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Filmkritik
Nintendo spielt keine Spiele. Die japanische Videospiel-Großmacht begeistert seit über 50 Jahren weltweit Kinder wie Erwachsene mit virtuellen Spielewelten – und das äußert erfolgreich. Wohl genau deshalb hat sich das Unternehmen aus Kyoto zunehmend zu einer eisern disziplinierten Unterhaltungsmaschine entwickelt, bei der die Entscheidungsträger jedes Produkt, unabhängig von äußeren Einflüssen aus Fan- oder Fachkreisen, auf der hauseigenen Goldwaage ausloten. Der Erfolg gibt den Nintendo-Managern Recht.
Die risikofreudigen Zeiten sind allerdings schon seit den 1990er-Jahren vorbei. Denn 1993 gingen die Japaner mit der Lizenz für die erste abendfüllende Videospiel-Verfilmung „Super Mario Bros.“ ein immenses Risiko ein. Das Ergebnis war ein Fiasko: Die Verfilmung scheiterte krachend an den Kinokassen. Enttäuschte Fans erinnern sich unter Schaudern an das Pilzkönigreich im schmuddeligen Mad-Max-Look, bewohnt mit sabbernden und eierköpfigen Echsenwesen in Gestapo-Kluft. Es dauerte drei Jahrzehnte, bis Nintendo wieder Vertrauen fasste und den Mut aufbrachte, sich mit externen Partnern an einer Filmadaption des eigenen Originalstoffs zu versuchen. Gemeinsam mit den Animationsexperten von Illumination entwickelte Nintendo „Der Super Mario Bros. Film“ unter Federführung von Mario-Urvater Shigeru Miyamoto – und schafft es prompt, die beiden Lieblingsklempner Mario und Luigi risikofrei und trotzdem immens unterhaltsam dem Kinopublikum zugänglich zu machen.
Fast alles wie gewohnt bei Super Mario
Jede Super-Mario-Geschichte beginnt mit dem gleichen Ritual: Prinzessin Peach wird von der feuerspeienden Riesenschildkröte Bowser oder einer anderen bösen Macht entführt und muss nun vom latzhosigen Klempner Mario mit dem markanten Oberlippenbart gerettet werden. So weit, so ikonisch. Wer jedoch bei Marios erstem animierten Leinwandabenteuer auf die altbewährte „Prinzessinnen-Rettungsmission“ spekuliert, dürfte ein wenig überrascht sein: Nicht Prinzessin Peach wird dieses Mal von Bowser in seinem fliegenden Lavaschloss gefangen gehalten, sondern Marios hasenfüßiger Bruder Luigi.
Wie die beiden italienischstämmigen Handwerker aus Brooklyn in diese Fantasiewelt aus gigantischen Pilzen, kampflustigen Schildkröten und in Steinblöcken versteckten Power-Ups geraten sind, bleibt ihnen selbst lange ein Rätsel. Die beiden hatten nämlich gerade erst ihr eigenes Unternehmen gegründet und jeden Cent in einen kitschig-humorvollen Werbespot gesteckt.
In ihrer Heimat Brooklyn sind Mario und Luigi jedoch weit davon entfernt, so etwas wie Helden zu sein. Ihr ehemaliger Chef, Inhaber eines Abrissunternehmens, verspottet sie bei jeder Gelegenheit, und auch die Großfamilie, mit Ausnahme der liebevollen Mutter, will in den Träumereien der beiden ungleichen Brüder nur Zeit- und Ressourcenverschwendung erkennen.
Mario ist ein echter Macher, der motiviert und lösungsorientiert an Probleme herangeht. Jedoch schlagen ihm Misserfolge oder Provokationen schnell aufs Gemüt, weshalb er sich nach der vernichtenden Werbekritik seiner Familie trotzig in sein Zimmer zurückzieht und mit Videospielen ablenkt. Sein Bruder Luigi schlägt hingegen in eine ganz andere Richtung. Von Natur aus ängstlich und dezent tollpatschig, malt er sich stets die größten Katastrophen aus und erstarrt mitunter vor Angst. Dafür trägt er das Herz am rechten Fleck und lebt den Traum der Brüder mit Leib und Seele.
