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Filmkritik
Erstes Date mit der zweiten Wahl. Charlotte und Simon, beide in den Vierzigern, kennen sich von einer Party und treffen an einem Abend Ende Februar in einer Kneipe in Paris wieder aufeinander. Mit der ihr eigenen Offenherzigkeit berichtet Charlotte, warum sie Simon wiedersehen wollte. Auf der Party seien nur zwei Personen gewesen, die ihr gefallen hätten, und mit der anderen habe sich keinerlei Verbindung ergeben; mit Simon dagegen hätte sie sofort ein gutes Gefühl gehabt.
Der sichtlich nervöse Mann changiert zwischen Geschmeicheltsein und Verlegenheit, wechselt beständig den Standort, um nicht von den anderen Gästen belauscht zu werden, und wiederholt noch einmal, was er bereits bei ihrer ersten Begegnung nicht verschwiegen hat: Er ist seit zwanzig Jahren verheiratet und hat zwei Kinder. Was für ihn allerdings nicht grundsätzlich ein Hindernis für eine Affäre – seine erste – ist, solange er sein angenehmes Familienleben behalten kann. Pragmatismus, den Charlotte mühelos toppt: „Ein trautes Heim mit Partner hatte ich schon. Jetzt möchte ich auf Bäume klettern, Früchte ernten und sie kosten, ohne Fragen zu stellen.“
Diese Begegnung ist der Auftakt zu dem Verhältnis, das Emmanuel Mouret in „Tagebuch einer Pariser Affäre“ ausmalt. Über rund fünfzehn Szenen in knapp 100 Minuten verfolgt der Spezialist für elegante Romantik-Exkursionen den Verlauf von Charlottes und Simons Liaison, wobei die Anfangsszene zu den längsten gehört. Schließlich gilt es hier erst einmal, die Bedingungen für das Zusammensein festzulegen und die unterschiedlichen Temperamente zusammenzubringen.
Viel Davor und Danach
Mit Charlottes nahe gelegener Wohnung wird der erste Ort bestimmt, an dem sie miteinander schlafen können, und um mehr soll es erklärtermaßen auch gar nicht gehen. Doch bereits der beständige Drang Simons, sein Verhalten zu erläutern und sich zu rechtfertigen, deutet an, dass ihm die Unverbindlichkeit zu weit geht. Ganz anders als Charlotte, die weiter nachlegt: Beim zweiten Treffen erfährt Simon von ihrer Abneigung gegen Leidenschaft, beim dritten davon, dass auch sie mehrere Kinder hat. Schon deshalb kommen Paar-Unternehmungen jenseits des Bettes kaum in Frage, wenn der Alltag dazwischenfunkt und sie zu einem schnellen Auseinandergehen zwingt. Ein anderes Mal ist Charlottes Haustür mit Umzugskartons versperrt, sodass die beiden spontan beim Tragen mitanpacken, um ihr schmales Zeitfenster nicht zu verlieren.
Mourets Interesse hat sich im Laufe seiner Karriere immer mehr zur philosophisch-gewitzten Reflexion über Romantik, Liebe und Sex gewandelt, und auch in „Tagebuch einer Pariser Affäre“ ist nur das Davor und Danach zu sehen, während er den eigentlichen Akt der Fantasie der Zuschauer überlässt. Die wachsende Intimität zwischen Charlotte und Simon entwickelt der Film vor allem über den Kontrast zwischen Offenheit und Versteckspiel. Immer wieder treffen sich die beiden an öffentlichen Orten und versuchen, ihrem Verhältnis neue Impulse zu geben, doch ebenso regelmäßig verhalten sie sich verdruckst und drohen, auf ewig auseinanderzugehen. Ob in Museen, im Park, einem Hotel oder beim Sport, stets schwebt die – auch explizit benannte – Ungewissheit über den Treffen, ob sie sich nicht zum letzten Mal sehen; gleichzeitig ziehen beide aber auch klare Grenzen.
Als Charlotte etwa einmal bei Simons Arbeit auftaucht, wo er Entspannungskurse für Schwangere und deren Partner anbietet, führt dies fast zum Zerwürfnis; dass es dann doch nicht so weit kommt, liegt daran, dass Mouret seinen Protagonisten ein hohes Maß an Bereitschaft zugeteilt hat, sich auf die Gefühle des anderen einzulassen. Leidenschaft, die egoistisch auf dem eigenen Standpunkt beharrt, ist diesem Paar fremd.
Ins Schwarze getroffen
Zumindest soweit es sie beide betrifft. Zwar nicht in den Gesprächen, dafür umso ausdrücklicher im Bild bleiben dafür die Partner/Ex-Partner, Kinder und weitgehend auch das übrige Umfeld von Charlotte und Simon außen vor, was dem Film erlaubt, seine Lockerheit zu behalten und den moralischen Aspekt beim Verhalten der beiden nur zu streifen. Dafür hat Mouret ihnen allerdings auch etliche amüsante Pointen zum Wesen außerehelicher Affären in den Mund gelegt, die ein großes Vergnügen sind.
Das hohe, aber sehr natürlich fließende Tempo der Dialoge, das schon Mourets vorherige Filme „Der Preis der Versuchung“ und „Leichter gesagt als getan“ auszeichnete, kommt auch „Tagebuch einer Pariser Affäre“ wieder sehr zugute, zumal der Regisseur in der Schauspielerauswahl einmal mehr ins Schwarze getroffen hat. Die entwaffnende Direktheit, mit der Sandrine Kiberlain ihr Figur ausstattet, und die sympathische Zimperlichkeit, die Vincent Macaignes neurotischer Romantiker mit sich mitbringt, ergänzen sich wunderbar zu einem Paar, das eine gewisse Reife demonstriert; schließlich ist man im mittleren Alter und hat Lebens- und Liebeserfahrung gesammelt, aber die Neugier nicht verloren. Die lässt sie neue Wege des Zusammenseins suchen, ihre Zweisamkeit aufbrechen, darüber allerdings auch von der Kehrseite einer Bindung erfahren, die auf Unverbindlichkeit errichtet ist. Denn etwas realistische Skepsis gehört zum Kosmos des eingefleischten Romanzen-Erfinders Emmanuel Mouret noch immer dazu. Ohne einen gewissen Einsatz ist selbst die schönste flüchtige Liaison auf Dauer nicht zu bewahren.