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Filmplakat von Peter von Kant

Peter von Kant

85 min | Drama | FSK 16
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Peter von Kant (Denis Ménochet) ein erfolgreicher Regisseur, führt eine Beziehung mit seinem Assistenten Karl (Stéfan Crépon), den er jedoch ständig demütigt und misshandelt. Da verliebt sich Peter eines Tages in den aufstrebenden Schauspieler Amir (Khalil Gharbia), den über seine langjährige Muse Sidonie (Isabelle Adjani) kennengelernt hat. Peter verhilft Amir zu einer Karriere im Film, doch der verlässt seinen Gönner, nachdem er zum Star geworden ist.

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Filmkritik

Da war es bei der Modeschöpferin doch etwas schicker. Schauplatz von Rainer Werner Fassbinders Film „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ war 1972 ein Luxus-Apartment, in dem die Titelfigur in standesgemäßem Rahmen an sich selbst, der Welt, den Männern und insbesondere den Frauen verzweifeln konnte. Bei ihrem von François Ozon erdachten maskulinen Pendant Peter ist es deutlich beengter. Das kreative Chaos eines emsigen Filmemachers steht neben unverhüllter Spießigkeit, die sich im biederen Pullunder-Outfit von Peters Assistenten Karl am deutlichsten manifestiert. Die stilbewusst im Pelz leidende Petra hätte so etwas bei ihrer Assistentin Marlene bestimmt niemals durchgehen lassen.

Für Peter von Kant, der in Ozons gleichnamigem Film an die Stelle der Designerin aus Fassbinders Theater- und Filmvorlage tritt, scheinen kleinbürgerliche Attribute in seiner Umgebung dagegen willkommen zu sein. Gerade vor diesem Hintergrund mag sich in der Wohnung über einem Kölner Hinterhof die Inspiration womöglich am besten entzünden. Denn Stabilität ist Peter keineswegs unerwünscht, und das gilt nicht nur dafür, dass genug Kokain und Champagner vorrätig sind und er nur eine Schallplatte auflegen muss, um seine langjährige Muse Sidonie warnend singen zu hören, dass „ein jeder tötet, was er liebt“.

Maßlose Gefühle, bodenloser Schmerz

Auch in der Liebe ist Peter empfindlicher, als es die propagierte Freizügigkeit der frühen 1970er-Jahre, sein Künstler-Image und sein Egoismus zulassen sollten; die Sehnsucht nach einer liebevollen Beziehung ist ähnlich maßlos wie alle seine Gefühle. Als Sidonie ihn besucht und den lockenköpfigen Migranten Amir aus Nordafrika mitbringt, verliert Peter von Kant keine Zeit mit zurückhaltender Werbung: Amir gibt zwar offen zu, keinen von Peters Filmen gesehen zu haben, dennoch sind die beiden noch am selben Abend ein Paar und Amirs Hauptrolle im nächsten Projekt des Regisseurs ist beschlossene Sache.

Der Ruhm aber macht Amir bald auch unabhängig, und er entflieht der Vereinnahmung durch seinen Liebhaber; für den ist die unerwartete Zurückweisung ein Schlag, der ihn an den Rand des Wahnsinns befördert.

Im Handlungsverlauf folgt Ozon der Vorlage recht genau und behält die Fünf-Akte-Struktur ebenso bei wie viele von Fassbinders Dialogen. Die auffälligste Eigenständigkeit seiner Adaption ist der Geschlechterwechsel bei der Hauptfigur, dem Objekt ihrer Begierde und dem Objekt ihrer Demütigungen und somit bei der Hälfte der Charaktere; die engste Vertraute der Hauptfigur sowie deren Mutter und Tochter sind dagegen auch bei Ozon weiterhin Frauen. Damit kehrt der Film Fassbinders hitzigen Zusammenprall von weiblichen Egos nicht einfach um – was als Idee eher witzlos wäre –; das ausgeglichene Geschlechterverhältnis erlaubt Ozon vielmehr einen vorurteilsfreieren Umgang mit dem Männlichkeitsgebaren von Peter.

