Vorstellungen
Filmkritik
Es ist nicht ganz klar, ob es sich um ein Missverständnis handelt oder Eric Bekannte und Familie gleichermaßen für die eigenen Pläne versetzt. Klar ist nur eins: Richtig gut läuft die Kommunikation nicht. Die Personen, die der Titel „die Erwachsenen“ nennt, reden, wenn sie überhaupt miteinander reden, hauptsächlich aneinander vorbei. So trifft Eric (Michael Cera), der seit Jahren mal wieder die Heimat besucht, nicht zuerst seine Schwestern, sondern einen alten Freund, der gerade Vater geworden ist. Auch dieser Besuch geschieht eher aus Pflichtbewusstsein. Das eigentliche Interesse des Rückkehrers gilt seinem alten Arbeitskollegen Dennis (Wavyy Jonez), der regelmäßig private Pokerrunden veranstaltet. An diesem Abend hat der alte Bekannte, der sichtbar verwirrt ist, als Eric vor seiner Tür steht, weder Zeit noch Lust. Also sind, ob das Missverständnis nun geplant war oder nicht, doch die Schwestern dran.
Das Hin und Her beschreibt exakt das Verhaltensmuster, in dem Eric (und wohl oder übel auch seine Schwestern) den Film über festhängen. Bei den ersten Treffen setzt das Bild einen gewaltigen Abstand zwischen die Geschwister. Fast wirkt es, als wolle Eric nicht das fremde Grundstück betreten, auf dem nun die ältere Schwester Rachel (Hannah Gross) lebt. Natürlich steigt man trotzdem zusammen ins Auto, um Maggie (Sophia Lillis) zu treffen, die jüngste im Bunde. Nach der anfänglichen Umarmung stehen Bruder und Schwestern auf dem Parkplatz wie Kinder, die darauf warten, dass die Mutter sie endlich einsammelt. Die ist vor vier Jahren gestorben. Die Leerstelle, die sie und der abwesende Vater hinterlassen haben, steht nun hier auf dem Parkplatz zwischen ihnen. Eric, Rachel und Maggie ignorieren sie. Der Smalltalk führt auch nicht wirklich weit. Also muss das, was die drei seit ihrer Kindheit geprobt haben, das Eis brechen. Witze, Sketche, Albernheiten und Tanznummern sind zwischen den dreien der letzte Nagel, der noch trägt.
Schwieriges wird mit verstellter Stimme vorgetragen
Das wirklich Schwierige wird – wenn überhaupt – mit verstellter Stimme vorgetragen. Plötzlich spricht nicht mehr der verunsicherte Eric mit der zynischen Rachel, sondern ein englischer Butler mit einem Looney-Tunes-Charakter. Ausgetauscht werden mit den Quietschestimme keine Nettigkeiten, sondern das Gift, das seit einigen Jahren im Unausgesprochenen gärt. Die infantile Hilflosigkeit, mit der man einander Vorwürfe an den Kopf knallt, oder, wie im Fall von Maggie, die als Jüngste noch deutlich weltoffener und harmoniebedürftiger ist, den anderen dabei zusieht, wie sie sich einander Vorwürfe an den Kopf knallen, taugt im Anschluss auch wieder zur Versöhnung.
Mit in der Kindheit einstudierten Tanznummern, die so bezaubernd sind, wie die Stimmverstellung nervig ist, wird die Synchronität wieder hergestellt. Wirklich geredet hat man über das, was all dem zugrunde liegt, natürlich nicht. Aber kurz bevor Eric wieder die Flucht antreten kann, steht schon der nächste Pokerabend an. Da er den letzten bereits unglücklich verloren hat, kann der ältere Bruder sich die mögliche Revanche nicht entgehen lassen.
Es ist eines der vielen Teile, das Regisseur Dustin Guy Defa als breit angedeuteten, aber nie erklärten Vaterkomplex, zusammen mit dem Tod der Mutter, in den Raum stellt, ohne es je zum vollständigen Psychogramm zusammenzusetzen. Es bleibt vage um die Geschwister. Dennoch schaffen es die Schlüsselmomente des Films, die allesamt dem fantastischen Ensemble gehören, auch ohne ernsthaftes Fundament, eine affektive Durchschlagskraft zu entwickeln. Erics Seelenleben stülpt sich nicht im Beisein der Schwestern, sondern vor einem Dutzend Fremder, am Pokertisch von innen nach außen. Er erzählt die Geschichte vom Tod seines Vaters, die, wie sich schnell herausstellt, eine ziemlich exakte Nacherzählung der Schlüsselszene von Disneys „Der König der Löwen“ ist. Der Witz verschleiert die echten Tränen zur falschen Geschichte. Eric weint um den Vater, ohne um den Vater geweint zu haben.
Auf dem falschen Mittelweg
Ein falscher Mittelweg, der erstaunlich weit trägt, wenn man ihn gut zu begehen gelernt hat. Keines der Geschwister will ihn verlassen und damit die eigene Unreife, das selbst gebaute Sicherheitsnetz der gut versteckten Hilflosigkeit verlassen. Sie alle stemmen sich auf die eigene, verschrobene Art gegen das Eingeständnis, dass sie, als Individuen wie auch als Geschwister, nicht mehr diejenigen sind, die unbeschwert in Mamas Vorgarten Musical-Nummern aufführen und sich früher oder später vielleicht doch mit der einen oder anderen Form von „erwachsener“ Aufrichtigkeit begegnen müssen.
Defa spitzt eben das nicht zu. Löst den innerfamiliären Knoten, der in den schönen, leisen Momenten des Films weiter festgezurrt wird, nie in eine klassische dramaturgische Kausalität auf. Den großen Bruder lässt er wieder und wieder seinen Flug verschieben, allabendlich zum Pokern erscheinen und den Tag über mit den Schwestern auf keinen grünen Zweig kommen. Permanent Missverständnisse, aus denen man nur schwer herauskommt, wenn man nicht erwachsen wird – aber wer will das schon?