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Filmkritik
Ein junges Mädchen stirbt, kurz darauf fällt ein Junge einem tödlichen Virus zum Opfer. Und wieder hat die Vermittlerin Mama Efe für die Hinterbliebenen im Dorf Iyi die gleiche Erklärung: Dass nämlich all jene, die nicht mehr unter den Lebenden sind, dorthin zurückkehrten, wo sie herkamen, und die Dinge schon ihre Richtigkeit haben, so schmerzhaft der Verlust auch sein mag. „Dorthin“ ist der Ort, an dem Mami Wata, die Meeresgöttin, zuhause ist. Zwar hat sie niemand je zu Gesicht bekommen, doch es braucht nicht viel Fantasie, um in der scheinbar endlosen Weite des Meeres eine geheime Kraft zu erkennen.
Immer wieder fällt in „Mami Wata“ der Blick auf die an Land schwappenden Wellen, deren Ränder in weiß leuchtenden Schaumkronen auslaufen und von wildem Meerestosen begleitet werden. Der Film von C.J. Obasi entfaltet vor allem durch seine kontrastreichen fluoreszierenden Schwarz-weiß-Bilder eine unmittelbar betörende Wirkung. Alles wird zur monochromen Fläche, zur Linie und zur Chiffre. Der Muschelschmuck, die gemusterten Kleider und die traditionellen Gesichtsbemalungen zeichnen sich gleichsam als illuminierte Körper, als Leuchtschrift ins Bild. Unterlegt sind die expressionistischen Bilder der Kamerafrau Lílis Soares durch Trommeln, Naturgeräusche und flächige Klänge.
Es regt sich Widerstand
„Mami Wata“ – was in Pidgin-Englisch für „Mutter des Wassers“ steht, erzählt in kurzen, durch Zitate eingeleiteten Kapiteln eine Geschichte über Macht, Geschlechterverhältnisse, spirituelles Erbe und den Kampf zwischen Tradition und Moderne. Der Film basiert auf westafrikanischer Folklore. Der in Darstellungen meist weibliche Wassergeist Mami Wata wird in Teilen von Westafrika und in der afrikanischen Diaspora im karibischen Raum verehrt; der Ursprung liegt vermutlich in Nigeria, der Heimat des Filmemachers C.J. Obasi.
Nachdem Mama Efes mediale Verbindung zu Mami Wata erneut keinen Tod verhindert konnte, regt sich allmählich Widerstand gegen ihre Führungsposition. Ihre Tochter Zinwe, laut Auskunft der Mutter selbst ein „Wassermädchen“ und damit auf nicht-biologische Weise zur Welt gekommen, spricht davon, dem „Unsinn“ ein Ende setzen zu wollen. Ihre Adoptivtochter Prisca, die bereits als Nachfolgerin im Gespräch ist, übt nicht nur Kritik an den zu leistenden Abgaben – es ist Brauch, dass die Menschen in Iyi einen Teil ihrer Ernte dem Oberhaupt spenden –, sondern zeigt sich auch der Impfkampagne eines Arztes gegenüber aufgeschlossen. Während also Zinwe und Prisca eine „moderne“ Auslegung der Tradition einfordern, zweifeln die Männer des fiktiven Dorfes auf aggressive Weise Efes Autorität an.
Unübersehbar mischt sich in ihre zunächst rational argumentierende Kritik – wo bleiben die Straßen, Schulen, Krankenhäuser? – ein tiefes Ressentiment gegen ein System, dass sich matriarchal definiert. Auf Initiative des Rebellenkämpfers Jasper kommt es schließlich zum gewaltsamen Aufstand gegen die Vermittlerin. Sogar die Existenz von Mami Wata wird in Frage gestellt. Während die Aufständischen mit Waffengewalt eine korrupte Herrschaft errichten – die Schnellfeuerwaffen bringt ein Weißer –, kämpfen Efes Töchter um den Erhalt der Gemeinschaft.
Spielerisch zwischen den Zeiten
C.J. Obasi, der auch unter dem Beinamen „Fiery“ (feurig) bekannt ist, erfuhr seine Filmsozialisation durch britische Horrorfilme und Stephen-King-Adaptionen. 2014 gab er mit dem Zombiefilm „Ojuju“ sein Debüt; ein Jahr später folgte mit „O-Town“ ein Thriller. Der Genrefilm-Hintergrund ist auch in „Mami Water“ durchweg zu spüren, etwa in dem akrobatischen, fast schon actionfilmhaften Duell zwischen Prisca und Jasper. Mit ihrer Mischung aus Gelassenheit, Schönheit und wilder Entschlossenheit ist Prisca, die gelegentlich auf ziemlich coole Art mit einem Motorrad im nächtlichen Dschungel unterwegs ist, das alles überstrahlende Zentrum, eine gleichsam den kulturellen Traditionen verbundene wie gegenwärtige Heldin. Spielerisch und leicht bewegt sich dieser leuchtende Film zwischen den Zeiten.