- RegieKlaus Stern
- ProduktionsländerDeutschland
- Produktionsjahr2024
- Dauer99 Minuten
- GenreDokumentation
- AltersfreigabeFSK 12
- TMDb Rating5/10 (17) Stimmen
Vorstellungen
Filmkritik
Niemand weiß Genaueres über Alex Karp, sein milliardenschweres Analyse-Unternehmen Palantir und dessen Überwachungssoftware, die weltweit von Regierungen, Militärs, Geheimdiensten und Sicherheitsunternehmen eingesetzt wird, durchaus auch zu tödlichen Zwecken. An diesem Nichtwissen ändert der Reportage-Film „Watching You“ von Klaus Stern nur wenig. Schuld daran ist weniger der Filmemacher als vielmehr der mysteriöse Unternehmer, der sich ungern in die Karten schauen lässt und eine Teilnahme an dem Film abgelehnt hat. Auch wenn er sich der Kamera bei öffentlichen Auftritten während der Münchner Sicherheitskonferenz und dem Weltwirtschaftsforum in Davos nicht ganz entziehen kann.
Informativ, unterhaltsam und erhellend ist „Watching You“ dennoch. Denn Stern hat kein Problem damit, Karp auf die Nerven zu gehen. Er zeigt Karps Nähe zum Springer-Konzern und wie er von deutschen Politiker:innen und deutschen Unternehmen hofiert wird. Einmal sieht man Karp in einem Raum mit Donald Trump, als dieser noch im Oval Office saß. Falls es Trump nochmals dorthin schafft, kann er sich auf Palantir gewiss verlassen. Anderes visuelles Material stammt von Palantir selbst, was in Kombination mit pompöser Musik anfangs für Verwirrung sorgt. Denn der Palantir-kritische Film erscheint an dieser Stelle fast wider Willen wie eine Apologie des Unternehmens. Der frohlockende Propaganda-Sound des Unternehmens ist einfach zu verführerisch.
Karp spricht fließend Deutsch
Karps Karriere begann kurios. Nach Seminaren bei Jürgen Habermas und einer Doktorarbeit in Sozialwissenschaften in Frankfurt am Main führte ihn seine Freundschaft mit dem rechtslibertären Unternehmer Peter Thiel in die USA, wo sie 2003 Palantir gründen. Der Geisteswissenschaftler, Sohn eines jüdischen Vaters und einer afroamerikanischen Mutter, wurde zum Geschäftsmann, was seine Doktormutter nicht verwundert: „Fußnoten waren nicht sein Ding.“
Im Zuge des „War on Terror“ nach den Anschlägen vom 9. September 2001 wurde die Verwaltung und Synthetisierung von digitalen Informationen zu Metadaten im Rahmen der engen Zusammenarbeit zwischen Sicherheitsbehörden und dem Silicon Valley zur US-amerikanischen Staatsräson – und für Geschäftsleute zur Goldgrube.
Stern interviewt auch einen Kameramann, der vor Jahren schon einen Film mit dem noch jungen Karp drehte, der sich schon damals nicht gerne filmen ließ. Weiter kommen eine Redakteurin des „Manager Magazins“, die ebenfalls Schwierigkeiten bei der Recherche zu Palantir hat, ein ehemaliger Palantir-Mitarbeiter, der in Andalusien lebt und ein wenig auspackt, sowie einige deutsche Staatsbeamte, Polizist:innen und Politiker:innen zu Wort, die sich über die Zusammenarbeit mit Palantir und die Verwendung von Palantir-Software auslassen. Wo Karp selbst zu Wort kommt, redet er gerne und sagt wenig; auf Fragen wie „Was macht Palantir besser als andere?“ antwortet er aber schon mal mit Hegels „Aufhebung der Widersprüche“.
Wie einem Tech-Giganten den Kampf ansagen?
Ein nicht aufgehobener Widerspruch des Films liegt hingegen darin, dass Stern aufdecken will, aber nur wenig aufzudecken hat, und sich auf diese Weise seiner mysteriösen Hauptfigur unterwirft. Letztlich vermittelt der Film ein Wissen, das längst bekannt ist („Wir werden überwacht“), ohne wesentlich Neues hinzuzufügen. Wer von Palantir und Karp bislang noch nicht gehört hat, kennt nun zumindest die Namen; darüber hinaus aber nicht viel mehr. Dieser Widerspruch zwischen dem allzu Bekannten und dem allzu Unbekannten führt zu einer Lähmung. Wenn jüdisch-amerikanische Aktivist:innen gegen den Einsatz von Palantir-Software bei der Abwehr von Migrant:innen an der mexikanischen Grenze demonstrieren, ist dies die einzige Szene, in der so etwas wie Widerstand aufkommt. Allerdings einer, der ziemlich wirkungslos erscheint. Wie soll man Palantir zu fassen bekommen? Wie den Tech-Giganten den Kampf ansagen?
Widersprüche aushebeln wie etwa die ideologische Differenz zwischen dem einstmals „linken“ Karp und dem von jeher „rechten“ Thiel – und damit dialektisch den hegelianischen Weg des Fortschritts beschreiten, ist jedenfalls die Sache von Palantir. Der Film hätte, bei genauerer Analyse seiner Daten, diesem Weg einen anderen Widerstand entgegensetzen können als den, sich einer Mischung aus braver Reportage und Faszination hinzugeben, in der sich die Empörung dann doch in Grenzen hält.