- RegieJoana Georgi
- ProduktionsländerDeutschland
- Produktionsjahr2024
- Dauer90 Minuten
- GenreDokumentarfilm
- AltersfreigabeFSK 12
- TMDb Rating10/10 (1) Stimmen
Vorstellungen
Filmkritik
„Niemals allein, immer zusammen“ beginnt mit einem Tee-Kränzchen in (ver)trauter Runde. Paritätisch kommt alle fünf Berliner Aktivist:innen zu Wort und erklären, warum er oder sie sich in einer sozialen Bewegung engagieren. Patricia für die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“, Zaza für die Krankenhaus-Bewegung, Simin für die migrantische Bewegung, die alleinerziehende Mutter Feline, die den Film sporadisch als Erzählerin begleitet, für ihre eigene politische Kunst. Als Quang, einer der „radikaleren Stimmen von Fridays for Future“, ins Bild kommt und betont, man könne das Klimaproblem nicht von anderen sozialen Themen abspalten, hängt hinter ihm ein Plakat zum „1. Palästina-Sommertreff“ an der Küchenwand. In diesem Moment hat das Weltgeschehen den Film bereits überrollt.
Ein brüchiger Pakt
Es ist ein brüchiger Pakt, der hier proklamiert wird. Als Regisseurin Joana Georgi die jungen Aktivistinnen in ihrem Engagement für die gute Sache begleitete, schwelte der Israel-Palästina-Konflikt noch wie gewohnt vor sich hin. Der Flächenbrand, der dem grauenvollen Angriff gegen die israelische Zivilbevölkerung durch die radikal-islamistische Hamas am 7. Oktober 2023 folgte, hatte die politisch linken Bewegungen noch nicht in die Spaltung getrieben. Während sich die deutsche Klimabewegung genauso wie ein Großteil der linken Community nach dem Hamas-Angriff sofort für eine klare Solidarität mit Israel aussprach, gingen Bilder von Greta Thunberg um die Welt, die erst auf Twitter und dann mit „Kufiya“-Tuch an Straßenprotesten teilnahm, auf denen die Existenz Israels bestritten und das Vorgehen gegen die Hamas als Genozid gegen die Palästinenser verunglimpft wurde.
Von solchem Spaltungspotenzial ist in „Niemals allein, immer zusammen“, der bereits im Titel den Wunsch nach Verbindung und Solidarität formuliert, nichts zu spüren. Obwohl in den politischen Bewegungen immer schon Bedenken kursierten, dass der thematische „Tanz auf zu vielen Hochzeiten“ das jeweils eigene Anliegen schwächen könnte. Gegen soziale Ungerechtigkeit und für die Arbeiterklasse treten alle porträtierten Aktivisten ein; zwei bezeichnen sich sogar als Kommunisten. Achtsam wird gegendert und das Manko benannt, dass sich die Bewegungen des linken Spektrums nicht stärker zusammenschließen und damit an Kraft gewinnen.
Bei einem Treffen mit der Filmemacherin trägt Quang einen Kapuzen-Pulli mit der Aufschrift „ACAB“: All cops are bastards. Simin wiederum erzählt von ihrem inspirierenden „Sommercamp der kommunistischen Partei“ in Palästina und ihrem Ziel der Abschaffung „der Bullen“. Es stellt sich die Frage, auch wenn sie der Film nicht stellt, ob die „Otto-Normalbürger:innen“ wirklich bereit wären, sich hinter solche Forderungen des linken Bewegungsspektrums zu stellen. Was aber vermag man zu erreichen, wenn man keine Massen auf die Straßen bringt, die für einen Aufbruch in eine bessere Welt mitprotestieren würden?
In den eigenen Blasen
Nachwuchsregisseurin Joana Georgi, die als Videografin für das „Missy“- Magazin oder „Der Freitag“ arbeitet, hat ein Jahr lang die verschiedensten Facetten des Aktivismus eingefangen. Neben Organisations- und Vernetzungstreffen sowie dem Protest auf der Straße begleitet sie Quang dabei, wie er Porträtfotos vor der Plattenbausiedlung aufnehmen lässt, aus der er stammt. Feline kreiert in ihrer Küche eine Gedenktorte anlässlich des Jahrestages vom Massaker in Hanau, um auf Social Media an die Opfer zu denken. Zaza malt mit einem Kollegen Pappkartons für den nächsten Verdi-Streik. Man besucht sich gegenseitig auf den Demos und sitzt gemeinsam auf Panels, die für Menschen ausgerichtet werden, die genauso denken wie man selbst. Im Prinzip aber verbleiben die Bewegungen in den eigenen Blasen – begrenzt durch das Desinteresse des Großteils der Bevölkerung.
Warum ist das so? An dieser Frage scheitert der Film, weil er nur den Ist-Zustand bebildert, in dem die Analyse von Erfolg und Misserfolg des politischen Engagements zu kurz kommt. Von der Komplexität der einzelnen Bewegungen bleiben in „Niemals allein, immer zusammen“ nur Vignetten übrig, mit denen ein sympathisches, aber nicht sonderlich aussagestarkes Bild relativ erfolgreicher Initiativen zusammengeklebt wird. Ein bisschen gleicht der Film den Social-Media-Schnipseln, die hier in Gestalt von TikTok-Clips und Instagram-Bildern produziert und geteilt und auf der Leinwand mit kleinen digitalen Effekten nachgezeichnet werden: Kurze Einblicke in relativ große Bewegungen, die man durch fünf Einzelpersonen nicht adäquat bebildert bekommt.
Was dennoch bewegt und beeindruckt, ist der scheinbar unermüdliche Einsatz und das Feuer, das in diesen jungen Menschen für ihre wichtigen Anliegen brennt – das aber durchaus erlöschen könnte. Jahrelang brannte es lichterloh. Nun scheint das „Brandmaterial“ in Form neuer Mitstreiter aber auszugehen. Nach Corona und dem russischen Überfall ist die Anzahl der Menschen, die noch auf die Straße gebracht werden, rapide gesunken. Dieser Trend wurde Anfang 2024 kurz unterbrochen, als Hunderttausende gegen Rechts protestierten. Doch die Erschöpfung der Aktiven ist deutlich zu spüren. Auch oder gerade weil sie sich gegenseitig der Kraft, die aus dem Engagement der anderen geschöpft wird, zur Selbstbestärkung ein ums andere Mal versichern.
Kurzweilige Einblicke
Unterm Strich präsentiert „Niemals allein, immer zusammen“ einen kurzweiligen Einblick in ein bewundernswertes, mit vielen geteiltes Engagement, das trotz kleiner Erfolge immer mehr ins Leere zu laufen scheint. Das System aus sozialer Ungerechtigkeit, Turbokapitalismus und politischem Klima-Desaster scheint so ungerecht und für zukünftige Generationen so desaströs wie zuvor. Die Frage, warum das so ist, und wie die Akteure auf diese Stagnation reagieren, beantwortet der Film nicht. Er bleibt den Versuch, einen Weg aus der Krise zu skizzieren, schuldig.