- RegieAnna Giralt Gris
- ProduktionsländerDeutschland
- Dauer80 Minuten
- GenreDokumentarfilmHistorie
- Cast
- TMDb Rating6/10 (5) Stimmen
Vorstellungen
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Filmkritik
Robin Hood ist eine englische Sagengestalt, die reiche Menschen beraubte, um die Beute an arme Menschen zu verteilen. Die legendäre Figur liefert die Grundlage für einen oberflächlichen Vergleich mit dem katalanischen Aktivisten Enric Duran (Jahrgang 1976). Der narrte 2007/2008 die spanische Finanzwirtschaft, indem er sich mit gefälschten Gehaltsabrechnungen Bankkredite in Höhe von 492.000 Euro erschlich, aber nie zurückzahlte. Mit dem Geld unterstützte der radikale Antikapitalist soziale Projekte. Der Betrug wurde erst entdeckt, als Duran in einem Zeitungsartikel und auf Youtube seine Motive erklärte. Die riskante Aktion brachte ihm schnell den Beinamen „Robin Hood der Banken“, kurz Robin Bank, ein.
Als mehrere Banken daraufhin Duran anzeigten, wurde er 2009 festgenommen. Zwei Monate später kam er gegen eine hohe Kaution wieder frei, tauchte 2013 jedoch kurz vor der Eröffnung des Strafprozesses unter, weil ihm bis zu acht Jahren Haft drohten. Er bezeichnete seinen Kreditschwindel als einen Akt des zivilen Ungehorsams, um die unethischen Praktiken des Bankensystems aufzudecken. Der Film nennt dafür Steuerhinterziehung und Geldwäsche als Beispiele. Duran wollte mit seiner Aktion überdies andere motivieren, sich ebenfalls für eine gerechtere, nachhaltigere Welt einsetzen. Unter dem Hashtag #ReturnWithFreedom starteten Gesinnungsgenossen 2015 eine Kampagne, um Duran die Rückkehr nach Spanien zu ermöglichen.
Die Flucht hat Spuren hinterlassen
Als die spanische Filmemacherin Anna Giralt Gris zum ersten Mal von der spektakulären Aktion Durans hörte, war sie fasziniert. Doch erst Jahre später wollte sie wissen, was aus Duran geworden ist. Im Zuge ihrer umfangreichen Recherchen sichtete sie zahlreiche Dokumente, Fernsehberichte und Videos über Protestaktionen gegen den Kapitalismus; bei vielen Demonstrationen wirkte Duran mit.
Über Durans Mutter konnte Giralt Gris schließlich Duran kontaktieren, aber zunächst nur Durans Rechtsanwalt treffen, der ihr Akten und eine Audiodatei seines Mandaten übergab. Als ein geplantes Treffen mit Duran in London platzte, wurde eine Begegnung auf einem Segelboot in einem französischen Hafen vereinbart. Endlich konnte die Regisseurin ihre vielen Fragen loswerden. Doch Durans Antworten, der zu diesem Zeitpunkt schon mehr als sieben Jahre isoliert im Untergrund lebte, fielen eher vage aus; oft flüchtete er sich in nebulöse Formulierungen über seine Handlungsweisen und angebliche Pläne zu noch größeren Widerstandsaktionen.
Der Film, der mitunter an die Annäherung von Laura Poitras an den untergetauchten Whistleblower Edward Snowden in „Citizenfour“ (2014) erinnert, illustriert die außergewöhnliche Biografie Durans und die Nachforschungen der Regisseurin mit vielen Animationssequenzen, die Laura Ginès und Pepon Meneses einfallsreich gestalteten. Ihre Trickaufnahmen veranschaulichen beispielsweise die Finanztransaktionen, die Duran nutzte, um die laschen Sicherheitsvorkehrungen der Banken auszutricksen. So fand er heraus, dass Kreditsummen unter 6000 Euro nicht aufgelistet wurden und die Kreditinstitutionen zwei Monate brauchten, um ihre Informationen zu aktualisieren. Genug Zeit also, um die Gelder auf verschiedenen Konten hin- und herzuschieben. Andere Animationssequenzen illustrieren die Einsamkeit Durans in der Haftzelle oder Vorgänge, zu denen keine Bilddokumente existieren.
Zu kurz kommen Durans kapitalismuskritische Schriften und Aktivitäten. So war er Gründungsmitglied der Katalanischen Integralen Genossenschaft (CIC), der globalen Genossenschaft FairCoop und der alternativen Kryptowährung FairCoin. Zur Funktionsweise dieser Währung, die eine globale und nachhaltige Zahlungsmethode entwickeln wollte, verfasste er mit weiteren Autoren ein sogenanntes White Paper.
Ein persönlich gefärbte Spurensuche
Die Regisseurin Anna Giralt Gris begleitet ihre Recherchen immer wieder mit Erläuterungen aus dem Off, wobei sie ihre Motivationen, aber auch ihre Skrupel erläutert. So räumt sie angesichts der Bilder brennender Barrikaden in Barcelona ein: „Aufstände faszinieren mich. Sie machen Hoffnung auf Veränderung. (…) Aber sie machen mir auch Angst. Deswegen gehe ich immer erst zum Filmen nach draußen, wenn sie vorbei sind." Obwohl sie seit Jahren Aktivisten filme, falle es ihr immer schwer, eine „Grenze zwischen Legalität und Legitimität zu ziehen“.
Die Gretchenfrage, inwieweit die Mittel den Zweck rechtfertigen, zieht sich dann auch wie eine moralische Messlatte durch den facettenreichen Film. Nach und nach wird deutlich, dass sich bei der Filmemacherin nach ihrer anfänglichen Idealisierung Bedenken und Zweifel mehren, auch weil bei Duran immer mehr Widersprüche zu Tage treten; zwischendurch erinnert er sie eher an Don Quixote als an Robin Hood. Am Ende distanziert sie sich von Duran und konstatiert: „Ich finde seinen Ansatz zu radikal.“ Allerdings brauche es auf einem bedrohten Planeten „Menschen wie ihn, die daran glauben, dass eine andere Welt möglich ist.“