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Filmplakat von Soundtrack to A Coup D'etat

Soundtrack to A Coup D'etat

150 min | Dokumentation | FSK 16
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In den 1960er Jahren erkämpfen viele afrikanische Staaten ihre Unabhängigkeit von den europäischen Kolonialmächten. Während die Sowjetunion und andere sozialistische Länder, die Dekolonialisierung unterstützen, sehen die USA und ihre westlichen Verbündeten diese skeptisch. Ihr Interesse gilt vor allem den Bodenschätzen, über die sie die Kontrolle behalten möchten. Die USA versuchen sich unkonventionell und schicken Jazzgrößen wie Louis Armstrong und Nina Simone als Werbeträger*innen in afrikanische Staaten, um den Westen positiv darzustellen, während sich zeitgleich Figuren wie Malcolm X und andere Jazzkünstler mit der Unabhängigkeitsbewegung solidarisieren.
Regisseur Johan Grimonprez verwebt in dieser historischen Achterbahnfahrt auf beeindruckende Weise globale Machtstrukturen, antikoloniale Kämpfe und ganz viel Jazz. Ein informativer, mitreißender, emotional bewegender Film über den dekolonialen Kampf.

Vorstellungen

Prisma Cinema Halle-Neustadt
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Neustädter Passage 17D
06122 Halle (Saale)
Brühl Cinema Zeitz
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Domherrenstraße 6
06712 Zeitz
Abaton Kino Hamburg
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Allende-Platz 3
20146 Hamburg
Apollo-Kino&Bar Aachen
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Pontstraße 141-149
52062 Aachen
Filmbühne Mittweida
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Theaterstraße 1
09648 Mittweida
Cinema Wuppertal
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42275 Wuppertal
Monopol Kino München
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Schleißheimer Straße 127
80797 München
HARMONIE Arthouse Kino
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Dreieichstraße 54
60594 Frankfurt am Main
Lichthaus Kino im Straßenbahndepot Weimar
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Am Kirschberg 4
99423 Weimar
Kulturzentrum Linse Weingarten
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Liebfrauenstraße 58
88250 Weingarten

Filmkritik

Wenn man in „Soundtrack to a Coup d’Etat“ von Johan Grimonprez nach etwa siebeneinhalb Minuten mittels eines Ausschnitts aus dem Archiv gefragt wird, wie man sich wohl an das Jahre 1960 erinnere, dann liegen bereits viele Karten auf dem Tisch, die aber noch geordnet und verdichtet werden müssen. Ganz einfach ist das nicht. Denn schnell wird klar, dass das überbordende Archivmaterial, mit dem dieser Essayfilm beeindruckt, mehr Fragen als Antworten aufwirft und keineswegs „geschlossen“ sein will oder gar auf eine Erzählung abzielt. Seine offene Form ist vielmehr als Bricolage von politischen, ideologischen und historischen Widersprüchen zu charakterisieren.

Nach siebeneinhalb Minuten sieht es ungefähr wie folgt aus: Die Sängerin Abbey Lincoln und ein Schlagzeuger performen einen kurzen Ausschnitt aus dem Konzeptalbum „We Insist – Freedom Now Suite“. US-Präsident Eisenhower wünscht sich den ersten Premierminister der Freien Republik Kongo, Patrice Lumumba, in einen Fluss voller Krokodile, worauf der britische Außenminister Douglas-Home bedauernd antwortet, dass man derlei traditionelle Techniken einer altmodischen Diplomatie leider verlernt habe. „Verdammte Belgier“ kommen ins Spiel; „Brother Lumumba“ wird erst aus dem Amt geputscht, dann unter Hausarrest gestellt, Anfang 1961 ermordet und bis auf ein Paar Backenzähne ausgelöscht. Anschließend wird ein junger britischer Söldner über seine erste Tötung befragt. Die Befragung stammt aus dem Jahr 1964.

Ich bin ein Afrikaner

Es folgen erste Filmtitel, bevor Louis Armstrong mit seiner Band zu spielen beginnt und zu Protokoll gibt, dass die Russen keinen „guten Jazz“ zu schätzen wüssten. Armstrong wird als „Botschafter des Jazz“ eingeführt, was ein Zitat aus der „New York Times“ aus dem Jahre 1955 kurz darauf präzisiert: „America’s secret weapon is a blue note in a minor key.“ Als Geheimwaffe ist der Jazz nicht zu charakterisieren. Vielmehr wird er zu Propagandazwecken von der „freien Welt“ genutzt, um deren Attraktivität frivol zu beschwören. Um es mit Dizzy Gillespie zu sagen: In diesem „Cool War“ ist die „Weapon we use a cool one!“

Jazz als „Voice of America“ scheint ja tatsächlich hinreichend sexy, wenn es darum geht, die Köpfe und Herzen für die „westlichen Werte“ zu erwärmen. Nikita Chrustschow, der rhythmisch außerordentlich begabte Generalsekretär der KPdSU, gibt sich zwar solidarisch mit den Befreiungsbewegungen des globalen Südens, der damals noch die „Dritte Welt“ hieß, lehnte den Jazz aber als „Kakophonie“ ab. Es bleibt Malcolm X vorbehalten, zu erklären, warum die Ideologie der freien Welt nicht so richtig funktioniert, wenn gleichzeitig Millionen der dort lebenden Menschen die Bürgerrechte verweigert werden.

