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Filmkritik
Nana (Happy Salma) erinnert sich nicht mehr an den Geruch ihres Ehemanns. Den gemeinsamen Sohn an der Brust, versucht sie die inneren Bilder festzuhalten, die mehr und mehr verlorengehen. Ob der Ehemann bereits tot ist? Die Begleiterin drängt zum Aufbruch. Die Frauen sind auf der Flucht. Nana weiß nicht, warum sie fliehen muss, wer sie und ihre Begleiterin verfolgt. Sind es die japanischen Besatzer? Sie versteht nicht, warum sie durch den Dschungel schleichen, statt die Hauptstraße zu nehmen. Wenn sie und ihr Kind in Gefahr sind, was geschieht dann mit dem Vater, der die Heimat nicht verlässt?
Für einen Moment sieht sie ihn, wie er durch den Dschungel in Richtung der Moschee wandert. Umringt von Männern mit Macheten. Sie lassen ihn passieren, bevor sie ihm den Kopf abschlagen. Es ist das letzte Bild des Traums, der nicht nur eine Fantasie, sondern die 1960er-Jahre des indonesischen Unabhängigkeitskriegs beschreibt. Chaos und Tod sind Nanas Vergangenheit.
Allegorie für Indonesien
Als bleibende Erinnerungen schleichen sie in Nanas Träume. Der somnambule Rhythmus des Films gewährt ihnen leichtes Spiel. „Before, Now & Then“ dehnt die Tage der Protagonistin, als könne sie nie in dem Leben ankommen, in das sie die gewalttätigen Auseinandersetzungen in ihrer Heimat geworfen haben.
Die in der Geschichte des Landes verwurzelten Tragödien lassen die Frau, die am Tag so grazil wie gefestigt wirkt, nie los. Der Krieg hat ihr den Sohn, den Vater und Ehemann genommen. Der Mann, neben dem Nana am Ende ihrer Albträume erwacht, ist Darga (Arswendy Bening Swara). Ein wohlhabender, distanzierter, aber gütiger Mann. Ein Mann, an den Nana gebunden ist, ohne sich wirklich entfalten zu können. Sie schlafwandelt durch sein Leben und sein Anwesen, ohne sich in ihm verankern zu können. Immer ist eine Sehnsucht in der darstellerischen Leistung von Happy Salma zu lesen, nach einem Leben, das ihr selbst gehört und nicht ihrem Pflichtbewusstsein.
In eben diesem Status der Ohnmacht wird das weibliche Einzelschicksal zur Allegorie für die Historie Indonesiens: fremdbestimmt und den Patriarchen ausgesetzt, kann Salma und alle die anderen, die den großem Umwälzungen ausgesetzt sind, nur auf Gunst hoffen und ihr Leben lediglich innerhalb eng gesteckter Grenzen entfalten. Dabei ist Darga vielleicht sogar ein Mann, der Nana liebt. Aber eben nicht nur sie. Er überhäuft sie mit Geschenken, bewundert ihre Schönheit, wendet sich aber wieder und wieder anderen Frauen zu.
Ein zähes Stück Fleisch
Nana erträgt seine Abwesenheit, seine Liebe und das gemeinsame Leben, wie sie das Schicksal ihres Landes erträgt. Sie verbringt ihre Tage mit den gemeinsamen Kindern und arrangiert das opulente Dekor des Hauses. Es ist ein tatsächliches Schicksal, das „Before, Now & Then“ nach einem Roman von Ahda Imran erzählt. Die mitunter fast frei schwebende Erzählung spitzt sich zu, als Nana den Brief einer Nebenbuhlerin findet. Es ist der erste Moment, in dem die Affären des Mannes in Nanas Refugium eindringen, ganz so, wie die Vergangenheit in ihre Träumen eindringt. Bald findet sie den Schal der vermeintlichen Liebhaberin. Es folgen weitere Liebesbriefe und schließlich ein Geschenk: ein Stück Fleisch. Nana schmeißt es nicht weg, sie bereitet das Wunschgericht ihrer Tochter daraus zu. Ihr und dem Ehemann schmeckt es hervorragend. Nana selbst kaut auf dem zähen Stück und versucht, den Brocken hinunterzuschlucken, muss ihn aber wenig später auf der Toilette wieder hochwürgen. Nur wenige Augenblicke, dann hat sie sich wieder gefasst. Ihr Gesicht verbirgt, was im Inneren tobt.
Nur mit dem Pathos der ostentativ aufspielenden Filmmusik unterspült Regisseurin Kamila Andini die Gefasstheit der Protagonistin und verweist zugleich auf das Unheil, das im gerade unabhängig gewordenen Indonesien gärt. Was die tragische Vergangenheit und die symbolische Beziehung andeuten, wird schließlich mit diversen Radiodurchsagen konkret, denen Darga und Nana lauschen. Aus den Lautsprechern dringen die ersten Vorboten des systematischen Massenmords unter General Suharto in den Film, dem mehr als 500.000 Menschen zum Opfer fielen.
Geschmeidig wie Wasser
Nana selbst kämpft weder gegen den Ehemann und die Nebenbuhlerin Ino (Laura Basuki) noch gegen die Umwälzungen der Geschichte an. Sie lässt sich überrollen. „Ich bin geschmeidig wie Wasser“, sagt sie zu sich selbst, nachdem sie das Stück Fleisch der Nebenbuhlerin ausgespuckt hat. Sie bricht auf, um die Frau zu treffen, die eine Affäre mit ihrem Mann hat, der bei seinen Besuchen mit ihren Kindern spielt. Als sie Ino begegnet, gibt es erneut keine Konfrontation. Nana begegnet ihr als Gleichgesinnte. Es entsteht eine erstaunliche Freundschaft, getragen von der tiefen Melancholie, die Geschichte, Privatleben und eben die spezifisch weibliche Erfahrung in dieser Zeit ausmacht. Zwei Frauen, die sich zusammenraufen in einer Welt, die sie nicht gestalten können.
Die unbeschwerten Momente, die vor allem Ino dem geteilten Leben abringt, lassen ebenso wie die tiefe Melancholie an „In the Mood for Love“ von Wong Kar-wai denken, scheinen manchmal sogar ins Romantische überschwappen zu wollen, finden aber nie zu dessen Leichtigkeit. „Before, Now & Then“ bleibt in der Schwere der Geschichte gefangen, distanziert, im Bann gehalten von einer bedrohlichen Zukunft, einer Vergangenheit, die alles durchdringt und konzentriert auf das Schicksal der Frauen, auf denen diese Gegenwart lastet.