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Filmkritik
„Der kleine Ausreißer“ stammt aus der knapp bemittelten Eigenproduktion von Morris Engel und seiner Frau Ruth Orkin und könnte „als Amerikas konsequentester und überzeugendster Beitrag zum Neorealismus“ gelten. Er entstand außerhalb des Routinebetriebs. Das merkt man dem Film auf Schritt und Tritt an. Er ist frisch, spontan, aufrichtig antikonformistisch und aus der Liebe zur Sache geboren, eine vorweggenommene „Neue Welle“ im besten Sinne des Wortes. Man kann ihn mit Meisterwerken wie „Menschen am Sonntag“, „Ein Sonntag im August“, „Louisiana-Legende“ oder „Sie küßten und sie schlugen ihn“ in einem Atemzug nennen.
Aus den Augen eines Siebenjährigen
Das unkommerzielle Merkmal der Star- und „Handlungs“- Verachtung teilt er mit ihnen ebenso wie den Vorzug, durchaus alltägliche, gewohnte Dinge mit neuen Augen sehen zu lassen. Dies geschieht aus dem Gesichtswinkel eines Siebenjährigen. Joey (Richie Andrusco) und sein älterer Bruder Lennie (Rickie Brewster) sind zwei New Yorker Jungen. Die Mutter lässt sie, als sie eine Besuchsreise antreten muss, zwei Tage allein. Lennie, der Ältere, soll Joey in seine Obhut nehmen. Doch er wird des kleineren Bruders überdrüssig, weil dieser ihn daran hindert, mit den gleichaltrigen Freunden zu spielen. Deshalb greift er zu einer List: Beim Spiel mit einem Luftgewehr bringt er es zuwege, Joey glauben zu machen, er habe seinen älteren Bruder angeschossen.
Joey flieht nach Coney Island, dem populären Rummelplatz von New York. Dorthin wollte er schon lange einmal. Von den Möglichkeiten des Abenteuers, der Augenreize und den Schleckereien des Vergnügungsortes verlockt, vergisst er bald, was ihn hergetrieben hatte. Er verbringt auch die Nacht in Coney Island. Angstvoll sucht ihn Lennie, der ihn aber erst wenige Minuten vor der Rückkehr der Mutter findet. Diese wird von dem geheimen Ausflug des Jüngsten nie etwas erfahren, da sie ihre beiden Jungen zu Hause friedlich vor dem Fernsehgerät antrifft.
Die Freuden und Ängste der Kinderwelt
Der Film errang 1953 beim Festival in Venedig einen Biennale-Preis. Er dringt mit seiner Darstellung tief in die Freuden und Ängste der Kinderwelt ein. Möglich wurde das nur deshalb, weil sich die Erwachsenen aufs Erstaunlichste in die Psyche des aufgeweckten Knaben mit seiner besonderen Optik, seiner Perspektive und Sehweise hineinzusetzen vermochten. Diese psychologische Verwandlung ist großartig gelungen. Wir empfehlen den Film dem anspruchsvollen Studio-Publikum.