Malcolm X ist es auch, der die politische Perspektive weitet, indem er mit Blick auf eine überfällige internationale Solidarität davon spricht, statt der Bürgerrechte von Menschenrechten zu sprechen. Erst die Befreiung Afrikas werde die Emanzipation der Afroamerikaner realisierbar machen. Solche Widersprüche führen dazu, dass Patrice Lumumba auf die Frage, ob er denn Kommunist sei, antwortet, er sei vielmehr ein Afrikaner.

Die Utopie der United States of Africa

Nach siebeneinhalb Minuten sind in „Soundtrack to a Coup d’Etat“ hinreichend genügend Elemente ausgelegt, die in der Folge mit Fundstücken aus den Archiven verbunden werden, um Widersprüchliches vom De-Kolonialismus zu erzählen, vom Imperialismus, dem Gleichgewicht des Schreckens, der politischen Indienstnahme einer Musik, die sich selbst eher auf der Seite der Bürgerrechtsbewegung verortet, von „Afrika“ als Heilsversprechen der Black Community in den USA, von Geheimdienst-Operationen, politischen Morden und der kurzlebigen Utopie der United States of Africa, aber auch von den sich verändernden Mehrheitsverhältnissen im UN-Sicherheitsrat durch die nunmehr unabhängigen afrikanischen Staaten.

Unter den Akteuren, vor und hinter den Kulissen: Patrice Lumumba, Max Roach, Abbey Lincoln, Louis Armstrong, Dizzy Gillespie, Nikita Chrustschow, Dwight D. Eisenhower, Fidel Castro, Allen Welsh Dulles, Malcolm X, Marcus Garvey, Joseph Kasavubu, Moise Tschombé, Joseph Mobutu, Kwame Nkrumah, Duke Ellington, Nina Simone, Willis Conover, John Coltrane, Charles Mingus, Andrée Blouin, Maya Angelou, Amilcar Cabral und viele andere mehr.

Einmal heißt es in „Soundtrack to a Coup d’Etat“, dass der Freien Republik Kongo zwar die Unabhängigkeit, aber nicht die Macht gegeben worden sei. Damit ist das fortdauernde Interesse der Kolonialmächte an den Bodenschätzen des Landes gemeint. Von hier aus öffnet sich ein weiteres Assoziationsfeld, denn die Bodenschätze des Kongo spielten auch im Ersten Weltkrieg, bei der Zerstörung von Hiroshima und Nagasaki oder der Bombardierung von Hanoi und Hue eine Rolle, wie In Koli Jean Bofane in seinem Buch „Congo Inc.“ ausführt, aus dem er im Film vorliest. Andere Literatur wird – gerne auch mit Seitenzahlen – aus dem Off zitiert.

Die Begehrlichkeiten der Gegenwart

Bei „Soundtrack to a Coup d’Etat“ handelt es sich aber keineswegs um Geschichtsunterricht. Schnipsel aus Werbespots für Tesla und das neueste iPhone führen direkt zu den Begehrlichkeiten der Gegenwart. Souverän und immer wieder überraschend montieren Johan Grimonprez und der Editor Rik Chaubet Fundstücke einer intensiven Archiv-Recherche, wobei sie musikalisch-mäandernd mit bestimmten Motivketten und Mehrfachschichtungen von Bild, Ton und Inserts arbeiten und sich der Homogenisierung einer bloß affirmativen oder überwältigenden Bebilderung von Thesen verweigern. Vielmehr öffnet „Soundtrack to a Coup d’Etat“ widersprüchliche und ungleichzeitige Räume, die von nicht erfüllten Träumen, von Aufbrüchen und Utopien, Niederlagen, Ohnmachtserfahrungen, Intrigen und Vorteilsnahmen erzählen. Und Leerstellen zulassen. So sieht und hört man zweimal das John Coltrane Quartet bei der Interpretation von „My Favourite Things“ und „Alabama“. Dreht man den Ton weg, wie es hier einmal geschieht, bleiben Bilder von harter Arbeit, Vergeblichkeit und Aufbegehren.

Es steckt viel Gewalt, Zynismus und Rassismus in den Geschichten, die Grimonprez hier präsentiert. Umso überraschender wirkt dann die konkrete Gewalt, wenn die Sängerin Abbey Lincoln und die Schriftstellerin Maya Angelou mit einer Gruppe Gleichgesinnter Anfang Februar 1961 eine Sitzung des UN-Sicherheitsrates stürmen, um gegen die Ermordung Lumumbas zu protestieren – und auf äußerst gewalttätige Anwesende stoßen, die sie aus dem Saal, aus den Bildern und aus dem Gedächtnis zu drängen versuchen. Auch diese Bilder waren in den Archiven aufzufinden. Irgendwie gut zu wissen.

Erschienen auf filmdienst.deSoundtrack to A Coup D'etatVon: Ulrich Kriest (13.12.2025)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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