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Filmkritik
„Ba dee ya“, heißt es im eingängigen Refrain des Songs „September“ von der Band „Earth, Wind and Fire“. Lauter Nonsens-Laute, die jedoch zum Mitsummen und Mitwippen animieren. Nicht alle in der Band waren damals begeistert, als es diese Buchstaben in den finalen Song schafften. Doch dem Sänger Maurice White war das herzlich egal – wen kümmert es schon, wenn der Groove stimmt?
Nun hat der Regisseur Pablo Berger den Song als Hymne für seinen charmanten Animationsfilm „Robot Dreams“ verwendet und ihn zum emotionalen Leitmotiv und Herz des Films über die Geschichte einer tiefen Freundschaft zwischen einem Hund und einem Roboter gemacht. Ja, es groovt auch hier. Und vielleicht passen die vielen Ba-dee-yas ja auch deshalb so gut zu dem Film, weil in diesem nicht gesprochen und nur durch Laute kommuniziert wird.
Ein Freund zum Basteln
Der Film beginnt mit fast schon quälender Stille. Der Hund namens Dog sitzt im frühen Herbst in seinem Apartment in der New Yorker East Side und ist furchtbar einsam. Er scheitert beim Pong-Spielen, isst allein auf der Couch sein Mac’n’Cheese-TV-Dinner aus der Mikrowelle, wirft sehnsüchtige Blicke zu Kuh und Hirsch im Nachbarhaus, die glücklich lachen und gemeinsam fernsehen. Die Rettung für Dog kommt ebenfalls aus der Flimmerkiste, als er auf einem Teleshopping-Kanal Werbung für einen Roboter-Freund sieht. Schon kurze Zeit später ist das Paket da, und der Hund schraubt und bastelt, bis der Roboter mit seinem rundlichen Kopf und den biegsamen Armen vor ihm steht.
Das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Der Hund und der Roboter streifen durch New York, essen Hot Dogs, tanzen auf Rollschuhen im Central Park – natürlich zu „September“ – und genießen die letzten warmen Tage am Strand von Ocean Beach. Sie schwimmen und toben im Wasser, bis sich der Roboter am Abend plötzlich nicht mehr bewegen kann. Der Hund ist zu schwach, um ihn zu tragen. Also muss er seinen Freund schweren Herzens zurücklassen. Am nächsten Tag startet er einen neuen Versuch, um ihn mit nach Hause zu nehmen. Und scheitert erneut. Ebenso in der kommenden Nacht. Dann wird der Strand bis zum nächsten Jahr für die Winterpause gesperrt. Dog muss warten. Und der Roboter kann nur träumen.
Zwei eigenständige Erzählstränge
Von diesem Moment an verfolgt der Film beide Figuren in parallelen Handlungssträngen und erzählt darüber, wie der Hund und der Roboter die kommenden Monate verbringen. Während Dog neue Bekanntschaften schließt, etwa in einem Traum mit einem Schneemann oder mit einer abenteuerlustigen, aber an einer festen Bindung nicht interessierten Ente, harrt der Roboter der Dinge. Er wird als Ersatzteillager missbraucht und ausgebeutet, findet aber auch neue Freunde.
Manchmal ist der Animationsfilm „Robot Dreams“, der sich zeichnerisch an den Ligne-Claire-Stil der Comicvorlage von Sara Varon anlehnt und wie dieser komplett auf Dialoge verzichtet, ungemein zärtlich, manchmal aber emotional auch ziemlich grausam, vor allem aber sehr vielschichtig und berührend. Ebenso ehrlich wie überraschend wird hier über eine Beziehung erzählt, in der auch unangenehme Gefühle Platz haben. Die Figuren finden und verlieren sich, teilen schöne Momente und lassen sich im Stich, sind allein und sehnen sich nacheinander, sind eifersüchtig und orientieren sich neu.
Es geht um Veränderungen und Schritte in die Zukunft – und ganz viel um Erinnerungen. Wirklich schwer wird der Film trotz dieses Aufs und Abs aber nicht, weil die an sich recht abstrakten Figuren, die nicht einmal Namen tragen, dann doch so liebenswert und geradezu menschlich sind, und der Film beiden echte Momente puren Glücks schenkt. Zu dem Song „September“, der bisweilen auch als jazzige Piano-Version eingespielt wird, gesellt sich auch noch William Bells Lied „Happy“ und läutet eine neue Phase der Entwicklung ein.
Das Staunen über New York
Die sanften Roboter aus „Das Schloss im Himmel“ von Hayao Miyazaki standen Pate für den Roboter, was in der Comicvorlage noch deutlicher ist als im Film. Pablo Berger reicherte die Geschichte seinerseits mit Referenzen aus „Manhattan“, „Das Apartment“ und „The Big Lebowski“ an und erschafft so eine wunderbare Traumwelt, die von der Filmgeschichte ebenso geprägt ist wie von realen biografischen Einflüssen; Berger erinnert sich darin an seine eigene Zeit in New York; das Staunen des europäischen Regisseurs ist in den Bildern mit Händen zu greifen.
Es ist die pure Freude, in dieses mit so viel Liebe zum Detail und so viel Witz gestaltete und ausschließlich von anthropomorphen Tieren bewohnte New York der frühen 1980er-Jahre einzutauchen. In der U-Bahn trommelt ein Oktopus mit all seinen Armen. Wer richtig cool ist, springt über die Absperrungen in den U-Bahn-Zugängen. An den Straßenrändern zeigen Punks, wie tough sie sind. Und alle Tiere sind verschieden und kommen doch miteinander aus. Krokodile leben neben Enten, Katzen wohnen zusammen mit Hühnern, Kühe mit Hirschen, ein Stinktier sucht eine neue WG, ein Bulle trägt die Pakete aus. Der Film besitzt noch mehr Leben als der Comic, der ganz auf die Hauptfiguren konzentriert ist und in dessen New York auch ein paar Menschen leben. Bei Pablo Berger gehört die Stadt hingegen ausschließlich den Tieren aus aller Welt.
Doch das fröhliche Spiel mit Stereotypen und Zuspitzungen hat auch Schattenseiten. Ein Geier als Besitzer eines Pfandladens in der East Side, der einen krummen Schnabel und einen jüdisch anmutenden Namen trägt? Ein kräftiger Gorilla, der an einen schwarzen Polizisten erinnert? Das sind ärgerliche gestalterische Fehltritte, die zwar nur ganz am Rande zu entdecken sind, aber absolut unnötig waren und so gar nicht in diese ansonsten so wunderbar vielfältige Welt mit ihrem tiefen Humanismus passen.
Eine mustergültige Offenheit
So besitzt die zentrale Beziehung zwischen Hund und Roboter eine geradezu mustergültige Offenheit. Aus Kinderaugen kann sie als tiefe Freundschaft gelesen werden, aus der Sicht von Erwachsenen ist sie eine echte Liebesgeschichte, wobei die anthropomorphen Figuren nicht auf eine bestimmte Herkunft, Hautfarbe, ein Geschlecht oder eine sexuelle Orientierung festgelegt sind. Auch Schuldzuschreibungen gibt es in dieser Geschichte nicht. Beziehungen verändern sich und enden womöglich. Entwertet werden müssen sie deswegen aber nicht, weil die Erinnerung bleibt. Deshalb folgt auf das „Ba dee ya“ bei „Earth, Wind and Fire“ auch die Frage „Do you remember?“ Nicht etwa leidend. Sondern schwungvoll und fröhlich.