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Filmplakat von Ein Neues Leben

Ein Neues Leben

93 min | Drama | FSK 12
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Gadehas mittellose Familie lebt in einem ärmeren Viertel der Stadt. Als der Zwölfjährige mit seinen Freunden am Strand unterwegs ist, stehlen diese ein Smartphone, und die Jungen müssen vor der Polizei fliehen. Dabei gerät Gadeha vor ein Auto und wird angefahren. Im Krankenhaus kommt er wieder zu sich, und plötzlich ist alles anders. Seine Mutter und seine Schwester sind ins Haus von Malika und Moez gezogen. Das wohlhabende Paar unterstützt die Familie nicht nur finanziell und zahlte Gadehas Krankenhauskosten, sie behandeln den Jungen sogar wie ihr Kind. Als ihr eigener Sohn Oussama nach einer geglückten Organtransplantation ebenfalls aus dem Krankenhaus entlassen wird, freunden sich die beiden Jungen schnell an. Oussama bringt Gadeha das Bogenschießen bei, Gadeha nimmt Oussama mit an den Strand und stellt ihm seine Freunde vor. Doch irgendein dunkles Geheimnis scheint auf allem zu lasten. Immer wieder sieht Gadeha die drei Erwachsenen im Haus miteinander verschwörerisch tuscheln. Und in einer Schublade seiner Mutter findet er eine größere Geldsumme. Seinen Fragen weicht die Mutter jedoch aus. Langsam wächst in Gadeha ein furchtbarer Verdacht.
Ein ganz aus der Sicht der Minderjährigen erzähltes, bewegendes Familiendrama, dessen existenzielle Tragweite sich erst nach und nach entfaltet. Einfühlsam beleuchtet der Film die seelischen Folgen einer durch materielle Not motivierten Organtransplantation für eine Familie, die daran zu zerbrechen droht.

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Filmkritik

Der zwölfjährige Gadeha (Yassine Tormsi) lebt mit seiner mittellosen Mutter Borkana (Dorsaf Ouertatani) und seiner kleinen Schwester in einem armen Viertel der tunesischen Hafenstadt Hammamet. Sein Vater ist schon vor Jahren mit einem Schlepperboot in Richtung Italien aufgebrochen; seither hat die Familie nichts mehr von ihm gehört. Eines Tages vergnügt sich Gadeha mit zwei gleichaltrigen Freunden am Strand. Als einer der beiden ein Smartphone stiehlt und alle drei Hals über Kopf fliehen, wird Gadeha von einem Auto angefahren. Im Krankenhaus kann die Mutter die Behandlung nicht bezahlen. Zum Glück hilft eine wohlhabende Familie aus, deren Sohn Oussama (Ahmed Zakaria Chiboub) ebenfalls in der Klinik behandelt wird. Die Eheleute Malika (Chema Ben Chaabane) und Moez (Jamel Laroui) übernehmen die Kosten.

Irgendetwas stimmt hier nicht

Als Gadeha wieder zu Bewusstsein kommt, hat sich sein Leben gravierend verändert. Seine Mutter und Schwester sind ins weitläufige Haus der Gastfamilie gezogen, die Gadeha wie einen weiteren Sohn behandelt. Sie zahlt sogar das Schulgeld für eine Privatschule. Als Oussama nach einer Nierentransplantation aus der Klinik nach Hause kommt, freunden sich die beiden Jungen an. Oussama bringt Gadeha das Bogenschießen bei, dafür nimmt er Oussama mit an den Strand. Doch nach und nach merkt Gadeha, dass irgendetwas hier nicht stimmt.

Yassine Tormsi verkörpert die ausgelassene Verspieltheit eines Jungen, der mit zwei Kleinkriminellen auf dem Moped singend am Strand entlangfährt, ebenso glaubhaft wie den tiefen Schmerz über den Verlust des Vaters, der die Familie allein zurückgelassen hat. Tormsi spielt auch die zentrale Verstörung von Gadeha, dessen Rufname auf Arabisch „Flamme“ bedeutet, mit erstaunlicher Reife und Prägnanz. Auf dem Gesicht des Laiendarstellers lassen sich die widerstreitenden Gefühlsregungen von der ersten leisen Ahnung bis zur bitteren Gewissheit ablesen: Seine Mutter hat einer Organspende zugestimmt und im Gegenzug dafür viel Geld und Obdach für ihre Familie erhalten.

Auch Ahmed Zakaria Chiboub meistert die Herausforderung seiner schwierigen Rolle überzeugend. Mit seinem natürlichen Spiel macht er glaubhaft, wie Oussama darunter leidet, dass seine Eltern über seinen Kopf hinweg entschieden haben. Denn er wusste nichts von ihrem Plan und wollte nicht, dass sein neuer Freund nun darunter leiden muss. Mit ihren Leistungen können die beiden Kinderdarsteller mit den professionellen erwachsenen Schauspielerinnen und Schauspieler problemlos mithalten.

Ohne Mitsprache der Kinder

Dass die beiden Jungen so schnell eine tiefe Freundschaft schließen, liegt auch daran, dass sie vieles gemeinsam haben. Gadeha und Oussama finden wechselseitig aneinander nicht nur eine Art Ersatzbruder; sie wurden beide auch von ihren Eltern übergangen und auf tragische Weise enttäuscht. Indem sie das Beste für die Heranwachsenden wollten, haben die Erwachsenen sie zum Opfer ihrer Entscheidungen gemacht.

Das Motiv der Nierentransplantation erinnert an das US-Filmdrama „Beim Leben meiner Schwester“ (2009) von Nick Cassavetes, in dem eine Familie die jüngste Tochter als Organspenderin für ihre ältere krebskranke Schwester bestimmt. Während bei Cassavetes das Mädchen aber gegen die unfreiwillige Spende rebelliert, wird Gadeha in „Ein neues Leben“ vor vollendete Tatsachen gestellt.

Der tunesische Regisseur Anis Lassoued erzählt in seinem Spielfilmdebüt konsequent aus Sicht der Minderjährigen und geht sehr behutsam mit der heiklen Thematik der kommerziellen Organtransplantation um. So erfährt man in einer Schlüsselszene, dass Gadeha weiß, dass seine Mutter aus ihrer materiellen Notlage heraus die lukrative Vereinbarung über die Transplantation getroffen hat, die für Oussama womöglich lebensrettend sein könnte.

Aus der Sicht des Protagonisten

In stummen Bildern und kurzen Dialogen zeigt der Film die allmähliche Verhärtung Gadehas, der sich enttäuscht und seelisch verletzt in sich zurückzieht und mit niemandem mehr sprechen will – weder mit Oussama noch mit seiner Mutter, gegen die er sogar aggressiv wird. Die Inszenierung meidet explizite Diskurse über die ethischen Implikationen der Entscheidung der Mutter. Dramaturgisch ist das nachvollziehbar, auch wenn man sich eine intensivere Auseinandersetzung mit dem moralischen Dilemma der Mutter gewünscht hätte.

Erschienen auf filmdienst.deEin Neues LebenVon: Reinhard Kleber (4.6.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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