überleben, sondern auch, sich auf gewaltsame Verteilungskämpfe unter den Überlebenden vorzubereiten. Ein älterer Hippie, der sich in einem Atomraketensilo im US-amerikanischen Nirgendwo eingerichtet hat, denkt darüber nach, was er tun würde, falls jemand in unfriedlicher Absicht bei ihm anklopft. Verraten möchte er das aber lieber nicht, weil „Liebe die beste Waffe“ sei. Andererseits bestünde natürlich auch die Chance, dass die Überlebenden ihre Lehren aus der Geschichte ziehen und eine bessere Welt jenseits der kapitalistischen Logik aufbauen.

Größere Tomaten

Tragisch ist nur, wenn die Erderwärmung ausgerechnet dem Bunker in Norwegen, in dem das Saatgut der Menschheit eingelagert ist, jetzt schon gehörig zusetzt. Keine Chance auf eine „Stunde Null“! Auch Knight, selbst ein nur wenig erfolgreicher Züchter von Balkontomaten, gibt zu bedenken, dass Cherry-Tomaten für die Zeit danach vielleicht nicht ausreichen. Es sollten schon größere Tomaten sein.

Ein Höhepunkt des Films ist die Begegnung mit dem Klima-Apokalyptiker Guy McPherson, der während der Drehzeit fest davon überzeugt ist, im Jahr 2024 nicht mehr zu leben. McPherson glaubt an die absehbare Auslöschung allen Lebens auf der Erde und steht allen Hoffnungsideen extrem kritisch gegenüber. Auf Knights Replik, dass am anderen Ende der Hoffnung die Verzweiflung regiere, bekommt er zur Antwort, dass Hoffnung nur ein anderes Wort für Handlungsverzicht sei. Eine Art Wunschdenken. Das Gegenteil von Hoffnung sei Handeln. Dass dies für Knight, der bei einer Extinction-Rebellion-Demo lieber als Beobachter eingesetzt werden möchte, eher unangenehm wirkt, sieht man unmittelbar. Die letzte Schamanin der Samen rät denn auch: „Hör auf, dich zu sorgen!“

Eine Übung in Resilienz

Mit zunehmender Filmdauer staunt man, wie sich immer mehr Humor und Gelassenheit ins Räsonnement schleichen, gerade weil sich Knight so nachdrücklich als Ratsuchender inszeniert. Wenn es beispielsweise um die Maya-Kultur geht, die ja schon vor 500 Jahren ihren Weltuntergang erlebte, wovon heute noch die Tempelbauten zeugen, dann erscheinen heutige Müllhalden arg prosaisch. Knights treffender Kommentar: „Manche Apokalypsen haben mehr Würde als andere!“

Doch gerade, als es Knight und der Film geschafft haben, sich der Vorstellung vom bevorstehenden Weltuntergang mit etwas mehr Gelassenheit zu nähern, bricht die Corona-Pandemie los, was den Filmemacher sorgenvoll auf seine Haferflocken-Vorräte blicken lässt. Am Ende aber steht die Einsicht, dass fortwährend etwas in oder von uns stirbt und nicht alles davon unbedingt betrauert werden muss, weil dies auch eine Erleichterung sein kann. Etwa die Notwendigkeit, sich um die Gestaltung der Zukunft zu sorgen. Auf diese Weise hat sich „Wir werden alle sterben!“ von einem Film über Angst, Panik und Überforderung in eine leicht absurde, aber unglaublich unterhaltsame und versöhnlich-komische Übung in Resilienz verwandelt.

Erschienen auf filmdienst.deWir werden alle sterben!Von: Ulrich Kriest (11.11.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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