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Filmkritik
Als sich Robin Williams 2014 das Leben nahm, war die ganze Welt schockiert. Der immer zu Späßen aufgelegte und äußerst beliebte Schauspieler hatte den Kampf gegen seine Depressionen verloren, die er vor der Öffentlichkeit sorgsam hinter seinem Lachen zu verstecken wusste. Hinter der Maske aus Fröhlichkeit schwelten unerträgliche Abgründe. Niemand hatte damit gerechnet. Auch, weil in unserer Gesellschaft nach wie vor ein Bewusstsein für den psychischen Schmerz fehlt, und psychische Erkrankungen nicht ernst genommen werden.
Den Erschöpften, Labilen und psychisch Kranken wird allzu häufig der Vorwurf gemacht, sie würden sich bloß anstellen; man solle sich die Sachen doch bitte nicht so zu Herzen nehmen. Also wird ein Lächeln aufgesetzt, das zur bloß sozialen Funktion erstarrt, nichts an der Abwärtsspirale ändert – bis es dann passiert und alle überrascht tun.
Wenn das Lachen gefriert
Der US-amerikanische Horrorfilm „Smile“ spinnt aus diesem Problem eine grausame Geschichte und lässt das Lachen gefrieren, bis es sich zur unerträglichen Fratze verwandelt. Die aufopferungsvolle Psychiaterin Rose (Sosie Bacon) muss ein schreckliches Ereignis verarbeiten. Eine ihrer Patientinnen, eine junge Studentin, schlitzt sich vor ihren Augen die Kehle auf. Ihr Gesicht ist dabei zu einem unheimlichen Lächeln erstarrt. Zuvor berichtete die Frau von einem Ding, dass sie verfolgen würde; es nähme die Gestalt anderer Menschen an und würde einen unerträglichen Psychoterror entfalten.
Die Psychiaterin findet heraus, dass sich ein paar Tage zuvor der Professor ihrer nun toten Patientin vor deren Augen mit einem Hammer selbst erschlagen hat. Als sich auch bei der Psychiaterin unheimliche Erscheinungen häufen, die nur sie sehen kann, beginnt sie Nachforschungen anzustellen. Dabei deckt sie eine wahre Epidemie an Suiziden auf, die immerzu vor Zeugen begangen werden, die dann in den folgenden Tagen selbst Hand an sich legen. Eine Epidemie von Selbsttötungen, ein Virus oder ein Dämon? Mithilfe ihres Ex-Freundes, dem Polizisten Joel (Kyle Gallner), versucht Rose den Bann zu brechen, denn sie weiß, dass sie die nächste auf der Liste des Todes ist.
In seinem Langfilmdebüt gelingt Regisseur Parker Finn das Kunststück, sich einerseits vor seinen filmischen Vorgängern zu verbeugen und gleichzeitig die Motive so geschickt zu variieren, dass daraus etwas überraschend Eigenständiges entsteht. Der offensichtlichste Bezugspunkt liegt in „It Follows“ von David Robert Mitchell, in dem sich Jugendliche mit einem durch Sex übertragbaren Fluch herumschlagen müssen.
Das Handwerk der Angst
„Smile“ borgt sich davon die virale Logik, dass eine Art Fluch oder Dämon durch den Kontakt mit anderen Menschen weitergereicht wird. Auch die Kameraarbeit, die mit langsamen Schwenks und Drehbewegungen das Lauernde unaufhaltsam andeutet und eine spannungsvolle Ahnung aufsteigen lässt, ist eine deutliche Hommage. Die formal-ästhetische Komposition mit ihren auf dem Kopf stehenden Bildern, dem Taumeln und der eleganten Mischung aus bedrohlicher Atmosphäre und paranoid-willkürlichen „Jump Scares“ wird dabei effektiv eingesetzt; der Regisseur versteht sich aufs Handwerk der Angst! Es entfaltet sich eine visuelle Erschütterung der Welt, ein bildhafter Verfolgungswahn, der immer nah an der Hauptfigur bleibt, durch deren Augen man das Geschehen erlebt.
Zu den Elementen aus „It Follows“ gesellen sich albtraumhafte Visionen, die, wenngleich weniger verspielt und ausgestellt, doch einen Hauch von Pennywise versprühen, dem kinderfressenden Clown aus „Es“, der sich von der Angst ernährt.
Das Trauma ist der Nährstoff des Monsters
In „Smile“ ist das Trauma der Nährstoff des Monsters. Im ziemlich expliziten Ende fühlt man sich für Momente im „Conjuring“-Universum, was allerdings zum schwächsten Teil des Films gehört und dem Geheimnis ein wenig seinen Reiz nimmt. Es wäre ratsamer gewesen, der Bedrohung kein Gesicht zu verleihen und das leere Grinsen ähnlich dem monströsen Lächeln der Katze in „Alice im Wunderland“ zu entkörperlichen. Doch sind dies nur Kleinigkeiten in einem Film, der eben auch den Mainstream bedienen will.
Denn letztlich überzeugt „Smile“ vor allem in seiner Auseinandersetzung mit psychischer Erkrankung und dem normativen Zwang zum Glück, und sei es auch nur vorgegaukelt. Rose beharrt mehrfach darauf, dass ihre Patienten nicht verrückt sind. Wenn die Psyche erkrankt ist, dominiert gesellschaftlich oft eine Rhetorik des Wahnsinns. Ein gebrochener Arm, eine Erkältung oder die Hitze eines Fiebers lassen sich objektiv diagnostizieren; Depressionen oder schwerwiegende Psychosen aber werden nicht selten belächelt. Menschen verlieren dann leicht die Geduld und sind schnell mit der Forderung bei der Hand, sich doch einfach ein bisschen mehr zusammenzureißen.
Hier wird sich ordentlich zusammengerissen
Das unheimliche Lächeln wird so zur eindringlichen Metapher für den schönen Schein, zum tiefsitzenden Schmerz, der inwendig weiterwuchert, bis der letzte Hilfeschrei in der Selbstverletzung liegt. In einer großartigen Szene schwenkt „Smile“ auf eine alte Werbeanzeige, in der eine lächelnde Familie gezeigt wird, deren Gesichter im Kontext des Films eine untergründige Bedrohung ausstrahlen: Die Inszenierung des Glücks ist allgegenwärtig und verwandelt die pathologischen Ängste, die Panik und die Traurigkeit in Gespenster, an die niemand glauben will, obwohl der Tod wie eine Pandemie um sich greift.
In „Smile“ wird dieses Unterdrückte real und verbreitet sich mit einem eiskalten Lachen im Gesicht, während das Blut in den Himmel spritzt. Man könnte es auch so sagen: In diesem Film wird sich ordentlich zusammengerissen.