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Power Play

112 min | Thriller, Krimi
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Filmkritik

Gro Harlem Brundtland (Jahrgang 1939) war die erste norwegische Ministerpräsidentin, die nach langen Jahren als Hinterbänklerin 1981 an die Spitze gewählt wurde und auch mit mittlerweile 84 Jahren noch immer politisch aktiv ist; außerhalb ihrer Heimat ist sie aber weitgehend in Vergessenheit geraten. Das dürfte sich durch die norwegisch-deutsche Politserie „Powerplay“ ändern. Der Serie, in der Kathrine Thorborg Johansen (deutsch synchronisiert von Julia Jentsch) die Politikerin verkörpert, gelingt ein ebenso spannender wie klug-unterhaltsamer Blick auf die bewegte Karriere der Politikerin.

„Powerplay“ ist ein gutes Beispiel, wie man Politik anschaulich und kurzweilig thematisieren kann. Mit einer Kameraführung im Reportage-Stil, körnigen Bildern im 16mm-Look, Requisiten, die als solche eindeutig erkennbar sind, im Studio inszeniert. Die wenigen, aber prägnanten Außenaufnahmen wurden im heutigen Oslo gedreht; gelegentlich huscht ein Lieferdienstfahrer auf einem Fahrrad durchs Bild. Bei den Frisuren und der Kleidung, dem ständigen Zigaretten- oder Pfeifenrauchen sind die 1970er-Jahre jedoch unverkennbar.

Im Männerzirkel der Spitzenpolitik

Für den 1988 geborenen Drehbuchautor Johan Fasting und seine Co-Autorinnen Kristin Grue und Silje Storstein ging es darum, Politik für eine junge, Streaming-affine Generation optisch und inhaltlich spannend aufzuarbeiten. Die erste Staffel der Serie setzt 1974 ein, als die Ärztin Gro Harlem Brundtland von der Führung der Arbeiterpartei als attraktive „Quotenfrau“ in die Politik geholt wird.

Es ist eine Epoche, in der Männer, die mindestens Mitte 50 sind, selbstherrlich an ihren Posten kleben. Nach außen geben sich die Vertreter der sozialdemokratischen Arbeiterpartei volksnah, doch hinter den Kulissen intrigieren sie munter gegeneinander, manipulieren Arbeitskreise und putschen Odvar Nordli, den Nachfolger des 1974 wegen Amtsmüdigkeit zurück getretenen Ministerpräsidenten Trygve Bratteli, ins höchste Amt, um den Aufstieg des linken Politikers und späteren Parteivorsitzen Reiulf Steen zu verhindern.

Als die älteren Herren aber realisieren, wie populär die mindestens 20 Jahre jüngere Gro Harlem Brundtland ist, die ebenfalls aus einer Politikerfamilie stammt, halten Parteilinke und -rechte plötzlich zusammen, um eine Frau an der Spitze zu verhindern. Verächtlich werfen sie der sehr viel gebildeteren Frau vor, dass sie eine Absolventin der Elite-Universität Harvard ist. Harlem Brundtland, die im Gegensatz zum behäbigen männlichen Personal hervorragend Englisch spricht, symbolisiert auch verbal einen anderen, offeneren und moderneren Politikstil.

Vom Idealismus zum Pragmatismus

Stilistisch wählt die Serie eine Mischung aus Mockumentary und ernsthaftem Biopic, unterlegt mit Archivmaterial. Immer wieder sieht man die realen Politiker in schnell montierten Aufnahmen, die anstelle der Darsteller ins Bild kommen. Satirisch-witzig ist die Figur eines millionenschweren Möbelhändlers, der sich mit den Granden der norwegischen Arbeiterpartei wunderbar versteht, als Erzähler im On wie im Off durch die Folgen führt und genüsslich die vielen Skandale und Skandälchen breittritt.

Auch der selbstverschuldete Niedergang einer sozialdemokratischen Volkspartei wird sehr anschaulich thematisiert. Gro Harlem Brundtland erscheint zu Beginn als Idealistin. Die junge Ärztin engagiert sich für das Recht auf Abtreibung, will Wasserkraftwerke verhindern und lieber einen geschützten Naturpark errichten. Der kapitalfreundliche Industrieminister weiß sie indes auszubremsen. Sie beugt sich der Parteidisziplin und verfällt in karrierefördernden Pragmatismus.

In den Jahren zwischen 1974 und 1981 gibt die Arbeiterpartei dann sukzessive linke Positionen auf, unterstützt den NATO-Doppelbeschluss, unterdrückt innerparteiliche Prozesse. Diese Entwicklung geht weit über Norwegen hinaus und erinnert an viele linke Volksparteien, die auf Parteiversammlungen noch die „Internationale“ singen, sich im Alltag aber längst von der Arbeiterklasse entfernt haben. Man hechelt einem angeblich immer konservativeren Zeitgeist hinterher, gebärdet sich weniger rechts als die traditionelle Rechte und wundert sich, warum die Wähler einen dafür abstrafen.

Das Innenleben einer Partei

„Powerplay“ unterscheidet sich nicht nur in seinen komödiantischen Aspekten von anderen skandinavischen Polit-Serien wie „Occupied“ oder „Borgen“, die weit mehr mit Katastrophen- und Thriller-Elementen durchsetzt sind. In „Occupied“ geht es um eine russische Besatzung, die von der EU toleriert wird, weil Norwegen aus ökologischen Gründen die Ölforderung stoppt. In „Borgen“ entpuppt sich eine zunächst sympathische Politikerin als ebenso zynisch wie ihre männlichen Kollegen. „Powerplay“ dagegen bleibt stets auf das Innenleben einer Partei, ihrer männlichen Protagonisten und einer geschickten Einzelkämpferin konzentriert. Entscheidungen trifft man in Innenräumen, in der Parteizentrale oder dem Regierungssitz. Vertreter anderer Parteien bekommt man nicht zu Gesicht.

Auch das Privatleben von Gro Harlem Brundtland wird fast völlig ausgeblendet. Ihr Ehemann erscheint in der letzten Folge am Ende als guter Hausmann mit Schürze, der seine Ehefrau begrüßt und ihr einen Kuss gibt. Als ihn Journalisten filmen, zieht er die Gardinen zu. Damit endet die erste Staffel.

Erschienen auf filmdienst.dePower PlayVon: Jörg Taszman (22.7.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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