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Filmplakat von Schlamassel

Schlamassel

115 min | Drama | FSK 12
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1997. 7 ½ Jahre nach der „Wende“. Das Jahr, in dem Johannas Oma stirbt. Johannas Seele tobt. Egal, was sie tut, es ist falsch. Auf einmal soll es falsch sein, dem Erbschleicher von Onkel auf Omas Begräbnis mal die Meinung zu sagen. Johanna gibt sich keine Zeit, nicht zum Trauern und nicht, um zur Ruhe zu kommen. Sie fühlt sich innerlich zerrissen und versteckt sich privat und bei der Arbeit als bessere Praktikantin hinter ihrer Kamera. Als sie ein altes Foto einer KZ-Aufseherin findet, beschließt sie, die mittlerweile achtzigjährige Anneliese Deckert aufzusuchen. Auf dem Weg dorthin ahnt Johanna nicht, dass sie gleich auf die ganze Familie stößt und mit der Rückgabe des Fotos einen Wirbel entfacht.

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Filmkritik

Was für ein Auftakt! Ein Autohaus, schlecht beheizt, irgendwo im brandenburgischen Nirgendwo. Dazu ein Verkäufer, Herr Fleischhauer, der komplett fehl am Platz zu sein scheint. Später wird Johanna (Mareike Beykirch), Anfang dreißig und angehende Journalistin, in diesem Autohaus „sexy“ Fotos für einen Werbeprospekt des Autohauses schießen. Junge Frauen in Badekleidung vor gebrauchten Autos. Aber vielleicht werden diese Fotos auch nur für den Besitzer des Autohauses gemacht, denn die Fotografin wird vom Verkäufer darauf hingewiesen, dass der Chef gerne Chantal sehen möchte. „Die mit dem Zopf!“

Doch das Versprechen auf eine abgründige Pop-Provinzkomödie löst „Schlamassel“, der neue Film von „Kroko“-Regisseurin Sylke Enders, danach leider nicht ein. Denn die Besichtigung des Ortes für das geplante Shooting fällt kürzer aus als gedacht, Johanna erfährt per Telefon vom Tod der geliebten Großmutter. Stellvertretend für ihren Teil der Familie nimmt Johanna am Begräbnis der Großmutter teil und nutzt die Gelegenheit, ihren Onkel vor versammelter Trauergemeinde als Erbschleicher zu beschimpfen. Anschließend bricht sie in die Wohnung der Großmutter ein und „klaut“ ein Luftgewehr, das in Wahrheit ihr gehört.

Pöbeln und kollektives Beschweigen

„Schlamassel“ spielt 1997. In der ehemaligen DDR herrscht vorrangig schlechte Laune, die sich auf unterschiedliche Weisen Luft macht. Vorzugsweise wird nicht geredet, sondern geschrien, geschimpft und gepöbelt. Immer mal wieder laufen auch Neonazis an der Kamera vorbei und verteilen Kopfnüsse. Schäferhunde heißen „Blondie“. Ganz Brandenburg scheint im „Schlamassel“ zu stecken, doch Sylke Enders’ Film ist mehr als ein Ausstattungsfilm, der ganz gegenwärtig von der Verfahrenheit der Vergangenheit erzählt. Viel schlimmer als das Pöbeln ist nämlich das kollektive Beschweigen von Konflikten unter Menschen, die sich auf die eine oder andere Weise als Zukurzgekommene empfinden. Etwa die hochbetagte Anneliese Deckert (Lore Stefanek), die gerne ihre Dienstjahre als KZ-Aufseherin auf ihre Rente angerechnet hätte. Aber in ihrer Familie wird darüber nicht geredet. Anneliese Deckert soll nichts erzählen, weil es nichts zu erzählen gibt.

Johanna erfährt zufällig von der Existenz Anneliese Deckerts, weil unter Jugendlichen ein Foto von ihr in Uniform mit Schäferhund an der Seite kursiert. Man könnte meinen, dass die angehende Journalistin und Gelegenheitsfotografin Johanna eine Geschichte wittert, aber Johanna ist viel zu sehr mit sich beschäftigt, um journalistischen Instinkt zu spüren. Als Jugendliche hat ein Diebstahlsdelikt ihr die Ausbildung zum Lehramt verhagelt. Jetzt lebt sie unter prekären Bedingungen und hat so viel Wut im Bauch, dass sie unter einer Schuppenflechte leidet. Bei der Zeitung traut man ihr nicht viel zu – und dann ist da ja noch das vergiftete Klima in der Familie, das sich dem wortlos verweigerten Erbe der Großmutter verdankt. Denn der zu Beginn als Erbschleicher beschimpfte Onkel wurde von der Großmutter durch eine vorzeitige Schenkung bedacht, was allerdings von ihr nicht kommuniziert wurde. Obwohl doch die ums Erbe gebrachte Mutter die eigene Mutter so aufopferungsvoll gepflegt hatte. Warum sie ihre Kinder so unterschiedlich bedachte, blieb ein Geheimnis, das sie mit ins Grab nahm.

Selbstentschuldigung und Selbstmitleid

Folgt man Sylke Enders’ Ausführungen im Pressematerial, dann geht es in „Schlamassel“ um familiäre Traumata, die nicht kommunikativ bearbeitet werden, sondern durch Verweigerung von wirklichen Auseinandersetzungen „vererbt“ werden. Und genau hier kommt Anneliese Deckert ins Spiel, die von Johanna unter einem Vorwand besucht wird, weil sie vielleicht als Gegenstand einer „Story“ taugen könnte. Hier sind die Positionen vermeintlich klar: einerseits die NS-Täterin, der die Familie Schweigen anbefohlen hat, dort die Journalistin, die unbequeme Fragen stellt. Sollte es diese Rechnung gegeben haben, so geht sie nicht auf. Stattdessen spiegelt sich Johannas Familiengeschichte in der von Anneliese. Die alte Frau beginnt zu erzählen, allerdings mischt sich dabei Monströses mit Banalem zu einem Flow aus Selbstentschuldigung und Selbstmitleid.

Wenn Annelieses Schwester gegen Bevormundung aufbegehrt, wenn Johanna sich am Schluss des Films im „Umbau“ wähnt, scheint das etwas zu aufgesetzt optimistisch. „Schlamassel“ selbst verharrt nämlich zwischen theaterhafter Konstruktion der komplexen Familienaufstellung (nebst dem expliziten Vertrauen auf die Sprachmächtigkeit der Akteure) und dem Flair von Milieu-Authentizität (verbockt und vernuschelt). Wären da nicht die darstellerischen Leistungen der Protagonisten, müsste dem Film wohl der Eindruck des Thesenhaften, des Nachgestellten und bloß Gewollten angekreidet werden. Wobei das bloß Gewollte in den Figuren durchaus angelegt ist. Als Mangel.

Erschienen auf filmdienst.deSchlamasselVon: Ulrich Kriest (21.2.2025)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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