- RegieRaphael Lauer
- ProduktionsländerDeutschland
- Produktionsjahr2024
- Dauer100 Minuten
- GenreDokumentation
- Cast
Vorstellungen
Filmkritik
„Straight Outta Giasing“ ist Lokalgeschichte im wahrsten Wortsinn. Steffen Marx hat als Bierbrauer im Münchner Underdog-Bezirk Giesing Karriere gemacht, von der Garage bis zum 20-Millionen-Neubau. Was dabei alles schiefgehen kann und doch gut gelaufen ist, zeigt der gleichnamige Dokumentarfilm, der sich vorrangig an Bier- und München-Kenner richtet.
Marx, der bis zu seiner Zeit bei der Bundeswehr konsequenter Nicht-Alkoholiker war, ist ein Mann mit Tatendrang. Die ersten Dübelflaschen der Giesinger Biermanufaktur wurden noch in einer angemieteten Garage verpackt. Dann macht er die „Alte Trafohalle“ mit einem 3-Millionen-Kredit für Fertigung und Ausschank flott, die damals zu einem „Lost Place“ zu verkommen drohte. Immer wieder fanden sich Investoren; für den aktuellen Neubau sogar per Crowdfunding.
Understatement und Geradlinigkeit
Vielleicht ist die Verbundenheit mit dem Bezirk, gepaart mit einer Mischung aus Understatement und Geradlinigkeit, der Grund für den Erfolg des Selfmade-Mannes. Nicht nur in Giesing, das lange als ärmlicher Bezirk von München galt und damit als ein Ort, auf den man im Rest der Stadt hinunterguckte, sieht man so etwas gerne. So erzählt der Filmemacher Raphael Lauer in „Straight Outta Giasing“ auch einen „Einer von uns“-Mythos, an dem man ablesen kann, wie man mit Transparenz und Teamgeist zu Erfolg kommt. Zumal das Unternehmen sich dann auch noch anschickt, als siebente neben den sechs Münchner Alt-Brauereien zu reüssieren.
So wie „Wunderland – Vom Kindheitstraum zum Welterfolg“, die Dokumentation über die Gründer der gleichnamigen Hamburger Miniaturlandschaft, übernimmt auch „Straight Outta Giasing“ konsequent die Ich-Erzähler-Perspektive des Protagonisten. Auch hier geht es vorrangig um Männerfreundschaften. Zusammen ist man stark; selbst die Ehefrau von Marx arbeitet an zentraler Stelle mit.
Der zuweilen ironische Unterton im Off-Kommentar, der zu Drohnenaufnahmen die Schönheit von München preist, täuscht aber nicht darüber hinweg, dass hier jede Distanz zum Protagonisten fehlt. Steffen Marx versteht es nicht nur, sein Brauereigeschäft perfekt zu steuern, sondern auch die Gespräche mit den Filmemachern.
Viele Details, wenig Lokalkolorit
Dabei geht es manchmal arg ins Detail: Wie werden die Etiketten gedruckt? Wo kommen die Flaschen her? Wer hat wann wen als Braumeister abgelöst? Wie viele Paletten passten bei einem Open-Air-Event auf den Lkw-Anhänger? Warum hat der „Überzeugungstäter“ Marx in der Alten Trafohalle das Stabparkett vom Boden gelöst, und das ohne Rücksprache?
Sein Versprechen, auch Lokalkolorit einfangen zu wollen, löst der Film dagegen nur selten ein. Vom „Inbegriff des Underdog-Vereins schlechthin, dem TSV 1860 München“, ist zwar in der Pressemitteilung die Rede, nicht aber im Film, genauso wenig wie vom Plattenlabel „Trikont“. Auch nicht vom „rauen Charme“ Giesings, dessen genaues Gegenteil der eloquente Marx verkörpert.
Lokalkolorit spielt in „Straight Outta Giasing“ damit nur im Hintergrund eine Rolle. Dass sich der Film dennoch gut anschauen lässt, liegt daran, dass Protagonist wie Filmemacher die gleiche Leidenschaft für Selfmade-Man-Geschichten teilen, auch wenn manche allzu detaillierte Situationsbeschreibung dazu einlädt, sich eine Flasche Bier herbeizuwünschen und über die wesentlichste der offenen Fragen zu diskutieren: Will Steffen Marx mit seinem Giesing-Bräu auf die Wiesn oder nicht?