- RegieNiloufar Taghizadeh
- ProduktionsländerDeutschland
- Produktionsjahr2024
- Dauer94 Minuten
- GenreDokumentarfilm
- Cast
- AltersfreigabeFSK 12
Vorstellungen
Filmkritik
Wahrscheinlich kennt jeder im Iran die Sängerin Googoosh, die in den 1960er- und 1970er-Jahren eine der berühmtesten Popsängerinnen ihres Landes war. Ihre Karriere, aber nicht ihr Ruhm endete mit der Islamischen Revolution 1979. Doch erst 21 Jahre später kehrte sie dem Hausarrest in Teheran Richtung Kanada den Rücken und begann wieder aufzutreten. Auch im Exil füllte sie von Anfang an die größten Konzerthallen, diesmal mit einem Publikum aus aller Welt. Der Dokumentarfilm von Niloufar Taghizadeh macht mit dieser Frau bekannt, die elegant und beredt in ihrer neuen Heimat Los Angeles über ihre wildbewegte Geschichte spricht.
Man sieht sie bei aktuellen Konzerten, bei Proben mit Musikern und beim Songschreiben, aber auch bei politischen Demonstrationen. Googoosh nutzt ihre Prominenz wie ihre Kunst, um die Regimegegner im Iran zu unterstützen. Der Tod von Mahsa Amini wird beweint und auf einem Konzert gewürdigt, die Proteste der iranischen Frauen in- und außerhalb ihres Landes respektiert. Dazu gibt es gegen Ende des Films eine Abfolge von Bildern, auf denen man diejenigen sehen kann, die ihren Protest mit dem Leben bezahlt haben oder die in den Gefängnissen verschwunden sind.
Musikalische Reise in die Vergangenheit
Zunächst aber führen die Lieder von Googoosh zurück zu Fotos ihrer Kindheit und Jugend. Sie wurde 1950 geboren, ihr Vater war ein Artist, der sie schon als Dreijährige mit auf die Bühne nahm. Das beförderte ihre musikalische Entwicklung, da sie die Lieder der begleitenden Musiker lernte. Schon in den 1960er-Jahren trat sie als Sängerin auf, sang Schlager und Jazz und widmete sich allem, was im Iran an neuer Musik geboten war. Ein paar Engagements als Schauspielerin kamen hinzu, auch Aufenthalte im Ausland; ihre Popularität wuchs. Das erweist sich auch für den Film als wertvoll, schlicht wegen der Fülle an historischem Bildmaterial, mit dem Taghizadeh ihre Hagiografie illustrieren kann.
Es gibt etliche Videos, man sieht Konzertmitschnitte und Archivbilder, wobei man weniger über die Lieder verblüfft ist als über den Stil der Auftritte, das Publikum oder all das, was unbeabsichtigt am Rand passiert. Die Mode, die Haare, das Benehmen der jungen Menschen erzählen von einer Zeit unter dem Schah, in der ein Teil der Gesellschaft die kulturelle Strömung des Westens rezipierte, für die eigene Großstadt oder die eigene Zukunft einen Aufbruch in die Moderne beanspruchte. Nicht nur der Anblick der Jugend gehört zum „Unwitting Testimony“, das diese Bilder überliefern, sondern man erhält beiläufig auch einen Eindruck vom damaligen Teheraner Nachtleben, von Clubs und Bars und Neonlichtern.
Eine filmisch sprunghafte Biografie
Das Archivmaterial wird stetig mit anderen Zeitebenen unterschnitten, mit Googooshs Privatleben vor dem Exil, mit Konzerten der jüngeren Vergangenheit, dem Alltag der Gegenwart. Es entsteht eine sprunghafte Biografie, die stets auch die politische Geschichte des Iran reflektiert. Schön daran ist die Emotion, mit der Googoosh erzählt. Man merkt, wie sehr ihre Heimat sie beschäftigt, auch wenn sie seit dem Jahr 2000 nicht mehr dort war. Diese Emotion teilt sie mit vielen Iranern; zumindest sehen ihre Konzerte danach aus, in denen das Publikum immer weint oder mitsingt, egal wie alt oder neu die Lieder sind. Man sieht romantisch entzückte Menschen, doch es ist nicht der Film, der die Romantik betont, sondern das tun sie selbst.
Was Googooshs Stimme oder was ihre Person für das Publikum bedeuten, ist nicht bloß die Musik eines Popstars; zumindest wird das von ihr so erklärt. Manche Zuhörer kennen sie aus ihrer Jugend, andere Konzertbesucher sind keineswegs alte Menschen. Für die meiste Zeit ihrer jetzt 74 Jahre war Googoosh für die Iraner eine öffentliche Person. Für die Älteren ist sie eine Erinnerung an ein vergangenes Leben, für die Jüngeren eine Zeitzeugin; sie selbst bekräftigt immer wieder die Hoffnung, dass sich die Verhältnisse im Iran ändern werden. Neben solchen Metaphern kehrt der Film aber stets zu ihren Konzerten zurück. Dort macht sie Witze über ihr Alter und ihre Stimme; dennoch spürt man an ihr keine Schwäche. Trotzdem hätte man das eine oder andere Lied gerne komplett gehört, nicht nur als Ausschnitt.