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Filmplakat von Putin

Putin

109 min | Drama, Thriller, Kriegsfilm | FSK 16
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Biopic über Putins Leben, beginnend im Alter von 10 Jahren, über den Tschetschenienkrieg, Terroranschläge in Dubrowka und Beslan bis hin zum Krieg in der Ukraine und Ereignissen wie Butscha.

Vorstellungen

EM-Kino Stuttgart
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Kinostar Arthaus-Kino Heilbronn
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CinemaxX Berlin - Potsdamer Platz
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Filmkritik

Putin scheißt sich ein. Patryk Vegas „Biopic“ setzt gleich in der ersten Szene eine knallige Duftmarke. Der russische Präsident Vladimir Putin befindet sich offensichtlich unter medizinischer Aufsicht und hat die Kontrolle über die basalsten Körperfunktionen verloren, die Fäkalien quellen ihm aus der Windel.

Subtil geht anders, und vielleicht kann man dem Film zumindest dies zugutehalten. Mit Subtilität wird man einem wie Putin vermutlich nicht beikommen. Schließlich inszeniert der Autokrat sich selbst mit Vorliebe als tollster Hecht von allen und scheint damit bislang gut zu fahren. Auch in „Putin“ tauchen die entsprechenden Bilder gegen Ende kurz auf: Putin in Kampffliegermontur, Putin, wie er mit einem betäubten Tiger posiert, Putin mit nacktem Oberkörper beim Angeln. Insofern ist Vegas Antwort passgenau. Der schamlosen Selbstinszenierung begegnet er mit einer maximal demütigenden Fremdinszenierung. Und einer Supervillain-Origin-Story, die sich im Anschluss an die Windelszene in Rückblenden entfaltet.

Wildes Springen zwischen Zeiten und Plätzen

Deren wichtigste Stationen sind eine von Entbehrungen und Gewalterfahrungen geprägte Kindheit in der Sowjetunion der späten 1950er-Jahre, der rapide Aufstieg im russischen Machtapparat während der chaotischen Jelzin-Zeit; und schließlich sein Sieg bei der Präsidentschaftswahl 2000 sowie die anschließende Konsolidierung seiner zunehmend autokratischen Herrschaft.

Der Film springt zwischen den Jahrzehnten und Schauplätzen wild hin und her. Für die Kontinuität sorgen Putins stets maximal finstere Absichten; plus zwei, später drei Figuren, die einer anderen Realitätsebene angehören und nicht mit Putin mitaltern, und für die Kinozuschauer, aber nicht für das handelnde Personal sichtbar sind.

Putinflüsterer sozusagen: Ein Waisenjunge, der in noch ärmlicheren Verhältnissen als Putin aufgewachsen ist und die Welt brennen sehen will als Rache für sein eigenes jämmerliches Schicksal. Eine in aufreizender Sowjetmontur gekleidete junge Frau, die die Untaten Putins mit zynischen Kommentaren und lasziven Gesten kommentiert. Sowie später auch noch ein bärtiger, schweigsamer Hüne, dessen metaphorische Bedeutung sich wie manch anderes im Film nicht auf Anhieb erschließt. Die Schlagrichtung aber ist nicht zu übersehen: „Putin“ zeichnet das Psychogramm eines chronisch zu kurz gekommenen, infantilen, präpotenten Narzissten, der, von den Geistern der Vergangenheit verfolgt, die Zukunft der Menschheit ruiniert.

Ein filmgewordener Kampfpanzer

Vegas „Putin“ ist, als politisches Statement, ein Frontalangriff. Ein filmgewordener Kampfpanzer, der aus allen Rohren feuert. Vor allem aber ist der Film ein Frontalangriff auf Putin selbst, dessen Aufstieg im Film mit dem Verkauf atomwaffenfähigen Uraniums an Terroristen beginnt. Der in der Folge seine Widersacher mit Mafiamethoden aus dem Weg räumt, im Tschetschenienkrieg über Leichenberge geht und später - hier greift Vega auf gängige Verschwörungstheorien zurück – Terroranschläge inszeniert, um seine Macht zu konsolidieren, während er gleichzeitig den Kontakt zur Realität verliert.