Die Brüder ergänzen sich wie Puzzleteile
Die beiden Brüder ergänzen sich wie zwei Puzzleteile, weshalb die Empathien gerade wegen dieser etwas oberflächlichen Stereotypen schnell verteilt sind. Daher hofft man, dass der erste Auftrag der Brüder ein Erfolg wird. Leider endet dieser nach einer unglücklichen Begegnung mit einem rachsüchtigen Haushund in der Flutung des ganzen Stadtviertels. Mario und Luigi sehen hier ihre große Chance, zu Helden zu werden. In der Kanalisation von Brooklyn stoßen sie dann auch zufällig auf eine mysteriöse grüne Röhre – womit das Abenteuer seinen Lauf nimmt.
Die Welten von „Der Super Mario Bros. Film“ sind absolut vorlagengetreu den zahllosen Spielen entlehnt, die Neulinge wie Veteranen zum ausgiebigen Erkunden einladen. Gerade der Spagat zwischen fantasiereichem Design sowie Jump’n’Run-Funktionalität gelingt den kreativen Köpfen von Illumination bravourös. Aus dieser Mischung zieht der Film auch seine erzählerische Dynamik, die wie seine Figuren kaum zum Stillstehen kommt und mit einer abwechslungsreichen, aber nie überfordernden Dauerkanonade an Action-, Kampf- und Abenteuermomenten auf den Zuschauer einprasselt.
Es macht unheimlich Spaß, Mario beim Erkunden dieser fremden Welt zu folgen, wie er sich etwa mit herabstürzenden Plattformen, schnappenden Piranha-Pflanzen oder Pilzsorten mit unterschiedlichen Kräften vertraut macht – zumal Mario keine Pilze mag.
Das Böse rockt ordentlich
Über all dem quietschbunten Vergnügen schwebt jedoch buchstäblich Bowsers Lavafestung als schwelende Bedrohung. Die stachelbewehrte Riesenschildkröte mit dem Feueratem hat es allerdings nur scheinbar auf die Weltherrschaft abgesehen. Viel mehr buhlt sie um Prinzessin Peachs Gunst, die er, kindlich-archaisch motiviert, mit einem gestohlenen Powerstern für sich und die gemeinsame Weltherrschaft gewinnen will.
Bowsers Figur folgt einer einfachen, jedoch effizienten Tragik: Er möchte beachtet und geliebt werden, wohingegen er mit seinem brutalen Auftreten und den manischen Anfällen meist genau das Gegenteil bewirkt. Hier bewegt sich der Film motivisch auf ähnlichem Terrain wie bei den zwei Protagonisten, denen es auch um gesellschaftliche Anerkennung sowie Wertschätzung geht. Durch Bowsers Egoismus zahlt die Figur immens auf die Spannungs- und Actionkurve des Films ein, ob durch die bedrohliche Tyrannenaura oder wuchtige Kämpfe mit Feuer und Krallen. Da die Riesenschildkröte im US-amerikanischen Original dem Schauspieler Jack Black nachgebildet ist, dürfen Szenen mit Gesangseinlagen des künstlerischen Tausendsassas nicht fehlen – und wenn Bowser im geheimen Kämmerlein am Klavier schwülstig-liebestoll über seine vergötterte Prinzessin fantasiert, hegt man als Zuschauer doch ein gewisses Mitleid mit dem scheinbar missverstandenen Reptil.
„Der Super Mario Bros. Film“ verzichtet zwar komplett auf eine übergeordnete Metaebene, weshalb die Dialoge und Figuren an eine jüngere Zielgruppe gerichtet sind. Trotzdem kommen auch Erwachsene, insbesondere Kenner der Videospiele, durch die immens liebevoll umgesetzten Spielewelten und eingestreuten „Easter Eggs" auf ihre Kosten.
Auch die Prinzessin teilt aus
Der Film weiß auch die neunzigminütige Laufzeit unterhaltsam zu nutzen, muss sich aber Kritik an der flachen Geschichte sowie stereotypischen Figuren gefallen lassen. Einzig Prinzessin Peach sticht als etablierte Frauenfigur hervor, die auch ohne Marios Hilfe gut zurechtkommt und ordentlich gegen die Bösen austeilen kann. Die Filmemacher zeichnen Peach konträr zum angestaubten Bild aus den Videospielen, wo sie sich meist naiv-lächelnd ohne großen Widerstand entführen lässt und geduldig in der hintersten Schlosskammer auf ihren Retter Mario wartet.
Ansonsten geht Nintendo wie gehabt keinerlei Risiken ein und erzählt ein familienfreundliches Animationsabenteuer ohne Ecken und Kanten, dass jedoch angesichts der vielfältigen Fortsetzungsmöglichkeiten große Lust auf mehr macht.