Vorstellungen
Filmkritik
Während Carole Lamarre (Noémie Lvovsky), die leidenschaftliche Bürgermeisterin einer französischen Kleinstadt, bei den Vorbereitungen für Heiligabend hilft, bemüht sich ihr Ehemann Alain (Didier Bourdon) nach Kräften um ein gelungenes Fest. Dazu gehört vor allem die Überzeugungsarbeit bei seinen erwachsenen Kindern, an Heiligabend auch leibhaftig anwesend zu sein.
Doch das Verhalten der Kinder lässt sich mit den traditionellen Vorstellungen von Weihnachten nicht mehr so einfach vereinbaren; der Nachwuchs der Lamarres hat offensichtlich kaum Interesse an herkömmlicher Festlichkeit. Doch Alain beweist Geschick, und so trudeln Sohn David (Jules Sagot) gemeinsam mit seiner Schwester Sarah (Alice Daubercour) und deren Freund Balthazar (Christophe Montenez) für die Festtage im elterlichen Haus ein. Der Frieden ist allerdings bald gestört. Denn Carole bekommt mit, dass eine Petition gegen sie gestartet wurde, mit dem Ziel ihrer Abwahl. Außerdem lungert ein Zwergschwein im Garten herum. Das ist das Werk der jüngeren Tochter Noa (Janaina Halloy), für deren Tierschutz-Ideen die Mutter keinerlei Verständnis hat.
Die Eltern verstehen ihre Kinder nicht
Das gilt für den gesamten Verlauf der französischen Komödie „Frohes Fest“ von Jeanne Gottesdiener: Die Eltern können sich nicht wirklich für die Überzeugungen ihrer Kinder erwärmen. So fährt Alain lieber Auto, als dem Ratschlag von Noa zu folgen und Fahrrad zu fahren. Auch über die Herkunft der Lebensmittel brandet immer wieder Streit auf. Alain versucht zwar, den Anschein zu wahren und nur nachhaltige Zutaten einzukaufen. Doch auf den Truthahn will er nicht verzichten, weshalb er lieber das Label fälscht, als 69 Euro für die Bio-Variante auszugeben.
Während der Vater also lieber schummelt und den Kindern trotzdem Verständnis signalisiert, fehlt es der Mutter komplett am Einfühlungsvermögen gegenüber den Interessen und Vorsätzen ihrer Kinder. Sie weist sie oft brüsk ab, etwa wenn Noa das Zwergschwein loszuwerden und das Gehege im Garten abbauen soll, anstatt nach den Beweggründen der Tochter zu fragen. Auch sonst können sich die Eltern mit dem Engagement der jüngeren Generation nur schwer identifizieren. Selbst die neue Verkaufsidee von Sarah, die nachhaltig produzierte Kleidungsstücke anbieten will, lässt sie unbeeindruckt und etwas überfordert auf dem Sofa sitzen. Zwar kann man das Verhalten von Carole und ihrem Ehemann auch darauf zurückzuführen, dass sie bei der angekündigten „Überraschung“ von einer Schwangerschaft ausgingen; doch die matte Zustimmung zu Sarahs kreativer Idee lässt deutlich zu wünschen übrig.
Ständige Anpfiffe, kaum Lösungen
Auch in anderen Punkten, etwa in Sachen Nachhaltigkeit, scheinen die Eltern den Anschluss verpasst zu haben. So blicken sie bei der Mülltrennung nicht mehr durch und scheinen auch kein Interesse zu haben, das zu ändern. Die Kinder finden das erschreckend und sind immer genervter vom rücksichtslosen Verhalten ihrer Eltern. Wobei Carole und Alain außer den ständigen Anpfiffen allerdings auch nie Lösungs- oder Veränderungsvorschläge präsentiert werden.
Regisseurin Jeanne Gottesdiener und ihre Co-Autorin Julie Ponsonnet legen „Frohes Fest“ als permanenten Wechsel aus Beschwerden und Kompromissen an, wobei die Kompromisse nicht wirklich eingehalten werden. Da man bei jeder ruhigen Minute des Films eine neue Katastrophe erwarten muss, ermüdet die Handlung zusehends, zumal auch die meisten Wendungen absehbar sind. Selbst der Unfall und die darauf gründete Petition zur Abwahl von Carole sind voraussehbar; allerdings versteht man nicht so recht, warum Alain darauf so negativ reagiert. Einzig die traditionellen Rollen von Frau und Mann, welche bei Carole und Alain fast umgekehrt wurden, lassen darauf schließen, dass man mit dem abweisenden Verhalten Alains die maskulinen Charakterzüge der taffen Bürgermeisterin hervorheben möchte. So weiß sie simple Alltagsdinge nicht, etwa dass man den Backofen anschalten muss, wenn man etwas braten möchte. Solche Drehbuchsetzungen lassen Caroles Charakter unnatürlich erscheinen und untergraben die Autorität der Figur.
Die Kulisse von „Frohes Fest“ wechselt zwischen den Bildern einer überschaubaren Kleinstadt und dem Hause der Lamarres, in dem über drei Tage hinweg versucht wird, Weihnachten zu feiern. Auch wenn der Schnee ausbleibt, dürfen die Weihnachtsbahn und große Weihnachtsmänner nicht fehlen; selbst eine Krippe gibt es. Das Ausmaß der Dekorationen lässt erahnen, wie sehr die Figuren Weihnachten in ihr Leben einbeziehen. Während man im Garten der Lamarres neben einer kläglich kleinen Kutsche nur Schilder fürs Tierwohl findet, kann sich die festliche Dekoration von Caroles Konkurrenten um das Bürgermeisteramt durchaus sehen lassen. Auch wenn dies gleich wieder ein Anlass ist, den Frieden in dessen Garten zu stören.
Friede, Freude, Fleischpastete
„Frohes Fest“ ist dennoch eine Mogelpackung. Fragen der Nachhaltigkeit sowie zu den Ursachen des Klimawandels werden zwar vielfach angesprochen, aber nicht vertieft. Etliche Themen wie die korrekte Mülltrennung oder der nachhaltige Einkauf bieten Raum für oberflächliche Gags, werden dann aber schnell wieder fallengelassen. Als Zuschauerin hofft man, dass Alain und seine Frau etwas von dem weiterführen, was sich ihre Kinder so dringend wünschen. Die Fleischpastete zumindest kommt beim nächsten Friede-Freude-Weihnachtsfest gewiss nicht mehr auf den Tisch.