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Filmplakat von Mi País imaginario

Mi País imaginario

83 min | Dokumentarfilm
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Patricio Guzmáns jüngstes Werk beleuchtet und erforscht das Epizentrum des sozialen Aufstands in Chile. Die Plaza Dignidad, mit der Baquedano-Statue, und ihre Demonstranten werden eindrücklich dargestellt. Der Film porträtiert und sucht das Geschehen vor Ort zu begreifen, indem er die Energie, Beharrlichkeit, Zorn und Hoffnungen, die sich an diesem Ort manifestieren, zu verstehen versucht.
  • RegiePatricio Guzmán
  • ProduktionsländerChile
  • Produktionsjahr2022
  • Dauer83 Minuten
  • GenreDokumentarfilm
  • TMDb Rating6/10 (13) Stimmen

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Filmkritik

Große Revolutionen gehen vom Volk aus, immer dann, wenn die Lebensumstände so unerträglich geworden sind, dass die Massen ihren Protest auf die Straße tragen. Genau das geschah im Oktober 2019 in Chile, einem Land, das in den letzten fünfzig Jahren einiges an politischem Aufruhr, Repression und Umwälzungen erlebt hat. Die soziale Lage aber war für viele nicht mehr tragbar: Wohnungsnot, Bildungsmisere, niedrige Renten und ein profundes Misstrauen in staatliche Institutionen und Politiker trieben die Menschen nach draußen.

Mit massiven Demonstrationen, die von friedlichem Protest mit dem Skandieren von Losungen und dem Schlagen auf Pfannen und Töpfe bis zum Steinewerfen alle Altersgruppen und sozialen Schichten vereinte, verschafften sich die Menschen in der Hauptstadt Santiago de Chile Gehör. Ihren Protest hielten sie monatelang aufrecht. Auslöser der Revolte war eine Erhöhung der Metrotickets, welche vor allem junge Menschen zunächst mit dem Überspringen der Drehsperren ignorierten.

Der erste Funke

Daraus erwuchs im Kleinen eine übergreifende Bewegung. Regisseur Patricio Guzmán nennt es den ersten Funken. Die Empfehlung, eben jenen festzuhalten, wenn er ein Feuer filmen wolle, hatte ihm einst der legendäre Dokumentarfilmer Chris Marker gegeben. Guzmán, der seit dem Militärputsch in Chile durch Pinochet im Jahr 1973 vorwiegend in Frankreich lebt, hatte den ersten Funken dessen, was sich dann wie ein Lauffeuer verbreitete, in seinem Ursprungsland aber verpasst. Er reiste dennoch bald nach Santiago de Chile, um den Protest hautnah mit seiner Kamera festzuhalten. Dabei zeigt er entweder die Protestierenden aus der Menge heraus oder hält das schiere Ausmaß des Protests in Panoramaaufnahmen des hauptstädtischen Zentrums fest, in dem bis über eine Million Demonstrierende die Straßen füllten.

Im Off-Kommentar beleuchtet Guzmán die Lage Chiles und lässt dabei auch seinen Wünschen und Hoffnungen freien Lauf. Zum einen vergleicht er die Forderungen der Demonstranten mit Salvador Allendes Traum von sozialer Gerechtigkeit Anfang der 1970er-Jahre. Schwarz-weiß-Archivaufnahmen aus der Ära des demokratisch gewählten Präsidenten bekräftigen dies.

Andererseits betont er den basisdemokratischen Charakter der jüngsten Proteste, der nicht an eine einzelne Partei gebunden sei. Politiker kommen bei den Aktivisten, die Guzmán vor die Kamera holt, eher schlecht weg. Eine Frau, die in einem provisorischen Lager für bessere Wohnverhältnisse kämpft, hält sie alle für korrupt. Aber auch Intellektuelle und eine Studentin mit Kind bestätigen dies. Die Studentin tritt nur getarnt vor die Kamera: eine wollene Skimaske lässt lediglich ihre Augenpartie frei. Als sie sich äußert, hat sie die Skibrille und eine halbe Gasmaske, die sie davor zur Schau gestellt hatte, abgelegt. Mit solchen Schutzutensilien sind viele der jüngeren Demonstranten bewehrt. Warum, sieht man in den Sequenzen, die Konfrontationen zwischen Ordnungskräften und Demonstranten wiedergeben. Polizei und Militär gehen mit äußerster Brutalität gegen die Demonstranten vor. Sie knüppeln ohne Rücksicht auf Verluste auf sie ein, verwenden Wasserwerfer, Tränengas und Geschosse und verletzen damit etliche der Protestierenden. Eine Fotografin hat ein Auge verloren; sie ist nicht die einzige. Auch eine Sanitäterin berichtet, dass ihre Kollegen sie mit Schildern abschirmen mussten, als sie sich um Verletzte kümmerte, da die Polizei nicht einmal angesichts dessen innehalten wollte.

Das Erbe der Diktatur

Das martialische Auftreten mancher Demonstranten, die Pflastersteine zu Wurfgeschossen umwandeln, steht in diesem Kontext. Zwar ist auch ihr Verhalten alles andere als gewaltfrei, doch es wird von Guzmán teilweise überhöht und verharmlost. Allerdings sind Polizei und Militär erheblich besser ausgestattet und verfügen zudem über todbringende Waffen. Protestierende berichten, dass Demonstrationen lebensgefährlich wurden, und dass sie deshalb Abstand von ihnen genommen hätten.

In einem Land wie Chile, das unterstreicht Guzmán zu Recht, weckt die Brutalität der Ordnungskräfte schmerzliche Erinnerungen an die Pinochet-Diktatur. Obwohl die Entmachtung des Diktators Pinochet schon so lange zurückliegt, ist es nicht gelungen, Polizei und Militär zu kontrollieren, hört man den Regisseur aus dem Off. Einige weniger emotional vorgetragene Analysen der Situation durch politische und journalistische Spezialisten erlaubt differenzierte Einblicke in die Komplexität der chilenischen Gesellschaft, in der die Diktatur immer noch nachwirkt.

Der Kreis schließt sich

Dass der Protest schließlich dazu führt, eine verfassungsgebende Versammlung einzuberufen, versteht man als Hoffnungszeichen für ein Volk, das immer noch mit der 1980 von der Junta erarbeiteten Verfassung leben muss. Auch nach der Wahl des linken Präsidenten Gabriel Boric im März 2022 zeigt der Film erneut Panoramaaufnahmen des Zentrums von Santiago. Ein Kreis schließt sich. Patricio Guzmán äußert anhand von Archivbildern chilenischer Arbeiter unter der Unidad Popular seine (auch im Titel des Films festgehaltene) Hoffnung, dass der Traum von Salvador Allende von einem demokratischen und gerechten Chile ein halbes Jahrhundert später endlich Wirklichkeit wird.

Erschienen auf filmdienst.deMi País imaginarioVon: Kira Taszman (8.12.2023)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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