„Putin“ ist aber durchaus auch ein Angriff auf Russland und alles Russische schlechthin. Mit viel Lust an polemischer Übertreibung inszeniert Vega in den Kindheitsszenen zunächst die Sowjetunion als eine Art postapokalyptisches Wasteland, in dem schon Kinder ihre Münder mit Wodka abhärten müssen, um über die Runden zu kommen. Später dann ist es das Russland der casinokapitalistischen 1990er-Jahre als eine Gesellschaft, der jeglicher moralischer Kompass abhandengekommen ist. Die Eliten tanzen in prunkvollen Sälen auf Tischen, während Präsident Jelzin im alkoholinduzierten Dauerstupor unter seinem Schreibtisch liegt.

So weit, so krude. Zumindest erwähnt werden muss außerdem eine Szene, in der der jugendliche Putin von einer klar als jüdisch markierten Figur in einen Kampfsportclub eingeführt wird, der gleichzeitig eine Art Geheimbund zu sein scheint. Die Szene ist kurz und hat keine kohärenten Folgen, hinterlässt aber einen unangenehmen Nachgeschmack. Abgesehen davon sollte man auch anmerken, dass das Kino keineswegs die Pflicht hat, Zeitgeschichte lediglich im Sinne staatspolitischer Pflichtmoral oder, was fast auf dasselbe hinausläuft, im Modus wohlfeiler, wohltemperierter Empörung aufzuarbeiten. Der Vorschlaghammer hat manchmal seinen Reiz, und wenn eine gute Portion phantasmagorischer Irrwitz mitgeliefert wird: umso besser. Gut möglich zudem, dass im Zuge dieser zeithistorischen Räuberpistole auch die eine oder andere realpolitische Notlüge zur Wahrheit entstellt wird, insbesondere was die wilden 1990er-Jahre betrifft. Jedenfalls kann man in Vegas Wirbelwind eine ganze Weile durchaus seine Freude haben. Insbesondere weil der Film auch in formaler Hinsicht keinerlei Hemmungen kennt.

Paintball-Jagd auf Playboy-Bunnys

Bekannt wurde der in Polen überaus erfolgreiche Patryk Vega mit Lowbrow-Komödien und blutrünstigen Gangsterfilmen. Entsprechend mit allen Wassern des niederen Genrekinos gewaschen schaut „Putin“ in seinen besseren Momenten auch aus, beispielsweise wenn eine Szene im Tschernobyl-Sperrgebiet im Stil einer Zombieapokalypse inszeniert wird oder russische Oligarchen eine sadistische Paintball-Jagd auf Playboy-Bunnys veranstalten. Der Tschetschenienkrieg wiederum wird in einer hemdsärmeligen Schnellfeuermontage aus Archivmaterial und billigen Computeranimationen abgehandelt.

Doch die Schlüsselreize, die der Do-It-Yourself-Blockbuster en masse auffährt, nutzen sich arg schnell ab. Wenn man den Dreh einmal verstanden hat, bietet „Putin“ nur noch die Wiederkehr des Immergleichen. Die inneren Dämonen befehlen, und Putin führt aus. Russland und in der Folge die Welt gehen vor die Hunde. Insbesondere in der zweiten Filmhälfte, nach Putins erfolgreichem Durchmarsch an die Spitze des Staates, ist die intellektuelle Schlichtheit der Unternehmung, in Kombination mit dem exzessiv farbkorrigierten Direct-to-Video-Look des Films, zunehmend schwerer zu ertragen; nicht zuletzt auch, weil sich der Film, sobald er in staats- und weltpolitischen Maßstäben zu denken beginnt, eben jene russische Realität komplett aus den Augen verliert, als deren ultimative Verkörperung Putin dargestellt wird.

Bleibt zum Schluss noch die Frage nach dem Putin in „Putin“, also nach der KI-Technologie, mithilfe derer Vega seine Version des Autokraten zum Leben erweckt. Schaut Vegas Putin nach Putin aus? Ein bisschen durchaus, und gerade den Alterungsprozess der Hauptfigur stellt die angeblich vom Regisseur selbst entwickelte Technologie fast besser dar als manche superteure Hollywoodproduktion der letzten Jahre. Nicht selten aber überfällt den KI-Putin eine eigenartige Gesichtsstarre; das Wissen darum, dass dieses wandelnde Diktatorenabziehbild mit Haut und Haaren dem Computer entsprungen ist, wird man keine Sekunde los. Das mag man momentan noch tröstlich finden; aber ein deutlicher Hinweis darauf, was uns in den nächsten Jahren in Sachen Deepfake alles blühen dürfte, ist „Putin“ allemal.

Erschienen auf filmdienst.dePutinVon: Lukas Foerster (3.1.2025)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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