- ProduktionsländerÖsterreich
- Produktionsjahr2023
- Dauer90 Minuten
- GenreDokumentation
- AltersfreigabeFSK 6
- IMDb Rating6.5/10 (23) Stimmen
Cast
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Filmkritik
Ein Zoologe öffnet den Kadaver einer Hirschkuh. Das übernehmen sonst die Wölfe. Für die Krähen, die der Mann mit der nun aufgeschlitzten Tierleiche anzulocken gedenkt, macht es kein Unterschied, wer der Jäger ist. Sie brauchen ihn nur, um die Hülle des Körpers zu öffnen, der ihr Mahl werden soll. Tatsächlich waren es die Krähen selbst, die den Forscher auf die Spur der verendeten Hirschkuh geführt haben. Ihr Kreisen und der Lärm ihrer Rufe haben den Zoologen Bernd Heinrich angelockt, der hier die notwendige Vorarbeit leistet. Es ist das erste von dutzenden Beispielen für die enorme Findigkeit der Rabenvögel, die Menschen von der prähistorischen Zeit bis heute begleiten.
Neue Heimat Stadt
Die Krähe ist der Menschheit gefolgt. Sie hat den enormen Sprung vom Jäger- und Sammler-Dasein bis in die vernetzte High-Tech-Welt problemlos mitgemacht und lebt noch immer in der Nähe des erfolgreichsten Jägers des Planeten. Nicht nur in der Wildnis bietet diese Nähe Vorteile. Die Rabenvögel lieben auch die Zivilisation; sie haben sich im urbanen Leben eingerichtet, das für unzählige andere Vogelarten meist das Aussterben nach sich zieht.
Der Film „Krähen – Die Natur beobachtet uns“ sucht sein Leitmotiv aber nicht nur in der Beziehung zwischen Mensch und Krähe, die etwas komplizierter und deutlich weniger harmonisch ist als die Symbiose, die der Rabenvogel mit dem Wolf eingeht. Es ist der Mensch selbst, mit dem die erstaunliche Kombination aus Neugier und Intelligenz der Vögel verglichen wird. Das Sozialverhalten, die Fähigkeit zu lernen und sich anzupassen oder die Fähigkeit der Krähe, Werkzeuge zu verwenden: alles wird auf den Menschen bezogen, diesen den Planeten dominierenden Generalisten. Das geht so weit, dass der Film die Nebenbemerkung eines Wissenschaftlers, Krähen würden ihre Werkzeuge wie Menschen verfeinern, zum Anlass nimmt, sich eine Evolution der Corvidae bis zur Raumfahrt vorzustellen. Das ist natürlich nur ein Scherz, aber er steht emblematisch für die Schwierigkeit, Wissenschaft, Trivia und Mythologie zu einem Narrativ zusammenzuschnüren.
Ein wenig disparat
Auch visuell wirkt der Film ein wenig disparat. Was „Krähen – Die Natur beobachtet uns“ mit Drohnenaufnahmen in der Wildnis oder dem gut getimten Einsatz langer Brennweiten an Bildgewalt auffährt, fällt dort, wo die Landschaft nicht beeindrucken kann, auf das Bildrepertoire der Reportage zurück: Wissenschaftler machen Notizen, bereiten ihr Tonequipment vor oder legen Köder für die Versuchsobjekte aus.
Sein Leitmotiv hat der Film schnell gefunden, aber die dazugehörige Zuspitzung entgleitet ihm immer wieder. Inhaltlich ist das nicht uninteressant. Die Zoologen und Biologen, die zu Wort kommen, decken eine große Brandbreite an Forschungsgebieten mitsamt deren Thesen ab. Die Krähen-Habitate, die dabei besucht werden, reichen von der Einsamkeit der borealen Nadelwälder über Wiesenlandschaften in Niedersachsen bis zum Wiener Prater, in die Häuserschluchten Tokios und auf einsame Inseln.
Das Verhältnis zwischen Homo sapiens und Corvidae bekommt dabei immer neue Perspektiven und klangvolle Namen aufgedrückt, aber die neophilen Vögel oder „schwarzen Chronisten der Menschheit“, wie es Elke Heidenreich als Märchentante im Voice-Over bedeutungsschwanger in den Film raunt, finden nie wirklich ihren Platz im disparaten Gefüge der Handlung.
Odins Raben Hugin & Munin
Der Film erzählt von Aesop, schaut zu, wie dessen Fabel wissenschaftlich auf die Probe gestellt wird, wirft Odins Raben Hugin und Munin als filmischen Nebensatz ein und gibt eine indigene Perspektive auf das Verhältnis zwischen den Spezies dazu. Die eingeschobenen Animationen illustrieren Mythos und Aberglaube. Dennoch steht hier zu vieles nebeneinander und findet zu weniges zusammen, um den Film von Martin Schilt aus dem „Was Sie schon immer über Krähen wissen wollten“-Modus zu befreien.