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Filmkritik
Nach dem Grundsatz "Von jedem etwas für jeden etwas" mischt die auf ein Millionenpublikum millionenschwer angelegte Disney-Produktion verschiedene Ingredienzen in den großen Unterhaltungskuchen. Zunächst einmal die in England und den USA wohlbekannte Mary Poppins, eine märchenhafte Kinderfreundin, die der Ostwind mit ihrem papageienköpfigen Regenschirm und einer Teppichtasche ins Haus Kirschbaumweg 17 zur Londoner Familie Banks hineinweht. Fünf Kinder tummeln sich in den Büchern der Autorin Pamela Travers. Der Film reduziert sie auf die zwei ältesten, Jane und Michael, die angeblich ungezogen sind und die ältere Kinderfrau Katie aus dem Hause graulen. Selten hat man indes Bub und Mädel so brav und verträglich gefunden wie hier. Bis zum ersten Spaziergang zaubert das neue Wunsch-Kinderfräulein nach Herzenslust. Aus ihrer Tasche quillen Spiegel und Lampe, das Kinderspielzeug räumt sich von allein auf, Marys Spiegelbild verselbständigt sich. Später ist von Marys Zauberkunststücken nicht mehr viel zu bemerken. Nebenan gibt Admiral Boom auf dem zum Schiffsdeck ausgebauten Dach seines Hauses den pünktlichen Kanonenschuß ab. Vom alten Fräulein Lark mit ihrem Hund Andy aus der weiteren Nachbarschaft erfährt man allenfalls, daß es sie gibt. Plötzlich verschwindet Mary. Etwas Gutes hat sie bewirkt. Vater Banks, ein pedantischer Bankangestellter, und Mutter Banks, eine übergeschnappte Suffragette, nehmen sich endlich mehr Zeit für die Kinder. Jedenfalls lassen sie mit ihnen mal einen Drachen steigen. Halb so schlimm, daß Vater Banks sich verleiten ließ, seine Kinder mit ins Bankhaus zu nehmen, wo sie viel Staub aufwirbeln und Vaters Entlassung auslösen. Noch vor der letzten Kameraeinstellung hat Vater seine Stellung wieder. Nicht ganz zum besten gerieten die dämonisch stilisierten Auftritte des greisenhaft ekligen Mammon-Präsidenten. Alles in allem erschöpft sich die Vorlage rasch. Für den Bereich der Groteskkomik machen sich Regisseur und Autor der humorigen Lustspiele vom "Fliegenden Pauker" ( (fd 10507), 12914) stark. Marys Onkel Albert lacht sich über jeden Witz unter die Decke, und die Kinder schweben mit ihm. Freilich: Krautkopf zu heißen und eine Glatze zu haben, ist kaum zum Prusten witzig, so daß es sich nur um Juxpulver zur Zwerchfellkitzelei handelt. Die ansehnlichsten Zutaten liefern Musical-Spezialisten vom Broadway. Von den Songs gehen einige ins Ohr, andere fallen in den Schmalztopf. Das kecke Lied mit dem Scherzwort "Supercalifragilisticexpialidocius" (zum Glück als einziges in der deutschen Fassung unübersetzt) reizt große und kleine Kinder zum Nachsingen. Zwei ausgedehnte Tanzeinlagen bieten perfekte Show-Artistik. Der Straßenmusikant Bert läßt Mary und ihre Schützlinge in eine auf Straßenpflaster gemalte Landschaft eintreten. Daraus ergibt sich eine lose Folge phantastisch beschwingter Arrangements. Zeichentrickfiguren in einer Real-Tanzszene sind allerdings nichts Neues. Gene Kelly hat sie in seinem Film "Einladung zum Tanz" souveräner verwendet. Choreografischer Höhepunkt: der Schornsteinfegertanz auf den Dächern. Vom Broadway, wo sie "My Fair Lady" beherrschte, kommt auch die Titelrollenträgerin Julie Andrews. Ihr vielseitiges Können steht außer Frage. Als Kinderfräulein erscheint sie zuweilen etwas trocken, unpersönlich. Geht nun das Kinderbuch-Film-Musical "als Meisterwerk in die Filmgeschichte ein", wie ein deutscher Musicalexperte kurzum behauptet (DTV (fd 319), S. 53)? Man möchte es bezweifeln. Die verschiedenen Ingredienzen verschmelzen nicht ineinander. Im großen Kuchenteig bleiben zähe, überdehnte Klumpen zurück, ein Geschmack nach Disneyland-Kommerz, das Milieu um 1910 dick verstaubt, die kitschige Taubenfrau und ein nahezu klischeehaftes Familienbild. Solche Einwände ließen sich noch schärfer aufzeigen, wenn man es darauf anlegen müßte, sich mit dem gutgelaunt unterhaltsamen Film noch kritischer auseinanderzusetzen. Uns scheint das weder notwendig noch berechtigt.