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Filmplakat von Mad God

Mad God

84 min | Animation, Science Fiction, Fantasy | FSK 18
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Ein namenloser Attentäter steigt mithilfe einer Taucherglocke in eine höllische Welt hinab, die von grauenhaften Kreaturen mit sadistischen Vorlieben bevölkert wird. Auf seiner Reise durch die Unterwelt muss er diverse Treppen, Falltüren und dunkle Schächte überwinden. Sein Ziel ist eine von einer Monstrosität beherrschte Stadt, in der er eine Bombe zünden soll. Doch das Vorhaben schlägt fehl.

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Filmkritik

 Es gehört wohl zu einem der weitverbreitesten Missverständnisse, Animationsfilme – und insbesondere Puppentrickfilme – per se als Kinderfilme wahrzunehmen. Vielleicht entfalten gerade deshalb dann manche dieser Werke, die sich explizit nicht an ein junges Publikum richten, eine so große Wirkung. Weil die grotesken Wesen, die hässlichen Monster, der Dreck, das Düstere, das Bedrohliche, Schmutzige so gar nicht zu den Erwartungen passen, die mit dieser Animationstechnik oft verbunden werden. Die Filme der Brüder Timothy Quay und Stephen Quay passen in diese Kategorie. Oder eben „Mad God“ von Phil Tippett, ein Film, der allein schon durch seine mehr als dreißig Jahre andauernde Produktionszeit Legendenstatus hat und 2021 dann beim Festival von Locarno zum ersten Mal in all seiner verstörenden Pracht zu sehen war.

Eine späte Regiearbeit des Visual-Effects-Großmeisters

Phil Tippett, Jahrgang 1951, legt mit diesem Film seine gerade mal zweite Langfilm-Regiearbeit (nach einer „Starship Troopers“-Fortsetzung aus dem Jahr 2004) vor; ein Großer des US-Kinos ist er aber trotzdem – wegen seiner Leistungen in Sachen visuelle Effekte und Animation, die ihm im Lauf seiner Karriere zahlreiche Preise eingebracht haben, darunter einen „Oscar“ für „Jurassic Park“. Von den ersten „Star Wars“-Filmen über „Indiana Jones und der Tempel des Todes“ und „Willow“ bis zu „Dragonheart“ hat Tippett den Look des fantastischen Kinos in den 1980er- und 1990er-Jahren mitgeprägt. Sein unabhängig produzierter Film „Mad God“, der überwiegend durch Spenden finanziert wurde, ist ganz offensichtlich ein Herzensprojekt.

Wobei der Begriff „Herz“ auf eine falsche Fährte führen könnte, denn was hier zu sehen ist, ist geradezu das Gegenteil von herzig. „Mad God“ öffnet einen Blick in Abgründe jedweder Art. Mit der Hybris der Menschheit, dem Turmbau zu Babel, beginnt die Geschichte. Und offenbar war alle göttliche Drohung umsonst, hat sich die Welt nach dem kurzen Vorspann doch bereits in ein Inferno verwandelt. Ein namenloser Attentäter, dessen Gesicht hinter einer Gasmaske verschwindet, wird in diese Welt geschickt, um sie zu zerstören. Sein Weg in die Tiefe ist gesäumt von Schleim, von Knochen, von Dreck. Er passiert Götzenbilder und durchstreift Folterkeller, bis er seinen Koffer mit einer Bombe abladen kann – und doch noch aufgegriffen wird.

Groteske Höllenvision

Gesprochen wird kein Wort in diesem Film, dafür geschrien und gebrüllt, aus Wut oder vor Schmerzen. Aber um das Wer oder das Warum geht es ohnehin kaum, sondern vielmehr um das Was und das Wo. Mit brutaler Detailfreude hat Tippett mit seinem Team diese höllische Welt nachgebaut, eine Mischung aus Stahl und Dreck, aus Braun- und Ockertönen. Das erinnert bisweilen ein wenig an Steampunk, ist letztlich aber vor allem von den morbiden Gemälden von Pieter Brueghel oder Hieronymus Bosch inspiriert. Was Tippett dann zeigt, ist schlicht widerlich. Da wird gefoltert, zerstückelt, ausgeweidet, erbrochen und ausgeschieden – in die offenen Münder anderer Kreaturen.

Es gibt Zombies und Gnome, Wesen, deren primäre Geschlechtsorgane bedrohlich in Szene gesetzt werden und die fast auf diese reduziert werden. Wenn David Lynch mit „Eraserhead“ auch seine Ängste vor dem Vaterwerden verarbeitet hat, dann will man vielleicht gar nicht so genau wissen, welche Gedanken genau Phil Tippett bei dieser Produktion umgetrieben haben.

Der Mensch ist unbelehrbar

Manchmal wirkt es so, als ob der Regisseur selbst sich mit geradezu biblischer Wut über die Gesellschaft auskotzt. Über die Behandlung von Arbeitern, die nur als austauschbares Material dienen, die massenhaft erschaffen, verbrannt und zermalmt werden, über Kriegsführung, über die sadistische Freude an der Zerstörung auch in kleinen paradiesischen Spielwelten. Auch der Film kennt nur die Zerstörung als Lösung, wenngleich die Hoffnung auf eine bessere Zukunft nach der tabula rasa sofort wieder im Keim erstickt wird. Der Mensch ist, nach Tippett, offensichtlich unbelehrbar und zum stetigen Scheitern verurteilt.

Eine Faszination für das Groteske spricht aus seinen Bildern und eine Lust am Schockieren, die ihre Wirkung nicht verfehlt. Es ist fraglich, inwieweit das zur Schau gestellte Grauen hier nicht auch selbstzweckhaft ist. Visuell jedenfalls experimentiert Tippett mit unterschiedlichsten Zugängen. Obwohl weitgehend in Stop-Motion animiert, lässt er in manchen Szenen auch reale Menschen auftreten – unter anderem den Regisseur Alex Cox als „Last Man“ –, mal setzt er auf theatralisch dargebotene Schattenspiele, mal greift er dezent auf Computeranimationen zurück.

Mitternachtskino pur

Die Mischung der Techniken hat er sich von Karel Zeman abgeschaut, den er ebenso verehrt wie Ray Harryhausen. Dadurch wird umso deutlicher, wie sehr Tippett für das experimentelle Kino brennt. Auch seine Modelle für Hollywood-Großproduktionen wie „Star Wars“, „RoboCop“ oder „Jurassic Park“ mögen etwas Schauriges an sich haben – in „Mad God“ sind all die Modelle allerdings auch noch in einer gleichsam schaurigen Welt verortet.

„Mad God“ ist Mitternachtskino pur. Ein radikaler, schmutziger Gegenentwurf zu den majestätischen Bildern aus Kubricks „2001“, dessen Ikonografie er manchmal wie durch einen gebrochenen Spiegel zu zitieren scheint, ein Trip und eine Zumutung viel mehr als ein Geschichtenangebot. Vielleicht vor allem ein künstlerischer Aufschrei.

 

Erschienen auf filmdienst.deMad GodVon: Stefan Stiletto (27.5.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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