Vorstellungen
Filmkritik
Karlchen hat Geburtstag. Endlich wird er fünf Jahre alt! Er freut sich auf Zeit mit seinen Eltern, die mit zur Oma kommen wollen. Aber dann gerät etwas dazwischen, nämlich seine kleine Schwester, von der er selbst sagt: „Sieht zwar niedlich aus, kann aber schrecklich nerven.“
Weil das kleine Kind auf einmal hohes Fieber hat, müssen die Eltern zum Arzt; Karlchen soll nebenan bei seiner besten Freundin bleiben. Aber das passt dem Geburtstagskaninchen heute gar nicht in den Kram, auch weil der Nachbarshund so sabbert. Und mit den Stofftieren Mensch-ärgere-dich-nicht zu spielen, ist auf Dauer zu langweilig.
Also packt er seinen Bollerwagen voll Bettzeug und Spielzeug und macht sich davon. „Wir gehen jetzt zu Oma. Und dann bleiben wir bei ihr, für immer!“ Auf dem Spielplatz gleich nebenan ist eine erste Zwischenstation. Dann geht es in den Wald, wo er sich nicht wirklich auskennt. Er verliert das eine oder andere Stofftier, auch ein wenig Proviant sowie die leere Packung Möhrengummibärchen und landet schließlich, im Bollerwagen sitzend, in einem Froschteich, angequakt von rechts und links.
Mini-Abenteuer von Rotraut Susanne Berner
Karlchen ist bei kleinen Kindern aus mittlerweile unzähligen Geschichten bekannt, geschrieben und gezeichnet von Rotraut Susanne Berner. Lauter grundsympathische Mini-Abenteuer in einer bürgerlichen Kleinfamilie mit langen Ohren. Berner ist auch für ihre Wimmelbücher bekannt, die spürbar in der Tradition der Bilderbücher von Ali Mitgutsch stehen, aber moderner und auch bewusst inklusiver sind (Rollstühle sind bei Berner kein seltener Anblick); zugleich sind ihre Veröffentlichungen jedoch auch glatter, weniger widerborstig und etwas braver.
Auch „Karlchen – Das große Geburtstagsabenteuer“ liefert also keine Gesellschaftskritik und auch keine großen Überraschungen, dafür aber genau das, was der Titel ankündigt – und das in Perfektion.
Denn für das anvisierte Zielpublikum aus dem Kindergarten und den ersten Grundschulklassen, den Altersgenossinnen und -genossen von Karlchen, zeigt der Film ein wirkliches Abenteuer aus ihrer Perspektive. Einen Aufbruch, ganz allein, in die weite Welt, in den Wald, ins Abenteuer. Es ist Karlchens beste Freundin (und Nachbarin) Monika, die ihn mit ihrem Hund (dem sabbernden) aus dem Teich befreit. Doch dann geht es noch tiefer in den Wald und es kommt ein Sturm.
Kleine Lieder helfen weiter
Das alles ist wirklich sehr aufregend. Für kurze Zeit womöglich für kleinere Kinder sogar etwas zu düster und beängstigend, aber natürlich geht alles gut aus. Kleine Lieder helfen durch scheinbar ausweglose Situationen, und während erst Monika nach Karlchen und schließlich die Eltern gemeinsam nach Monika und Karlchen suchen, sucht auch noch das Haustier Perlhuhn nach seinem Küken; es wimmelt schon ein wenig hin und her.
Die Bilder und Figuren sind vertraut, in Berners Stil gehalten und ruhig animiert; die Hintergründe sind gemalt, getuscht und dadurch mit Tiefe und der Ahnung von noch mehr Welt versehen. Zugleich findet sich die Perspektive der Hauptfiguren darin wieder: Großes wird schnell zu groß, das Dickicht undurchdringlich, ein Loch im Boden ziemlich tief. Auf diese Weise gelingt es dem Film, sowohl beruhigend vertraut zu bleiben und doch immer – auf Augenhöhe der Figuren und des Publikums – zugleich spannend.
Eine clevere Geschichte
Regisseur Michael Ekblad schafft es wie zuvor schon in seinem meisterhaften „Molly Monster“, die Handlung in kleine, kindgerechte Schritte aufzuteilen und Spannung zu erzeugen, ohne auf einen Antagonisten oder eine übertriebene Bedrohung zurückgreifen zu müssen. Dafür sorgt das Drehbuch von Aje Andrea Brücken, das den Geist der sehr kurzen Geschichten einfängt und sinnvoll in eine größere Handlung überträgt.
Dazu gehört auch, dass die Kinder (neben Karlchen und Monika treten noch ihre Freunde Wilhelm und Friedrich auf, die im Wald nach Beeren suchen) keineswegs nur brave Langweiler sind; vor allem Karlchen kann ganz schön launisch und ungerecht werden.
Als Erzähler stellt er anfangs sich und alle anderen Figuren vor, das gibt einen sicheren Rahmen. Nur beim Fuchs, der im Wald herumstreunt, ist er sich nicht so sicher; da kommt dann auch die Anthropomorphisierung der Kaninchenkinder womöglich an ihre Grenzen. Denn für wen ist der Fuchs eigentlich gefährlich? Für Perlhuhns Küken oder auch für die Hasenkinder?
Es sind diese kleinen Details, Ambivalenzen und Offenheiten, die aus „Karlchen – Das große Geburtstagsabenteuer“ eben doch etwas mehr machen als „nur“ einen Trickfilm für Kinder. Das ist schon eine clevere Geschichte, auf die die Eltern womöglich auch eine etwas andere Perspektive haben als ihre Kinder.