- RegieKurt Hartel
- ProduktionsländerDeutschland
- Dauer89 Minuten
- GenreDokumentarfilm
- Cast
- AltersfreigabeFSK 0
Vorstellungen
Filmkritik
23 Jahre nach „Buena Vista Social Club“ von Wim Wenders porträtiert der deutsche Filmemacher Kurt Hartel erneut die kubanische Latino-Musikszene. Während sich Wenders 1999 weitgehend auf die Lebensumstände und Auftritte der alten Musiker aus der gleichnamigen Band beschränkte, wagt sich der Kuba-Liebhaber Hartel an eine Gesamtbetrachtung des vielfältigen Musiklebens auf der karibischen Insel.
Gleich zu Beginn erkundet Hartel den kulturellen Schmelztiegel der Hauptstadt Havanna und stellt Bands wie „Habana Ensemble“, „Bandancha“ oder „Septeto Son Tropical“ sowie deren Musiker vor. Drei von ihnen kommen immer wieder zu Wort und lassen an ihrem umfangreichen Wissen über die kubanische Populärmusik teilhaben. Es sind der Saxofonist César López, der legendäre Jazz-Schlagzeuger Bobby Carcassés und der Musikhistoriker Olavo Alén.
Der Klang der Hölzer
Alén erklärt auch den titelgebenden Begriff „Clave“ (spanisch für Schlüssel): ein Instrument aus zwei Holzstäben, die gegeneinandergeschlagen werden. Es entstand in kubanischen Werften, wo früher Schiffe aus Europa repariert wurden. Dabei kamen Holznägel zum Einsatz, die in die Holzwände der Boote geschlagen wurden. Clave bezeichnet aber auch einen spezifischen Rhythmus. Für Alén ist es der Leitrhythmus der kubanischen Populärmusik. Er bildet eine stabile rhythmische Grundstruktur, auf der das übrige musikalische Geschehen aufbaut. Das Klick-Klack der Holzstäbe taucht denn auch als Leitmotiv im Film immer wieder auf.
„La Clave - Das Geheimnis der kubanischen Musik“ beleuchtet die historischen Wurzeln der aktuellen Musikstile und ihre spezielle Fusion aus afrikanischen und europäischen Traditionen. Man sieht mitreißende Auftritte von Rumba- und Salsa-Bands sowie von Tanzgruppen, deren Lebensfreude ansteckend wirkt. Und er führt die hypnotischen Rhythmen der Congas bei Zeremonien der Orisha- und der Yoruba-Religion vor. Nostalgische Reminiszenzen an eine vermeintlich Goldene Ära der kubanischen Musik werden allerdings vermieden.
Große Aufmerksamkeit widmet Hartel den Kindern, die die kostenfreien Musikschulen besuchen, verschiedene Instrumente lernen und sich offenbar mit großer Hingabe einheimische Musik- und Tanzformen wie Rumba, Conga und Bolero aneignen. Wie wichtig die Musik als kulturelle Leitgattung in Kuba ist, lässt sich auch daran ablesen, dass es dort mehr Musikschulen pro Einwohner als in jedem anderen Land der Welt gibt.
Eine ansteckende Vielfalt
Kurt Hartel ist ein promovierter Physiker, der in seinem beruflichen Leben schon vieles ausprobiert hat. Er arbeitete in der Forschung und als Unternehmer, spielt seit seiner Jugend Tenorsaxofon und Schlagzeug in einer Jazzband, ist passionierter Bergsteiger und Skifahrer. Als das Multitalent 2006 erstmals Havanna besuchte, ließ er sich von der großen musikalischen Vielfalt so sehr anstecken, dass daraus die Idee entstand, sie in einem Kinodokumentarfilm einzufangen.
Sechs Jahre und 20 Kuba-Reisen später war das Herzensprojekt nach vielen Schwierigkeiten umgesetzt. 2017 hatte Hartel seine Produktionsfirma Lautrazfilm gegründet, um das selbst finanzierte Projekt möglichst unabhängig realisieren zu können. 2019 wurde sein Debütfilm unter dem Titel „Musica Cubana – A Story to Be Told“ auf dem Filmfest Braunschweig uraufgeführt.
Auffällig ist aber, dass Hartel die politische Dimension weitgehend ausblendet. Zwar ist davon die Rede, dass die Revolution in dem kommunistisch regierten Karibikstaat die Freiheit in ein Land gebracht habe, in dem 300 Jahre lang Sklaven gehalten wurden. Doch die Unterdrückung von Dissidenten und Oppositionellen, die leidige Mangelwirtschaft, der wachsende Kontrast zwischen Wohlstand und bitterer Armut oder die andauernde Emigration bleiben ausgespart. Hier wäre eine stärkere Kontextualisierung nötig gewesen; schließlich findet Musik nicht im luftleeren Raum statt.
Die Allgegenwart der Musik
Umso mehr feiert der Film die Allgegenwart der Musik im Alltag. Sowohl bei den Kindern als auch den Erwachsenen ist die Leidenschaft spürbar, mit der sie musizieren und die Musik zelebrieren, egal ob in der Schule, auf dem Hinterhof, auf der Straße oder der Bühne. Schade ist allerdings, dass die Stücke und Auftritte fast immer nur angerissen werden und die Statements der Musiker auf wenige Sätze beschränkt bleiben. Dazwischen sind gelegentlich knappe, bunt zusammengewürfelte Bildsequenzen von Straßen, Küsten, Wohnvierteln und Landschaften eingeschoben. Auf diese Weise entsteht ein etwas kurzatmiges Mosaik aus musikalischen Impressionen und spannenden Informationen, dem aber der Tiefgang mangelt und die kritische Distanz.