








- RegieChristian Labhart, Heidi Schmid
- ProduktionsländerSchweiz
- Produktionsjahr2025
- Dauer84 Minuten
- GenreDokumentarfilm
- AltersfreigabeFSK 6
Vorstellungen










Filmkritik
Im Dezember 2021 schreibt der Schweizer Robert Widmer, den alle nur Röbi nennen, einen Brief an die Menschen, die ihm nahestehen. Darin informiert er sie mit freundlichen Worten, dass er an Lungenkrebs erkrankt sei und nicht wisse, wie lange er noch zu leben habe. Er und seine Frau hätten sich gegen eine Chemotherapie entschieden; man dürfe ihn aber gerne besuchen; seine Tür stände offen.
So fand auch das Dokumentaristen-Paar Heidi Schmid und Christian Labhart in das Zimmer des ergrauten Mannes, der ihnen auf dem alten Sofa gegenübersaß, auf dem er in „Röbi geht“ dann mit vielen Besuchern bewegende Gespräche führt. Er kämpfe nicht gegen „s Chräbsli“, das Krebslein; er freunde sich vielmehr mit dem Tod an. Gleichwohl notiert er in einem Gedicht an den „Bruder Tod“: „Komm … nicht zu früh, ich habe noch einiges zu leben.“
Aus dem Familienarchiv
Über ein halbes Jahr besucht ihn die Filmcrew in seinem Haus in Wetzikon-Robenhausen und hält viele Begegnungen mit Freunden, Nachbarn, seinen beiden Söhnen und den Enkelkindern fest. Obwohl der Kranke in dieser Zeit immer mehr abmagert, strahlt er eine Gefasstheit aus, die ihn seine Besucher trösten lassen, wenn die von ihren Gefühlen übermannt werden. Dann spendet er Trost und streichelt ihre Hand; aus dem Off klingt später eine seiner Gedichtzeilen nach: „Ich habe so viel gelebt, ich kann gut tot sein.“
Man glaubt dem stillen, bei sich seienden Mann seine innere Ruhe, über dessen bewegtes Leben alte Super-8-Filme aus dem Familienarchiv Auskunft geben, vor allem über seine tiefe Liebe und Verbundenheit mit seiner Ehefrau Heidi. Das eigenwillige Paar hatte sich im Obdachlosen-„Bunker“ am Helvetiaplatz in Zürich kennengelernt, wo beide als Helfer des evangelischen Pfarrers Ernst Sieber arbeiteten. Zwei wundersame linke Spinner: der Riese Röbi mit dichtem Vollbart und zu besonderen Anlässen mit einer Melone auf dem Kopf, die zwei Kopf kleinere Heidi mit wilder Lockenpracht und schon damals stark gehbehindert. Auf die Meinung der anderen gaben sie wenig; das Leben mit und für Außenseiter machte für andere Dinge empfänglich. Sie bekamen zwei Kinder, pfiffen auf Konventionen und Autoritäten, entwickelten dafür aber viel Verständnis und einen wachen Blick für Menschen am Rande der Gesellschaft.
Auf den Augenblick warten
Auch für den Tod, dem Röbi als Leiter des Obdachlosenheims „Suneboge“ zwangsläufig immer wieder begegnete, im unmittelbaren Kontakt mit Sterbenden, in respektvoller Nähe und Distanz, aus Achtung vor der Würde und dem Eigensinn des Gegenübers. Von Röbis vielen Facetten, die in diesem stillen Film über ihn aufblitzen, kennzeichnet ihn die Fähigkeit, auf den Augenblick zu warten und nichts aus Ungeduld oder Bequemlichkeit zu überstürzen, vielleicht am nachhaltigsten.
Das gilt auch für das eigene Ende, dem er mit Ruhe und Achtsamkeit entgegenblickt, nachdem er der Wahrheit ins Auge geschaut hat. In seiner eigenen Klarheit hört man ihn dann – aus dem Off – sagen, dass er nicht an die Hölle, aber an den Himmel glaube. „Das sind Bilder, die wir Menschen uns vom Jenseits machen, die diesseitig sind.“ Sie seien ein Trost, um gut sterben zu können. Also nicht nur Geschichten für die Enkel, sondern eine Hoffnung – und auch ein Trost: „Auf der anderen Seite sind alles Willkommende. Da werde auch ich willkommen sein.“
Bis zum Ende wach
Zu diesen Worten sucht und findet der Film immer wieder Landschafts- und Naturaufnahmen aus dem Robenhausener Ried, durch das Röbi seinen Hund spazieren führt. Sie strukturieren den Film zusammen mit Röbis Tagebuchnotizen und Gedichten; dazwischen sind die oft mit starrer Kamera aufgenommenen Begegnungen auf Röbis Sofa montiert. Dadurch entsteht ein stiller, unaufdringlicher Rhythmus, der viel Raum lässt für all die Informationen, Bilder, Momente und Eindrücke eines originellen, neugierigen Lebens, ohne voyeuristisch, pathetisch oder aufdringlich zu wirken. Diese Form umfasst auch das Sterben als Akt. Als die Schmerzen immer heftiger werden und auch starke Medikamente kaum noch helfen, sagt Röbi seiner Frau schlicht, dass er es bald nicht mehr aushalte. Auch für diesen Fall hat er vorgesorgt. Am 18. August stirbt Röbi im Kreis seiner Familie mit Unterstützung der Sterbehilfe-Organisation „Exit“. Er wollte den Tod bei vollem Bewusstsein erleben, sagt seine Palliativmedizinerin.
Zurück bleiben seine Frau, der Hund, die Familie und die Landschaft, in der ein Kahn am Abend über das Wasser gleitet. An Röbi erinnert nun dieser Film und ein Buch mit seinen Bildern und Notizen, das aus den Filmarbeiten heraus entstanden ist. Dort heißt es: „Dankbar bin ich. Für die warme Liebe meiner Frau, meiner Familie. Für die Geborgenheit in unserem Dorf. Für das tägliche Brot. Für Musik, Steine und Bücher. Für das Eingebettetsein in Glaube, Hoffnung und Liebe.“