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Filmkritik
Eddie Brock (Tom Hardy) hat einen Parasiten. Sein Körper ist vermählt mit einem außerirdischen Symbionten. Seine eigentliche Seelenpartnerin, Ex-Freundin Anne (Michelle Williams), die er noch immer, die ihn aber nicht mehr liebt, heiratet derweil einen anderen. Venom, der außerirdische, parasitäre Schleim, mit dem Eddie einen Körper teilt, wünscht sich mehr Aufmerksamkeit, mehr Menschenfleisch und mehr Auslauf. Status beider Beziehungen: Es ist kompliziert! Ein Großteil des Films „Venom: Let There Be Carnage“ ist dieser extraterrestrischen Superhelden-Schizophrenie gewidmet, mit der Eddie wohl oder übel leben muss. Eddie Brock ist nicht allein ein Superheld mit Alltag, er ist ein Superheld im Alltag.
Schon im ersten Teil war „Lernen, mit dem Parasiten zu leben“ das Herzstück des Films. Mit „Let There Be Carnage“ setzt sich der Kampf um die Deutungshoheit über den Alltag fort. Venom manipuliert als unzufriedener Beziehungspartner eben diesen Alltag, den Eddie nach den Ereignissen des ersten Teils (Trennung, Berufsverlust, Alien im eigenen Körper etc.) zusammen mit seiner journalistischen Karriere wieder aufzubauen versucht. Das fällt schwer, weil der Symbiont mit am Schreibtisch sitzt und bei jeder unangenehmen Begegnung mit lauter innerer Stimme vorschlägt, das Gegenüber aufzufressen. Im Fall von Detective Mulligan (Stephen Graham) holt Venom schon dazu aus, kann aber von Eddie im letzten Moment mitsamt dem eigenen Körper in die Damentoilette gesperrt werden.
Begegnung mit einem Serienmörder
Tatsächlich kündigt die Begegnung mit dem Polizisten das Ende der reinen schizophrenen Buddy-Komödie an, die der Film in der ausgedehnten Exposition noch ist. Mulligan stellt Brock dem Serienmörder Cletus Kasady (Woody Harrelson) vor, der dem Journalisten, bereits in der Todeszelle sitzend, ein Exklusivinterview verspricht. Einzige Bedingung: Brock soll einen Liebesgruß an dessen Freundin Frances (Naomie Harris) abdrucken, den diese in ihrem schalldichten Geheimgefängnis lesen kann. Cletus lernte Frances in einem Jugendheim kennen, wo sie mit ihrer Fähigkeit, Schallwellen von tödlicher Lautstärke zu kreieren, die Einzige war, die ihm, dem missbrauchten Jungen, beistand. Bis sie von einem Polizisten namens Mulligan verhaftet wurde, eben dem Polizisten, der nun Eddies Treffen mit Cletus misstrauisch verfolgt.
Der Film schafft es, diesen verschachtelten Plot auf knapp über 90 Minuten zusammenzuzimmern. Richtig ineinander greifen die vielen Rädchen aber letztlich nicht. Zu kompliziert erscheint das, was außerhalb des Zwists zwischen Eddie und Venom passiert, zu einfach die dazugehörige Lösung, dem Serienmörder seinen eigenen Parasitenableger zukommen zu lassen, zu uninspiriert der erneute Kampf von Alien und Wirtskörper gegen Alien und Wirtskörper.
Das Herz des Films ist der Kontrollverlust über den eigenen Körper
Der eigentlich interessante Konflikt ist also immer der internalisierte, der allein zwischen Tom Hardy und dem von ihm gesprochenen computeranimierten Parasiten stattfindet. Das Herz des Films ist nicht die Bekämpfung des Bösen durch den Einsatz der eigenen Superkraft, sondern der Kontrollverlust über den eigenen Körper. „Let There Be Carnage“ ist dort am besten, wo Eddie und Venom um die Kontrolle über die menschlichen und außerirdisch erweiterten Gliedmaßen kämpfen. In diesen Szenen gleicht der Film einer Stummfilmkomödie, die ganz um die Talente des Hauptdarstellers konstruiert ist, der mit seiner Präsenz allein Szenen und Sets bespielt.
Doch – und genau hier hört der Film auf das zu sein, was er in seinen besten Momenten ist – „Let There Be Carnage“ ist eben auch eine Superhelden-Comicverfilmung und damit einher scheint unvermeidbar die Verpflichtung zu gehen, den internalisierten Konflikt in einen Showdown mit Fremdbeteiligung zu kanalisieren. Der Rest ist dann Spezialeffekt-Routine, die den Menschen den überirdischen Mantel aus Muskeln und Tentakeln überzieht, den bissigen Charme des Hybriddaseins aber nicht mehr zu fassen kriegt.