Wohl noch keiner männlichen Figur in seinem Oeuvre hat Ozon eine derartig vielfältige Auswahl an Gefühlszuständen zugedacht: Peter von Kant ist besitzergreifend, roh, ordinär, dann aber auch wieder unsicher, verzweifelt und hilflos, zuletzt buchstäblich wie ein Kind, das von seiner Mutter getröstet werden muss. Am schlimmsten wiegt das Gefühl der fehlenden Kontrolle; dass auch die Beziehung mit Amir Regieanweisungen folgt, fällt mit Wucht auf Peter als ihren Urheber zurück, sobald Amir sich nicht mehr brav seinem Diktat unterordnet.

Die Wurzeln im Leben

Die Wurzeln von „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ in Fassbinders Leben sind kein Geheimnis, doch Ozon unterläuft die Möglichkeit, dass sein Film als Abbildung der realen Geschichte verstanden werden könnte. Im Entstehungsjahr von Fassbinders Film, in dem auch Ozons Adaption ausdrücklich spielt, war der deutsche Filmemacher äußerlich noch eher knabenhaft und entsprach noch nicht dem Bild, das sich in die Historie eingebrannt hat und dem sich auch Ozon verschreibt: Vollbart, hängende Augenlider und Massigkeit sind die Vorgaben, nach denen sein Hauptdarsteller Denis Ménochet besetzt wurde, der auch mit beeindruckender Körperlichkeit und Sensibilität agiert.

Indem „Peter von Kant“ dezidiert kein Film à Clef über die reale Person Rainer Werner Fassbinder ist, hat sich Ozon für einen freien, spielerischen Umgang mit dem Künstler-Kollegen entschieden – was legitim ist, aber die Wirkung seines Films auf ein Publikum eingrenzt, das mit Fassbinders Gesamtwerk halbwegs vertraut ist. Wie Radu Gabreas „Ein Mann wie Eva“ und Oskar Roehlers „Enfant Terrible“ ist auch Ozons Film in erster Linie eine filmische Privatvorstellung, die Fassbinder durch die eigene subjektive Brille betrachtet und viele seiner Facetten unter den Tisch fallen lässt. Bei Ozon ist es allerdings schwer, in Peter von Kant überhaupt Fassbinder-Persönlichkeitsmerkmale zu erkennen, die über das Offensichtliche – Aussehen, Homosexualität, herrische Ausfälle, Mutterbindung – hinausgehen. Eine originelle neue Interpretation Fassbinders ist hier eher nicht zu entdecken.

Versiertes Spiel mit Farben

Was nicht heißt, dass Ozons Zugriff auf den Stoff nicht amüsant und auch bewegend ausgefallen wäre. Stilvoll ist er ohnehin: Kenntnis von Fassbinders Gesamtwerk ist umfassend eingeflossen, zu Filmzitaten kommt das versierte Spiel mit Farben (vor allem Rot), mit typischen Kameraeinstellungen und mit Schlagern als Intermezzi. Anders aber als bei „Tropfen auf heiße Steine“, Ozons erster filmischer Beschäftigung mit dem deutschen Kollegen, wirkt es, als weise er stärker die Mutmaßung zurück, Fassbinder und er hätten viel gemeinsam. Sein Umgang mit den Bausteinen aus Leben und Werk, filmischer Vorlage und realem Hintergrund scheut geradezu den Moment, in dem ein allzu eindeutiges, rundes Gebilde entstehen könnte und zieht sich lieber wieder in sichere Distanz zurück. Das raubt „Peter von Kant“ keinesfalls seine Wirkung, lässt ihn aber in letzter Konsequenz doch ein wenig unverbindlich erscheinen.

Erschienen auf filmdienst.dePeter von KantVon: Marius Nobach (8.5.2023)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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