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Filmkritik
Théo, Spitzname Ameise, ist der Star einer Schülermannschaft im Norden Frankreichs. Ein begnadeter Kicker, aus dem einmal ein Star werden könnte. Glaubt zumindest sein Trainer. Und sein Vater Laurent sowieso. Einerseits freut sich Theo, wenn Laurent ihn vom Spielfeldrand anfeuert, andererseits ist ihm sein größter Fan aber auch peinlich. Denn zumeist ist der arbeitslose Vater sturzbetrunken und droht den Schiedsrichtern regelmäßig eine Tracht Prügel an, wenn die ein Foul an seinem Sohn übersehen haben.
Der Ruf nach London
Eines Tages schaut ein Talentscout des FC Arsenal bei einem Spiel vorbei und sucht anschließend das Gespräch mit Théo. Der Mann aus London lobt seine Qualitäten, sagt aber dann, dass er aufgrund seiner für sein Alter zu geringen Körpergröße für den Verein in der Premier League nicht in Frage komme. Auch Théos Verweis auf Lionel Messi und Antoine Griezmann, die auch keine Riesen seien, verfängt nicht.
Dass es gleich ein Vertreter des FC Arsenal ist, der hier in der Provinz auftaucht (ein Vertreter eines französischen Drittligisten wäre sicher näher an der Realität), ist erstaunlich, für die Dramaturgie von „Lügen haben kurze Beine“ aber so wichtig wie der Umstand, dass der Scout allein mit Théo spricht. Im echten Leben würden in einem solchen Fall sicherlich der Erziehungsberechtigte und der Trainer miteinbezogen. Aber so kann der 13-jährige Théo seinem Vater erzählen, dass der Mann aus England zugesagt habe, ihn in das Arsenal-Internat aufzunehmen.
Théo ist eigentlich kein Aufschneider, sondern er hat letztlich nur gelogen, um seinem Vater eine Freude zu machen. Denn so sehr Laurent ihm bisweilen auf die Nerven geht, liebt er ihn doch inständig. Und bedauert ihn zugleich aus ganzem Herzen. Denn nach dem Verlust seines Jobs hat Théos Mutter ihn wegen seiner Sauferei verlassen. Während Laurent bei einer entfernten Verwandten untergekommen ist, wohnt der Sohn nun bei seiner Mutter und deren neuem Freund.
Ein schwieriges Vater-Sohn-Verhältnis
Im Verein und in der ganzen Gegend ist man mächtig stolz auf Théos Deal mit Arsenal, und sein Vater lässt sogar vom Suff ab. Schließlich will er seinen Sohn nach London begleiten. Doch irgendwann dämmert Théo, dass ihm die Konsequenzen seiner Lüge über den Kopf zu wachsen drohen. Eingeweiht hat er nur seinen besten Freund Karim und den Computer-Nerd Max. Der hat sich sogar in den Arsenal-Account gehackt und schickt nun ständig Mitteilungen und Vertragsentwürfe seitens des Vereins.
Wie Max an seinem Treiben immer mehr Gefallen findet und schließlich auf die absurdesten Ideen kommt, sorgt für die amüsantesten Sequenzen dieses Jugendfilms, der ansonsten eher etwas fürs Gemüt ist. Wobei der Fußball eine eher untergeordnete Rolle spielt. Zwar gibt es zum Finale ein alles entscheidendes Spiel, doch im Mittelpunkt des Geschehens steht eindeutig das schwierige Vater-Sohn-Verhältnis, das von beidseitiger Liebe getragen ist. In Rückblenden sieht man Aufnahmen aus glücklichen Zeiten, als die Familie noch beisammen war und Laurent mit dem kleinen Théo auf dem Rasen kickte. Wenn der Sohn nun realisiert, dass es durch seine Lüge vielleicht wieder so werden könnte wie damals, wächst zugleich die Angst, mit seiner Geschichte aufzufliegen und alle Hoffnungen wieder zunichtezumachen. „Du bist für deinen Vater nicht verantwortlich“, erklärt ihm eine Freundin.
Eher märchenhaft denn realistisch
Mit Maleaume Paquin besitzt der Film einen jungen Hauptdarsteller, der an der Seite von Stars wie André Dussollier als Trainer und François Damiens als Laurent diesen Zwiespalt glaubwürdig verkörpert. Der nach einer Comicvorlage entstandene Film beschreitet dramaturgisch und inszenatorisch allerdings gänzlich konventionelle Wege, und manche Figuren wie etwa ein tumber Bäcker, der den jungen Kickern ständig Kuchen aufschwatzt, bleiben in ihrer Funktion schlicht rätselhaft. Wie dem Film überhaupt etwas Straffung gutgetan hätte. Dass es hier in vielen Punkten eher märchenhaft denn realistisch zugeht, mag in Anbetracht der eher jüngeren Zielgruppe verzeihlich sein. Doch auch Kinder werden als Kinopublikum bisweilen unterschätzt.